In den vergangenen Jahren haben Medienvertreter*innen mit so manchem Vorurteil zu kämpfen. Von einer kleinen aber lautstarken Minderheit werden Vorwürfe, wie “Lügen-”, ”Pinocchio-”, “System-” oder “Relotiuspresse” skandiert. Eine Unterwürfigkeit der Medienakteure gegenüber politischen Akteuren wird dabei unterstellt. Zeitgleich existiert ein gewisses Misstrauen politischer Sphären gegenüber den Journalist*innen. Dieser, so eine weit verbreitete Annahme etwa unter Parlamentarier*innen, verfolgt bei seiner Arbeit seine eigene politische Agenda.

Auch die Politikwissenschaft hat sich mit dem vermeintlichen Wechselverhältnis von politischen
Akteuren zu Medienakteuren beschäftigt – und ist dabei zu teils widersprüchlichen Ergebnissen gelangt. Es lässt sich dabei zwischen vier Modellen unterscheiden.

Das Gewaltenteilungsparadigma postuliert die Medien als vierte Gewalt im Sinne der Gewaltenteilungslehre nach Montesquieu. Jedoch wird dabei den konstituierenden Gewalten (Legislative,
Exekutive und Judikative) keine vierte Gewalt an die Seite gestellt. Vielmehr übernehmen nach dieser
Vorstellung die Medien eine Kontrollfunktion. Medien sind Gatekeeper im Sinne eines Wächteramtes.
Es liegt in ihrem Ermessen, was die Öffentlichkeit auf welche Art und Weise erfährt und wie diese Information eingeordnet wird.

Das Instrumentalisierungsparadigma durch Medienakteure (in den Politikwissenschaften auch
Dependenzthese oder Dependenz-Modell genannt) geht davon aus, dass politische Entscheidungen
maßgeblich durch die Logiken der Medien beeinflusst werden. Medien haben einen gewissen Einfluss auf politische Akteure und nutzen diesen auch. Der politische Akteur unterwirft sich im Auftreten vermeintlicher Vorgaben und die eigene Autonomie geht verloren.

Ganz ähnlich verhält es sich mit dem Instrumentalisierungsparadigma durch politische Akteure (auch Funktionalisiserungsthese) – nur mit verkehrtem Vorzeichen. Medien sind Verlautbarungsorgane der Politik. Durch einen wachsenden ökonomischen Druck und schwindende Ressourcen ist der oder die Journalist*in zunehmend auf die Quellen angewiesen und das Mächteungleichgewicht steigt.

Eine vermittelnde Position unter diesen Vorstellungen nimmt das Symbiose-Paradigma (Interdependenz-
Modell oder auch Interdependenzthese) ein. Die politische und die Mediensphäre treten in eine gewisse Abhängigkeit, von der beide Seiten profitieren. Politische Akteure nutzen den Kontakt zu Medienvertreter*innen, um Präsenz in der Öffentlichkeit zu erlangen – Medienvertreter*innen nutzen ihre politischen Kontakte, um Zugang zu Informationen zu erhalten. Es handelt sich dabei um eine Tauschbeziehung: Information gegen Publizität – und umgekehrt.

Diese vier Paradigmen über das Wechselverhältnis politischer zu Medienakteuren haben die Mediendemokratie als Grundannahme. Demnach sind Medien zu einem bestimmenden Element in
der Gesellschaft geworden. Ihren Ursprung haben diese Vorstellungen in der tiefgreifenden Transformation des Mediensystems, gekennzeichnet etwa durch das Herausbilden des dualisierten
Rundfunks seit den achtziger Jahren und dem Wandel eines durch nächtliche Sendepausen unterbrochenen TV-Programms zu einem 24-Stunden-Programm.

Heute beobachten wir wieder tiefgreifende Veränderungen, ausgelöst durch die Digitalisierung,
das Internet und die sozialen Medien. Die Vorstellungen von einst, ganz gleich welche man am überzeugendsten findet, bedürfen einer Reformulierung, um die neuen Gegebenheiten zu berücksichtigen.

Durch soziale Medien ist der politische Akteur nicht zwingend auf den Medienakteur angewiesen, um seine Botschaften zu vermitteln. Der eigene YouTube Kanal oder das eigene Twitter Profil sind potenzielle Verlautbarungsorgane, ohne dass Journalist*innen als Gatekeeper die Botschaft kritisch einordnet. Der direkte Austausch mit der Gesellschaft ist möglich, wo sonst die Medien als Mittler aufgetreten sind. Besonders profitieren von diesen neuen Gegebenheiten Positionen, deren Weg in die öffentliche Aufmerksamkeit sonst versperrt waren. Nach dem Gewaltenteilungsparadigma ist durch Social Media die Funktion der Medien stark eingeschränkt.

Betrachtet man vor diesem Hintergrund das Instrumentalisierungsparadigma durch Medienakteure, so bedarf auch diese antizipierte Rollenverteilung eine Reformulierung. Die diesem Paradigma eigene Ungleichverteilung des Einflusses wird durch die neuen Möglichkeiten stark abgeschwächt. Der Medienakteur kann zwar weiterhin seine gesellschaftliche Rolle wahrnehmen, jedoch hat der politische Akteur die Möglichkeit ein ganzes Stück autarker zu handeln. Je nach Zielgruppe der eigenen Botschaften entfällt die Notwendigkeit nach Mittlern. Dem eigenen “Nachrichtenformat” steht nicht viel im Weg.

Vertritt man doch eher die gegenteilige Meinung, also über ein Machtungleichgewicht zugunsten der politischen Akteure, so wird diese Mächteverteilung durch Social Media verstärkt. Waren Medien bereits vor dem Aufkommen sozialer Netzwerke auf den politischen Akteur als Stichwortgeber oder Quelle angewiesen, so steigt diese Abhängigkeit durch die schwindende Notwendigkeit der Medien. Eine Anbiederung oder wohlwollendes Berichten kann hier eine befürchtete Folge sein.

Auch Vertreter des Symbioseparadigmas müssen sich einer Reformulierung stellen. Der Wert der den Medien eigenen Ressource “Publizität” nimmt ab. Auch ohne die Medien haben politische Akteure die Möglichkeit die Öffentlichkeit zu erreichen. Dennoch bieten sich neue Gelegenheiten für das Tauschgeschäft: Ähnlich der Presseerklärung, aus der die Journalist*innen zitieren, kann beispielsweise das auf Video festgehaltene politische Statement ohne großen Aufwand durch Medienakteure in eigenen Beiträgen eingepflegt oder in Gänze verlinkt werden. Das kostenintensive Buchen und Aussenden eines Kamerateams ist nicht notwendig, Bewegtbild Material ist dennoch verfügbar. Egal, wie idealisiert der oder die Medienvertreter*in ihre gesellschaftliche Rolle versteht: Am Ende zählen doch allzu oft die Kosten.

Die klare Rollenverteilung zwischen politischer Sphäre und (Massen-) Medien scheint heute nicht mehr so gegeben zu sein, wie vor zehn oder 20 Jahren. Was einst die Parteien- oder Mitgliederzeitschriften waren, übernimmt heute der YouTube-Kanal oder das Twitter Profil. Sowohl Journalist*innen, als auch Kommunikationsstrateg*innen der politischen Akteure müssen sich auf ungewohntes Terrain bewegen und tun dies mit unterschiedlichem Erfolg. Auch die politik-interessierte Bevölkerung muss einen Lernprozess durchmachen. Das, was allgemein unter ‘Medienkompetenz’ verstanden wird, erfährt einen enormen Bedeutungsgewinn. Quelleneinordnung ist wichtiger denn je.

Wie man das Wechselverhältnis vom politischen zum Medienakteur letztendlich beurteilt, ist eine Frage, die nicht ohne weiteres beantwortet werden kann. In diesem Beitrag wurden vier unterschiedliche Paradigmen vorgestellt und anhand der neuen Gegebenheiten, die wir durch das Netz und den sozialen Netzwerken erfahren, erweitert. Welche von den Ansätzen man am plausibelsten hält, ist eine Sache der eigenen Perspektive. Im nächsten Beitrag wird der Frage nachgegangen, inwiefern dies die politische Kommunikation der Akteure beeinflusst.