Bayern soll Hightech-Standort werden. Maximilian Cartellieri, der
Vorstandssprecher von ciao.com und Mitglied im neuen Internetbeirat des Freistaates, sprach mit
politik-digital über das Interesse der Politik an seiner Branche.

politik-digital:Herr Cartellieri, Sie sind zur Zeit als Experte im Internetbeirat
der bayrischen Staatsregierung und versuchen die Rahmenbedingungen der New Economy zu verbessern. Was
umfasst Ihr Forderungskatalog?

Maximilian Cartellieri: Generell gesagt: Mehr Flexibilität und weniger Regulierung, konkret ist der Bereich der Besteuerung zu nennen.
Die Besteuerung von Mitarbeiter-Optionen liegt oft bei über 50%. Das ist prohibitiv, weil man gute Leute aus
traditionellen Unternehmen so nur schwer in die Start-up Branche bekommt. Dann gibt es Gesetze wie das
Nachgründungsprüfungsgesetz aus dem Jahre 1924, die uns behindern, oder die Regelung der
Umsatzsteuerrückzahlung, die für junge Unternehmer oft Cashflowprobleme mit sich bringt, weil das Geld
monatelang beim Finanzamt liegt. Stichwortartig kann ich noch das Rabattgesetz, das Kündigungsgesetz und
natürlich das Ladenschlussgesetz nennen. Hier muss dringend nachgebessert werden.

 

Maximilian Cartellieri

Maximilian Cartellieri

politik-digital:p.d.: Ist die Lage in Deutschland für dotcoms schwieriger als
in anderen Ländern?

Maximilian Cartellieri: Ich denke schon. Ich habe längere Zeit im Ausland gearbeitet, auch im europäischen
Ausland, und kann rückblickend sagen, dass die deutsche Bürokratie in unserem Bereich besonders behindert.

politik-digital: Ist das Interesse der Politik an den Start-ups sachlich oder
glauben Sie, dass sich manche Politiker nur mit dem Etikett "internetminded" schmücken wollen?

Maximilian Cartellieri:Hier in Bayern ist das sehr ernst gemeint. Herr Dr. Stoiber und das Kabinett nehmen
sich viel Zeit für den Themenkomplex. Bayern soll als Hightech-Standort ausgebaut werden und steht ja auch im
Bundesdurchschnitt gut da. Ich kann allerdings nicht ganz ausschließen, dass bei einigen Leuten – auf Seiten der
Unternehmer wie der Politik – die Öffentlichkeitsarbeit im Vordergrund steht: die Politik hat natürlich auch das
Wählerpotential der New Economy erkannt und umgekehrt ist die politische Einmischung mancher Unternehmer
eine willkommene Werbung für das eigene Business. Da muss man aufpassen, dass die Euphorie nicht zum
Verdruss wird und die Verbesserung der Rahmenbedingungen für die New Economy nicht nur als Sommerloch
taugt.

politik-digital:Glauben Sie, dass "Wanderer zwischen den Welten" wie
Thomas Heilmann etwas bewegen werden?

Maximilian Cartellieri:Auf jeden Fall. Solche Seiteneinsteiger sind für beide Seiten sehr hilfreich. Vor allem
die Politiker sind teilweise mit Sachfragen konfrontiert, die sie überfordern. Da braucht die Politik engagierte
Impulsgeber mit Sachkenntnis. "Der Bundestag ist mal voller, mal leerer aber immer voller Lehrer", dieser Satz
trifft leider zu und für die Probleme der dotcoms brauchen wir Experten.

politik-digital:Wie sieht die Marschroute des bayrischen Internetbeirats aus?

Maximilian Cartellieri:Wir haben nächste Woche ein Treffen, in dem die ersten Arbeitsergebnisse
präsentiert werden. Wir wollen schnell arbeiten und haben unsere Ziele hochgesteckt. Allerdings sind wir von
Dr. Stoiber als Experten geladen unter dem Vorsitz von Dr. Hubert Burda. Wir empfehlen dem Kabinett die
Themen. Wann diese Vorschläge dann tatsächlich in konkrete Politik umgesetzt werden, kann ich nicht sagen.

politik-digital:Was ist für Sie persönlich der Anreiz, bei dem politischen
Prozess mitzumischen?

Maximilian Cartellieri:Ich kenne die Probleme, die sich Start-ups stellen, aus eigener Anschauung. Wenn
ich mich über die deutsche Regelungen beim Handelsregister, wo ein Eintrag bis zu 8 Wochen dauert, aufrege,
und dann die Chance bekomme da Einfluss zu nehmen, kann ich mich dieser Chance nicht verschließen. Als man
mich gebeten hat, in den Internetbeirat zukommen, habe ich sofort zugesagt. Das sehe ich als eine Bürgerpflicht.

politik-digital:Im Moment herrscht auf beiden Seiten des Tisches
Aufbruchsstimmung. Glauben Sie, dass jetzt wirklich genug Bewegung in die Gesetzgebung kommt, um
Deutschland attraktiv zu machen?

Maximilian Cartellieri:Die Bewegung ist da, aber schnell genug kann es gar nicht gehen. Immerhin haben
die Politiker erkannt, dass völlig neue Formen der Arbeit bereits Realität sind und dass wir neue Spielregeln
brauchen. Allerdings darf man nicht vergessen, dass die alten Regeln und Gesetze auch einen Sinn haben. Man
kann jetzt nicht alles nach den Bedürfnissen der Start-ups ausrichten. Deswegen können die neuen
wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht übers Knie gebrochen werden. Wir Unternehmer müssen aufpassen,
dass wir nicht durch unsinnige oder übertriebene Forderungen den Prozess zur Farce geraten lassen. Aufgabe der
Politik ist es, die Interessenkonflikte auszusortieren. Ich denke wir gehen in die richtige Richtung, in gemäßigtem
Tempo und ohne Brechstange.

politik-digital:Herr Cartellieri, wir danken ihnen für dieses Gespräch.