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Die Piratenpartei hat es vorgemacht. Nach und nach versuchen die Regierungsparteien ihre Lücken beim Thema Netzpolitik zu schließen. So auch die SPD am vergangenen Freitag. Beim netzpolitischen Kongress “Leben und Arbeiten in der digitalen Gesellschaft” ging es auch um einen Kampf der Generationen.

Aus diesem Grund kam die Einladung vom netzpolitischen Sprecher der SPD Lars Klingbeil gemeinsam mit dem Fraktionsvorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion Frank-Walter Steinmeier, der mit über 35 Jahren Parteimitgliedschaft bereits zahlreiche Veränderungen in der Politik erlebt hat. Zum Thema Netzpolitik bemerkte Steinmeier einleitend: “Wir sollten nicht angstvoll auf neue Entwicklungen schauen, sie aber kritisch hinterfragen.”

Netzpolitik als Gesellschaftspolitik

Mit den Worten “Netzpolitik muss endlich als Gesellschaftspolitik verstanden werden” begrüßte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Christine Lambrecht die Teilnehmer auf der Fraktionsebene im Reichstag sowie im Livestream. Für den Kongress konnten mit dem Harvard-Professor Urs Gasser, Professor Gerhard Vowe von der Uni Düsseldorf und Dr. Andreas Boes vom Institut für Sozialwissenschaftliche Forschung (ISF) in München anerkannte Fachleute für die Digitalisierung gewonnen werden. Besonders Prof. Vowe konnte überzeugen, der in seinem Impulsreferat das fehlende Interesse von Internetnutzern an politischer Mobilisierung und Informationsbeschaffung kritisierte. Nach seinen Informationen seien fast die Hälfte der Deutschen “Onliner” generell nicht politisch aktiv. Nur knapp 16 Prozent gehören laut Vowe zu den Kommunikationseliten, die im Netz regelmäßig über politische Themen diskutieren.

Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion Thomas Oppermann brachte die Thematik in der anschließenden Diskussion auf den Punkt, als er bestätigte, dass die Partizipationsmöglichkeiten für Bürger bedeutend besser geworden seien. Zwar nutze bisher nur ein kleiner Kreis die Möglichkeiten, räumte Prof. Vowe ein, dennoch stimmten die Podiumsgäste Oppermann zu, der abschließend bemerkte, dass die Qualität der demokratischen Idee durch die stärkeren Partizipationsmöglichkeiten verbessert worden seien.

Traditionelles SPD-Thema: Die digitale Arbeit

Abseits von Leistungsschutz- oder Urheberrechten im digitalen Zeitalter waren Chancen und Risiken der digitalen Arbeit auf dem Podium mit dem Titel „Gute digitale Arbeit“ wie gemacht für einen netzpolitischen Kongress der SPD. Im Zentrum des Gesprächs stand die Verschmelzung von Arbeit und Privatem durch die Entkoppelung von Raum und Zeit in der digitalen Gesellschaft. Die Frage lautete: Wo und wann fängt die Arbeit an? Für Heiko Hebig von Facebook Deutschland beginnt die Arbeit, wenn er seinen Dienstlaptop aufklappt. Valentina Kerst, Geschäftsführerin der strategischen Internetberatung topiclodge, ergänzte, dass es nicht mehr ohne weiteres möglich sei, zwischen Arbeit und Privatleben zu unterscheiden. Aus diesem Grund müsse man Arbeits- und Netzpolitiker zusammenbringen, um zum Beispiel Schutzrechte für diese neuen Arbeitsmodelle zu verhandeln und ein Burnout-Syndrom von Angestellten zu verhindern.

Steinmeier bleibt skeptisch

Auch Frank-Walther Steinmeier meldete sich noch einmal zu Wort und betonte immer wieder seine skeptische Haltung gegenüber Trends wie Twitter oder Facebook. Wenn der Kongress die Offenheit der älteren Politikergeneration für das Thema Netzpolitik zeigen sollte, muss man sich jedoch fragen, wie weit diese Offenheit geht. Steinmeier jedenfalls befasste sich hauptsächlich mit Gefahren des Internet. So sprach er im Hinblick auf die Freigabe persönlicher Daten von der “grenzenlosen Naivität junger Bürger”. Zudem stellte er infrage, ob die Digitalisierung das Politikverständnis verändert.

Veranstalter und Redner zufrieden

Initiator Lars Klingbeil bewertete die Ergebnisse des Kongresses gegenüber politik-digital positiv: “Netzpolitik ist durch die große Resonanz als zentrale Querschnittsaufgabe in der SPD angekommen”. Laut Klingbeil braucht die digitale Gesellschaft sozialdemokratische Antworten, um auf die Probleme der digitalen Spaltung und der Veränderungen in der Arbeitswelt zu reagieren und “die Chancen der Digitalisierung für mehr Demokratie auszuloten.” Die SPD dürfe nicht ängstlich mit der Entwicklung der Digitalisierung umgehen, sondern solle lieber die Chancen, die damit einhergehen, ergreifen.

Professor Vowe begrüßte gegenüber politik-digital.de die Inititative der SPD, sich mit der politischen Partizipation und den geänderten Arbeitsbedingungen in der Online-Welt zu befassen. Nach seiner Meinung dürfen die sogenannten digital citizens, die ihre politische Kommunikation ausschließlich über das Netz vollziehen, nicht ausschließlich in der Piratenpartei ihre Heimat finden. Trotzdem müsse eine Volkspartei wie die SPD auch noch die “schweigende Mehrheit” berücksichtigen. Vowe dazu: “Die Parteien sind zu einem gewagten Spagat gezwungen: offline und online, Beteiligung und Entlastung, Stabilität und Flexibilität, repräsentative und plebiszitäre Elemente” In seinen Augen habe die SPD mit dem Kongress gezeigt, dass sie bereit sei, dieses schwierige Unterfangen auf sich zu nehmen.

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