Im Umfeld der französischen Präsidentschaftswahl wurden angebliche Leaks über den Kandidaten Emmanuel Macron gepostet. Den Wahlausgang konnten sie nicht nachhaltig beeinflussen. Sie zeigen aber zweifellos, wie kompliziert das Internet und die Suche nach der Wahrheit mittlerweile geworden sind.

Das sollte uns natürlich nicht dazu bewegen, die Suche nach der Wahrheit aufzugeben – wohl aber dazu, Informationen und die Motive ihrer Urheber und derjenigen, die sie weiter verbreiten, stets kritisch zu hinterfragen.

Leak gegen Emmanuel Macron

In Frankreich wurde gewählt. Nachdem der parteilose Kandidat Emmanuel Macron und Marine Le Pen vom rechtspopulistischen Front National aus dem ersten Wahlgang als stärkste Kandidaten hervorgegangen waren, kam es zwischen ihnen am 7. Mai 2017 zu einer Stichwahl. Diese konnte Macron deutlich für sich entscheiden und wird somit nun das höchste Staatsamt in Frankreich bekleiden.

Das Wahl-Wochenende wurde allerdings von einigen spektakulären und chaotischen Meldungen überschattet. Im Internet tauchten große Mengen geleakter Dokumente über Macron auf, erbeutet in einem „spektakulären Hacker-Angriff“. Wer hinter der Kampagne steckt, ist unklar – Verbindungen zu WikiLeaks stellten sich bald als Gerücht heraus – doch es wird vermutet, dass die Urheber rechtspopulistischen Bewegungen nahe stehen. Weiter verbreitet wurden die Dokumente jedenfalls ganz gezielt von Macrons politischen Gegnern.

Spekulationen, dass der Hack von russischen Kräften initiiert wurde – womöglich von denselben, die auch die US-Wahlen durch gezielte Leaks gegen Hillary Clinton zu beeinflussen versuchten – haben eine gewisse Plausibilität, lassen sich aber aktuell nicht endgültig beweisen.

Veröffentlichungs-Verbot

Den französischen Medien wurde untersagt, über die Leaks zu berichten. Auch Macron selbst und seine politische Gegnerin Le Pen durften sich nicht dazu äußern. Dabei handelt es sich allerdings nicht um eine sinistere Zensurmaßnahme. In Frankreich hat es vielmehr Tradition, dass in den letzten Stunden vor der Wahl keine politische Diskussion mehr stattfinden darf.

Zudem, so die französische Wahlkommission, enthalte der Leak falsche oder zumindest auf die Schnelle nicht überprüfbare Informationen. Das ist zweifellos richtig. In dem gigantischen Datenpaket finden sich sogar Dokumente, die Macron gar nicht direkt betreffen. Andere bedürfen einer wochen- oder gar monatelangen Recherche, um die Relevanz und den Wahrheitsgehalt zu überprüfen.

Ein taktisch günstiger Moment?

Was also bezweckte dieser Leak – und warum wurde er so kurz vor der Wahl an die Öffentlichkeit gebracht, obwohl der dahinter stehende Hackerangriff wahrscheinlich bereits Anfang April erfolgte?

Die wahrscheinlichste Antwort lautet, dass es sich um eine taktische Entscheidung von Leuten handelte, die Macron nicht gerade wohl gesonnen sind. Auch und gerade, wenn der Leak wenig inkriminierendes Material hergibt, stiftet seine Präsentation so kurz vor der Wahl und ohne Möglichkeit zur Stellungnahme reichlich Verwirrung. Dass Macron sich – wie viele andere Akteure in Zeiten des Internet – bereits zuvor mit Fake News und Desinformation herumschlagen musste – so wurde ihm ohne belastbare Anhaltspunkte Steuerhinterziehung unterstellt – macht dieses Szenario noch wahrscheinlicher.

Rund um die Vorfälle entwickelten sich schnell allerhand abstruse Theorien. Gerade über die Rolle der Russen wurde hitzig diskutiert. In vielen Fällen waren die vertretenen Thesen wohl eindeutig ins Reich der Verschwörungstheorien einzuordnen. Für eine sachliche politische Diskussion sorgte all das nicht gerade.

Kritisch bleiben – auch gegen Leaks

Auch wenn der Ausgang der Wahl letztendlich nicht beeinflusst wurde, sind die Geschehnisse in Frankreich sowohl interessant als auch Besorgnis erregend. Klar ist: Leaks sind eine effektive Waffe gegen Machtmissbrauch und unangemessene Geheimnistuerei von Regierungen und anderen Führungspersönlichkeiten.

Wie jedes Werkzeug kann allerdings auch dieses missbräuchlich eingesetzt werden. Genau das ist wohl im vorliegenden Fall geschehen. Wo Leaks nicht mehr der Suche nach der Wahrheit, sondern im Gegenteil nur noch der Desinformation und dem Anschwärzen missliebiger Personen dienen, verfehlen sie ihren eigentlichen Zweck meilenweit. Das müssen wir anprangern.

Der Fall Macron zeigt, wie wichtig es ist, Nachrichten kritisch zu hinterfragen und angeblichen Leaks ebenso wie jeder anderen Information zunächst mit Skepsis zu begegnen. Medienkompetenz war nie schwerer – doch sie war auch nie wichtiger.

 

Dies ist ein Crosspost von netzpiloten.de. Der Artikel ist zuerst dort erschienen.

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