Twitternde Spitzenpolitiker sind in Deutschland noch selten, ihre Accounts häufig Fälschungen, wie eine Studie von ‘newthinking communications‘ 2009 feststellte. Bei den Parlamentariern und Landespolitikern tut sich in Sachen Twitter deutlich mehr. Und auf kommunaler Ebene? Hier twitterten bislang vor allem die Ortsgruppen der Parteien, nicht aber der Oberbürgermeister selbst. Doch der Kommunalwahlkampf 2009 hat hier einiges in Bewegung gebracht.

"Die griechisch-dt. Gemeinschaft gibt ein Lamm-Essen, wenn ich am 30.08. Erfolg habe." Mit diesem Aufruf bei Twitter versuchte Jürgen Roters am 29. Juli 2009 seine Follower an die Wahlurnen zu bewegen. Funktioniert hat es, Roters ist der neue Oberbürgermeister von Köln. Mittlerweile gehört es zum Standardprogramm, dass im Wahlkampf und insbesondere an Wahlsonntagen getwittert wird was das Zeug hält. In vielen Fällen bleibt der Microblogging-Dienst aber – wie so viele andere Web-2.0-Anwendungen auch – ein reines Wahlkampfinstrument, das nach dem Urnengang wieder in den Standby-Modus geschaltet wird.

"Üben!"

Auf kommunaler Ebene findet Twitter bei Politikern dagegen immer mehr Verbreitung. Neun twitternde Oberbürgermeister sind politik-digital.de derzeit bekannt, die drei aktivsten von ihnen kommen aus Kiel, Bonn und Köln. Sie alle haben Twitter schon während ihrer Wahlkämpfe 2009 für sich genutzt und zwitschern auch nach ihrer Amtseinführung weiter. Werden Wahlkämpfe in Zukunft also auch über Twitter entschieden? 

 

Twitteraccount von Jürgen Nimptsch

 

Der Bonner Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch (SPD) glaubt das nicht und äußerte gegenüber politik-digital.de auch noch weitere Bedenken. Die rasend schnelle Verbreitung von Spekulationen über den Wahlausgang bereits vor Schließung der Wahllokale lehnt er ab. Für einen demokratischen Wahlprozess sei das problematisch. Sein Parteigenosse Torsten Albig sieht das anders. "In spätestens zehn Jahren werden Wahlen über solche Kommunikationsformen entschieden werden", ist sich der Kieler Oberbürgermeister im Twitter-Interview mit der SPD-Zeitung ‘vorwärts’ sicher. Der Sozialdemokrat empfiehlt daher: "Üben!"

"Ich tu´s!"

Zum Twittern gekommen ist Albig aber eher zufällig und ganz ohne Wahlkampf-Absichten: "Ich habe es beim Rasieren im Radio gehört – ‘Ruft uns an oder twittert.’ Nachgeschaut, was das ist und fand es sehr interessant." Auf ähnliche Weise landete auch Siegfried Balleis (CSU),  Oberbürgermeister von Erlangen, beim Mikroblogging-Dienst: "Herr Folger (Web-Beauftragter der Stadt – die Redaktion) überzeugte mich mit Twitter zu starten. Ich tus." Seit dem 16. Dezember 2009 zwitschert jetzt der CSU-Politiker regelmäßig etwa alle zwei Tage.

Zum überwiegenden Teil wird Twitter bei den Bürgermeistern genutzt, um den politischen Standpunkt zu einem aktuellen Thema zu verdeutlichen. OB Siegfried Balleis aus Erlangen verbreitet so zum Beispiel seine "Erkenntnis des Tages: Integration ist Chefsache! Menschen mit Migrationshintergrund müssen sich als Stadtbereicherung empfinden."

"Keiner macht mit. Kann das sein?"

Sein Kollege Jürgen Roters aus Köln positioniert sich mit seinen Tweets auch gerne Mal gegenüber dem politischen Kontrahenten: "CDU und CSU sind gegen ein Adoptionsrecht für Schwule und Lesben. Die Diskriminierung setzt sich also fort! Ich bin für gleiche Rechte!!" Und der Bonner Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch informiert seine Follower über seine Arbeit: "Wir bekennen unsere besondere Verantwortung im Kampf gegen Antisemitismus, Rassismus und Intoleranz http://bit.ly/cFvLht".

Die Tweets von Torsten Albig hingegen transportieren neben reiner Information auch schon mal eine gute Portion Emotionen: "Hi, auf Kiel.de gibt’s nen Chat mit dem Kieler OB – also mit mir. Keiner macht mit. Kann das sein?" Im ‘vorwärts’-Interview nennt Albig das Microbloggen "eine spannende Beteiligungsform." Als OB müsse man allerdings aufpassen, "dass man nicht eine Präsenz vorgaukelt." Twitter kann demokratische Prozesse zwar kommunizieren, aber eben nicht ersetzen.

Die hier erwähnten Bürgermeister sind nicht die einzigen mit Twitteraccount, auch in Steinbach, Giengen, Gießen, Bremen und Augsburg können die Bürger beim OB mitlesen. Und damit ist die Liste sicher noch nicht komplett. Wenn Sie auch noch jemanden kennen, freuen wir uns auf Hinweise.