Die Auswirkungen der Digitalisierung auf unsere Gesellschaft sind immens und es eröffnen sich privat und beruflich nie dagewesene Möglichkeiten. Doch wer kann mit dem digitalen Wandel tatsächlich mithalten und wer hat die Fähigkeit, die veränderten Lebenssituationen gut zu meistern?  

Seit 2013 beschäftigt sich das Netzwerk Initiative D21 mit genau dieser Frage und veröffentlicht im Zuge dessen alljährlich ein umfassendes Lagebild zur Digitalisierung in Deutschland – den Digital-Index. 
Unter der Schirmherrschaft von Wirtschaftsminister Robert Habeck hat es sich das Marktforschungsunternehmen Kantar zur Aufgabe gemacht, die Untersuchungen für den diesjährigen D21-Digital-Index 2022/23 durchzuführen. Dabei ist es das zentrale Ziel des Digital-Index, abzubilden, wie die Gesellschaft mit dem digitalen Wandel umgeht und auf die zukünftigen Entwicklungen reagieren wird.  

Laut der aktuellen Studie verfügen rund zwei Drittel der Bevölkerung (64%) über die notwendigen Resilienzfaktoren, um mit dem digitalen Wandel Schritt halten zu können, nichtdestotrotz scheint die digitale Spaltung der Gesellschaft noch nicht vollends überwunden zu sein. 
Demnach befinden sich die Hälfte der Bürger*innen (55%) innerhalb der sogenannten digitalen Mitte und verfügen somit über wesentliche Kompetenzen, um die Anforderungen der Digitalisierung zu meistern. Aufgeschlossen stehen diesen Veränderungen jedoch nur 29% der Befragten gegenüber, während die restlichen 26% der digitalen Mitte teils mit Ablehnung und auch Sorgen in eine digitale Zukunft blicken.
Ein ähnlicher Trend lässt sich bei den sogenannten digitalen Profis verzeichnen, welche rund 30% der Befragten repräsentieren. Auch jene Gruppe, die sich durch stark überdurchschnittliche digitale Kompetenzen auszeichnet, steht dem digitalen Wandel teils zuversichtlich (18%) und teils ambivalent (11%) gegenüber. 
Darüber hinaus verfügen 14% der Bürger*innen über wenige, bis gar keine digitalen Fähigkeiten. Diese werden in der Studie als „digitale Vermeider*innen” bezeichnet. Die Gruppe wird primär von Frauen, Menschen älterer Generationen sowie Personen mit niedriger Bildung dominiert. 
Gerade diese Menschen sind es, die Gefahr laufen, ins digitale Abseits zu geraten und damit sowohl gesellschaftlich als auch ökonomisch den Anschluss zu verlieren. 
Vor diesem Hintergrund erscheint es zwar vielversprechend, dass 85% der Bevölkerung für den digitalen Wandel gewappnet zu sein scheinen.  Dass rund die Hälfte der Bürger*innen (52%) ablehnend der Digitalisierung gegenüberstehen, problematisiert die Studie jedoch unzureichend.  

 

Mit digitalen Kompetenzen in die Zukunft

Den diesjährigen Studien-Ergebnissen ist zu entnehmen, dass 64% der Bevölkerung über die nötigen Resilienzfaktoren verfügen, die für einen sicheren Umgang mit dem digitalen Wandel von Nöten sind. Allerdings scheint jenes Bewusstsein noch nicht in die berufliche Lebenswelt der Bürger*innen vorgedrungen zu sein.
Während 80% der Befragten der Annahme waren, dass bis zum Jahr 2035 ganze Berufe im Zuge der Digitalisierung verschwinden könnten, befürchtete lediglich ein Anteil von 19% selbst davon betroffen sein zu können. Diese eher vermeidende Form der vermeintlichen Problemlösung bezeichnet die Studieninitiatoren als “Vogel-Strauß-Effekt” innerhalb der Bevölkerung.  

Nicht überraschend ist es deshalb auch, dass nur rund 16% der Berufstätigen in den letzten 12 Monaten vom Arbeitgeber finanzierte Angebote zur digitalen Weiterbildung wahrnahmen. 
Dieser doch eher trägen digitalen Entwicklungstendenz innerhalb der Bevölkerung könnte demzufolge die Frage entspringen, ob sich im Zuge eines tiefgreifenden digitalen Wandels der Arbeitswelt nicht womöglich eine sozio-ökonomische Krise anbahnen könnte.
Für die zukünftigen Generationen auf dem Arbeitsmarkt könnte die schulische Vermittlung essenzieller digitaler Kompetenzen den Grundstein dafür legen, im internationalen Vergleich auch zukünftig mithalten zu können. Jedoch gaben nur 31% der Befragten an, zu glauben, dass das deutsche Bildungssystem in der Lage dazu sei, dies zu bewerkstelligen.  

Der Studie ist des Weiteren zu entnehmen, dass es insbesondere einkommensschwache Personen, Menschen, ohne Bürojob und/oder Arbeitslose sowie Bürger*innen mit niedriger formaler Bildung sind, welche sowohl über sehr geringe digitale Kompetenzen als auch wenige Resilienzfaktoren verfügen. 
Im Zuge der digitalen Transformation von Beruf und Alltag bedarf es somit der intensiven Unterstützung ebendieser Bevölkerungsgruppen, um nicht nur einer weiteren Spaltung der digitalen Gesellschaft, sondern auch der Gesellschaft als soziales Gefüge entgegenzuwirken. 
Denn scheitert das Anschlussfinden nämlich häufig weniger am “Wollen”, sondern vielmehr am “Können”.  

 

Digitalisierung – Hürde oder Mittel der Demokratie? 

Als weiterer Schwerpunkt der Studie wurde das Thema Zusammenhalt und Demokratie untersucht.64% der Bürger*innen halten Desinformationen im Netz für die größte Gefahr der Digitalisierung für die Demokratie. Jedoch traut sich nur rund die Hälfte aller Befragten zu, Desinformationen im Netz von wahrheitsgetreuen Informationen unterscheiden zu können.
Etwas mehr als die Hälfte (54%) der Probanden sehen in der Digitalisierung dennoch eine Chance für die Demokratie, während lediglich ein Anteil von ca. 20% – Tendenz sinkend – den digitalen Wandel als explizite Gefahr für die demokratischen Strukturen wahrnimmt. 
Auch in Bezug auf die freie, unkontrollierte Meinungsäußerung im Netz waren sich die Befragten uneins. So gaben 50% der Probanden an, dass sie die freie Meinungsäußerung der Kontrolle beleidigender oder demokratiefeindlicher Äußerungen vorziehen würden, 38% der Bürger*innen positionierten sich konträr dazu. 
In Anbetracht der Tatsache, dass Desinformationen im Netz von der Mehrheit der Befragten als größte Gefahr für die Demokratie angesehen werden, könnte diese Tendenz zur unregulierten Meinungsäußerung recht widersprüchlich erscheinen, wenn man bedenkt, dass die Grenzen zwischen bloßer Meinungsäußerung und Desinformation oft sehr schmal verlaufen können.   

 

Digitaler und grüner Wandel 

Die Studie sieht, neben der digitalen Transformation, insbesondere den “grünen Wandel” als zentrale gesellschaftliche Herausforderung. Transformationsprozesse in Bezug auf Nachhaltigkeit und Klimaschutz könnten demnach in Kombination mit neuen digitalen Möglichkeiten den Grundstein für den Weg zur Klimaneutralität legen.  Digitaler und grüner Wandel gehen somit Hand in Hand und können wechselseitig voneinander profitieren. Jene Wechselwirkungen realistisch einzuschätzen, fiel den meisten Befragten jedoch eher schwer.
So gab nur knapp die Hälfte (49%) der Probanden an, sich etwaiger Umweltauswirkungen bei der Nutzung digitaler Anwendungen bewusst zu sein.  

Die Studie kristallisiert klar heraus, dass die Digitalisierung bei der Mehrheit der Menschen bereits Einzug in ihr alltägliches und berufliches Leben gehalten hat. 
Die vorliegenden Zahlen lassen jedoch vermuten, dass dieser Prozess bei einem großen Teil der Bürger*innen nicht immer freiwillig stattgefunden hat und die Digitalisierung in vielen Köpfen in Hinblick auf zukünftige Entwicklungen nicht nur mit positiven Emotionen besetzt ist. 
Zudem erwecken die Ergebnisse den Eindruck, dass sowohl im beruflichen als auch im schulischen Kontext nach wie vor Defizite in Bezug auf aktive und vor allem zukunftsorientiere digitale Weiterbildung existieren. 
Schließlich ist festzuhalten, dass zwar wichtige Grundsteine für eine digitale Zukunft in Deutschland gelegt sind, jedoch noch nicht jede/r dazu bereit ist, diesen Weg auch mitzugehen. In Zukunft bedarf es deswegen nicht nur der kontinuierlichen Weiterbildung, sondern auch einer besseren Sensibilisierung und Motivation für den digitalen Transformationsprozess innerhalb der Bevölkerung.   

Foto von Marvin Meyer auf Unsplash

Privacy Preference Center