Neulich in der Mailbox: ein Testzugang zur "neuen Recherche- und Kommunikationsdatenbank kuerschner.info",
mit der Möglichkeit zum Zugriff auf die "größte deutsche
Politiker-Datenbank (3800 Politiker aus Land, Bund und Europa)",
"ausschließlich mit aktuellen Daten, hinter denen die führende
Fachredaktion im Bereich Politiker/Parlamente/Regierungen steht. Alle
Daten können exportiert werden und stehen damit einer weiteren Nutzung
zur Verfügung." Das macht neugierig.

Nun ist also auch das Standardwerk zur Abgeordneten-Information, der
"Kürschner", im digitalen Zeitalter angekommen. In besser informierten
Kreisen kursierte die Idee einer "Abgeordneten-Datenbank" schon in den
Zeiten, als die new economy noch neu war, also seit Ende der 1990er Jahre (u.a. biss sich seinerzeit mit der Böttcher-Hinrichs AG ein ehemaliger Liebling der Hamburger Start-Up-Szene an einem solchen Projekt die Zähne aus). Konsequent umgesetzt wurden solche ambitionierten Datenbankprojekte jedoch nie selten,
zu aufwändig schien die Erfassung und vor allem Systematisierung der
personenbezogenen Informationen. Und außerdem positionierte sich mit
dem Angebot von bundestag.de
auch so etwas wie ein öffentlich geförderter Konkurrent, auch wenn die
Services und Suchmöglichkeiten dort eher unterhalb des Standards
bleiben.

Was bietet der "digitale Kürschner" nun tatsächlich?
Ein umfangreiches Menü erlaubt Abfragen entlang unterschiedlicher
Such-Interessen (nach Parlament, nach Politiker/Personendaten, nach
Fraktionen, Ausschüssen, Arbeitsschwerpunkten), so dass hier wohl
tatsächlich eine neue Recherche-Qualität erreicht sein mag. Die
personenbezogene Suchanfrage generiert eine Art Datenblatt ("Dossier"),
das die wichtigsten Informationen inklusive Verweise auf eigene Website
und auch Angaben zu Nebentätigkeiten enthalten (allerdings unter der
seltsam klingenden Rubrik "Verhaltensregeln").

Doch hilft das wirklich weiter? Am ehesten zielt das Angebot wohl auf
professionelle Nutzer (vermutlich dürften nur Journalisten,
Verbandsvertreter, Lobbyisten oder andere institutionelle Nutzer die
stolzen € 680,- für das Jahresabonnement aufbringen). Eigentlich ist
jedoch davon auszugehen, dass gerade diese Klientel bereits über
ähnliche Informationsquellen verfügt.

Und die Bürger? Die zwar umfassende, aktuell
gepflegte, aber doch eher statische Präsentation des Datenmaterials
offenbart nur eine eher geringe Alltagstauglichkeit – schon die frühen
Datenbankexperimente haben stets versucht, die Dynamik und Vernetztheit
des Internet zu nutzen und nicht nur einen Standard
"veröffentlichungspflichtiger Angaben" zu liefern, sondern auch
Verbindungen zu aktuellen Diskussionen und Tätigkeiten der MdB, MdEP
oder MdL herzustellen (Mitwirkung an konkreten Gesetzgebungsverfahren,
Abstimmungsverhalten, Termine, Themen im Wahlkreis etc.). Bruchstücke
aus diesem Anspruch finden sich an ganz anderer Stelle, nämlich in
Online-Projekten wie abgeordnetenwatch.de, sie-schreiben-dir.de oder direktzurkanzlerin.de.
Dies sind zwar "nur" Schwundformen der Politik-Datenbanken, die längst
kein derart umfassendes Informationsmaterial bieten wie der digitale
Kürschner und darüber hinaus zahlreiche andere Defizite aufweisen.

Doch gerade im großen Vorteil der "aktivierenden Bürgerorientierung"
liegt der entscheidende Unterschied zwischen diesen verstreuten,
unfertigen Web-zwei-null-artigen
Ansätzen eines politisch interessierten "Mitmach-Internet" und der
sperrigen Informationsarchitektur einer kostenpflichtigen Datenbank im Web-eins-null-Modus.