Digitale Unterschriftenaktion, Live-Streams, tägliche Twitter-Meldungen – die Gegner des Bauprojekts Stuttgart 21 vernetzen sich intensiv. Wie die protestierenden Schwaben im Netz vorgehen und warum ihnen Fernsehen und Zeitung doch wichtiger sind.

2007 kam der Stein mit dem Aktionsbündnis „Kopfbahnhof 21“ im Netz ins Rollen. Eine Vereinigung aus dem Kreisverband BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, der Umweltschutzorganisation BUND und einigen anderen startete eine Kampagne. Das Bündnis "Kopfbahnhof 21" schlägt eine preisgünstigere Baualternative zu "Stuttgart 21" vor und verbreitet die Aufklärung sowie Aktionen auch via Internet.

Digitale Vernetzung

In der Folgezeit entstanden immer mehr Internet-Aktionen, die sich fortlaufend untereinander verlinkten. Die Startseite von "Kopfbahnhof 21" bietet einen Link zur Live-Webcam an der Bahnhofsbaustelle, welche auch mit der Initiative "Parkschützer" verbunden ist. Die Aktion "Parkschützer" fordert die Bürger dazu auf, den bahnhofsnahen Park vor Schäden durch den Umbau zu retten. Schon über 25.000 Bürger haben sich der Aufforderung angeschlossen und täglich steigt die Zahl.

Auf der Startseite von "Kopfbahnhof 21" ebenfalls zu finden, ist der Link zum "Stuttgarter Appell". Seit Anfang August 2010 können Befürworter und Gegner dort eine digitale Unterschrift für ein sofortiges Moratorium des Bauprojekts abgeben. Innerhalb von knapp vier Wochen kamen über 54.000 Unterschriften zusammen. Zum Vergleich: Die E-Petition gegen die Einführung von Nacktscannern hat nach mehr als sechs Monaten knapp 17.000 Mitzeichner.

Die eigene Internetseite der Live-Webcam verfügt auch über eine Reihe von Links zu protestbezogenen Dokumenten, Archivmaterialien und anderen Internetseiten. Auch eine Facebook-Verlinkung gibt es.

Soziale Netzwerke als Protestplattformen

Neben "Flügel TV" sind beispielsweise auch die Aktionen "Kopfbahnhof 21", "Parkschützer" oder "Kein Stuttgart 21!" bei Facebook vertreten. "Kein Stuttgart 21!" hat mit 8.038 Mitgliedern die meisten Anhänger.

Wie eine Reportage von ZDF heute zeigt, gibt es mit dem Twitter-Profil "abrissaufstand" mittlerweile eine eigene "Twitter-Gemeinde". Stündlich liefert sie neue Tweets zu Ereignissen an der Baustelle und hat rund 1.100 Follower. Die Tweets werden für ältere Nutzer noch einmal extra in die eigene Homepage "Bei Abriss Aufstand" eingebettet, so Fritz Mielert, Gründer der Seite, im ZDF-Interview. Die gleiche Taktik nutzten auch die Betreiber der Internet-Seite "Parkschützer".

Revolution über Internet?

Die digitale Vernetzung der Protestbewegung Stuttgart 21 lässt erahnen, wie wichtig das Internet in Zukunft bei der Vernetzung und Verstärkung von Bürgerkampagnen werden könnte. Doch so weit ist es noch nicht. Das meint zumindest Gangolf Stocker, Gründer der Web-Seite „Leben in Stuttgart“ und Mitbegründer des Aktionsbündnisses "Kopfbahnhof 21". Trotz der enormen Internetpräsenz ist Stocker davon überzeugt, dass die deutschlandweite Aufmerksamkeit und die Effektivität der Proteste größtenteils klassischen Medien wie Fernsehen oder Zeitungen zu verdanken sei. Diese seien nach seinem Gefühl immer noch die primären Informationsquellen für die breite Masse. Trotzdem hätte die Vernetzung und Kommunikation über das Internet den Protestlern sehr geholfen.

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