Schon heute gibt es für den Internetauftritt der Landeshauptstadt München
durchwegs gute Noten. Die Fachpresse lobt die Anfang März 1996 gestarteten Websites der Stadt immer wieder auf
vordere Plätze. In Kooperation mit der Industrie- und Handelskammer
sowie der Handwerkskammer plant die Stadt jetzt
einen völlig neuen Auftritt im Web. Die virtuelle Welt erhält ein Portal München.

Das Projekt ist Chefsache im Münchner Rathaus.
Oberbürgermeister Christian Ude, SPD,
und der Leiter seines Direktoriums, Dr. Ernst Wolowicz, treiben unermüdlich an. Internet als Teil der kommunalen
Daseinsfürsorge lautet das Leitbild. Städtische Infrastrukturleistung hört nicht bei Verkehr,
Wirtschafts- und Sozialdiensten oder Kultur auf. In München zählt auch das Internet dazu. Dem gemäß
öffnet die Landeshauptstadt, bisher alleiniger Anbieter unter www.muenchen.de, ihre Domain. Über das Portal soll
der Nutzer alles und alle in München finden. Es entsteht eine Plattform zur Darstellung und Kommunikation für
Bürger, örtliche Wirtschaft, politische Parteien, Kultur und Kunst, Bildungsinstitutionen, Aktivitäten im
Bereich des Sports, der Vereine und der Kirchen.

Die Vorstellung: Wer im Internet Angebote aus und über München sucht, der kommt über das Portal
München mit wenigen Zeigefingerbewegungen zur gewünschten Website. Für das digitale München soll
gelten: kein nerven- und zeitraubende Suchverkehr in kleinen Seitenstraßen und Sackgassen, sondern ein
hochleistungsfähiges Verkehrsleitsystem innerhalb der Datenautobahn, das schnelle und sichere Zielerreichung
garantiert.

Im Mittelpunkt steht die Präsentation verschiedenster Anbieter innerhalb des Portals und damit unter dem Dach von
muenchen.de. München macht damit ein attraktives und
kostengünstiges Angebot auch für Unternehmen, die sich mit dem weltweit bekannten und unverwechselbaren
Stadtnamen präsentieren können. Damit geht man einen Schritt über das die heutige Portal-Landtschaft
dominierende vertikale Konzept, das viele Links auf externe Websites beinhaltet, hinaus.

Nachhaltiger Aufbau: Der Weg zum Portal München

Nachdem der Münchner Stadtrat das anspruchsvolle Grobkonzept am 26. Juli 2000 beschlossen hatte, endete am
13. Oktober die europaweite Ausschreibung für das Feinkonzept. Der Gewinner soll bis Ende März 2001 das
Konzept erstellt haben. Für den Sommer 2001 ist die endgültige Entscheidung des Stadtrats geplant.

Es wurde ein zweistufiges Vorgehen vereinbart, schon weil die Komplexität der vorgesehenen Angebotsvielfalt einen
großen Paukenschlag zur Verwirklichung ausschließt. Die erste Stufe endet mit der Bewertung des
Feinkonzeptes durch Stadt und Kammern. In der zweiten Stufe geht es um mögliche Betreibermodelle. Am
Wahrscheinlichsten scheint heute eine Kapitalgesellschaft mit einer städtischen Mehrheit. Die Stadt will
keinesfalls Nutzungs- und Vermarktungsrechte an der Domaine muenchen.de
aufgeben oder veräußern. Deshalb ist eine Übernahme des Berliner Modells (berlin.de)
ausgeschlossen. Auch wenn sich das Portal zu einem späteren Zeitpunkt finanziell selbst tragen soll: Heute
investieren die Partner in Daseinsfürsorge und Infrastruktur, während ein privater Betreiber Gewinnerzielung
im Auge hätte.

Struktur: Themenblöcke statt Anbieter

Das Stadtinformationssystem soll über das Portal zum virtuellen Abbild des antiken Forums, zum Marktplatz für
den Austausch von Ideen und Gütern werden. Es ermöglicht so eine Funktion, die die realen Plätze unserer
modernen Städte nicht erfüllen können. Dazu gehören E-Government und E-Civil-Society, aber
selbstverständlich auch E-Commerce und E-Business.

Größter Wert wird auf eine bedienerfreundliche und zielgruppengerechte Darstellung gelegt. Das vertikale
Konzept wird ausgemustert. Kommen wird ein horizontaler Aufbau der Internetseiten. Die Inhalte sind nicht nach Anbietern
wie Stadtverwaltung, Wirtschaft oder Tourist-Info gegliedert, sondern nach übergreifenden Themenblöcken. Unter
der Rubrik Politik befinden sich dann nicht nur die Angebote der Münchner Parteien und Positionen der Stadt,
sondern auch politische Initiativen von Verbänden und Vereinen.

Die Blöcke werden offene Grenzen haben und ineinander übergehen. Nimmt man die Tourist-Info, dann stehen dort
neben den Inhalten des Fremdenverkehrsamtes auch diejenigen anderer Anbieter, neben georeferenzierten Stadtplan und
Web-Cam-Aufnahmen aus München könnte auch eine virtuelle Einkaufsstraße angeboten werden. Tourist-Info
und Marktplatz sind interpenetriert.

Virtuelles Rathaus: Interaktiver Online-Service auf dem Weg

Auch für das Virtuelle Rathaus gelten Zielgruppenorientierung und Bedienungsfreundlichkeit. Maßgeblich werden
für den Webauftritt nicht mehr die nur für Eingeweihte nachvollziehbaren Strukturen und Hierarchien der
Verwaltung sein. Ansatzpunkt ist vielmehr die konkrete Lebenslage des Nachfragers. Ob Bürger oder Firma, ob
Wohnortwechsel oder KfZ-Zulassung, ob Baugenehmigung oder Unternehmensansiedlung: Informationen und notwendige
Verwaltungsgänge sollen sich nach wenigen Klicks unabhängig von verwaltungsinternen Zuständigkeiten auf
dem Bildschirm aufbauen.

Drei Bereiche sind grundsätzlich vorgesehen. Die Stadt will erstens alle für die Öffentlichkeit vorgesehenen
Informationen ins Internet bringen. Zweitens soll der Formularservice, mit dem zumindest ein Amtsgang per pedem
vermieden wird, ausgeweitet werden. Schon heute hält das Kreisverwaltungsreferat diesen Service in vielen Bereichen
bereit. Darunter sind Angebote zu einer Vielzahl städtischer Serviceleistungen:
Einwohnerwesen und Melderegister, Standesamt,
Sicherheit und Ordnung, Gewerbewesen und Straßenverkehr
.
Drittens soll die Möglichkeit von Online-Anträgen angeboten werden. Ziel ist hier die medienbruchfreie
Verarbeitung der über Internet eingereichten Anträge.


Hürden bleiben und können nicht von der Kommune allein übersprungen werden. Ohne die digitale Signatur
könne sich das Virtuelle Rathaus, ja das ganze Internet nicht weiterentwickeln, erklärt Klaus Diemer, im
Direktorium der Landeshauptstadt zuständig für das Portal München. Urheber online übermittelter
Dokumente müssen eindeutig identifizierbar sein. Dokumente müssen während der Übermittlung vor
Fälschungen sicher sein. München hofft hier auf positive Erfahrungen der
Hansestadt Bremen, mit der man sich im Austausch befindet.

Bremen führt im Rahmen von Media@Komm
ein entsprechendes Projekt durch. Diemer: "Als Stadtstaat können die Bremer Gesetze und Verordnungen zum Einsatz
bzw. zur Erleichterung von Verfahren recht schnell über die Bühne bringen, wie z. B. das ‚Bremische Gesetz zur
Erprobung der digitalen Signatur in der Verwaltung’ vom 1.Juni1999."

Bürgerschaftliches Engagement und Stadtviertelorientierung

Ein zentraler Aspekt des Portals München ist die Förderung des bürgerschaftlichen Engagements. Rund
10 000 Vereine sind in München eingetragen. Etwa ein Drittel aller Münchner übernimmt ehrenamtlich
Aufgaben und Arbeiten in allen nur denkbaren Organisationen. Der Stadtratsbeschluss stellt deutlich heraus: "Das
Internet ist im Hinblick auf das große Spektrum bürgerschaftlichen Engagements, das sich laufend sowohl in
seinen Angeboten wie auch in seinen Anbietern verändert, das einzige Medium, das diese Anforderungen erfüllen
kann." Mit der Sparte "Markt der Möglichkeiten" soll die Übernahme freiwilliger und unentgeltlicher Aufgaben
gefördert werden. Er wird das Forum der E-Civil-Society und für E-Policy. Neben Information geht es um
Kommunikation und Abgleich von Interessen. Chatrooms und Benutzerforen sind selbstverständliche Bestandteile.
So kommen politische Entscheidungsträger und aktive Bürgergesellschaft unkompliziert zusammen.

Um die Realität diesem Idealbild anzunähern, muss der Spaltung der Gesellschaft in eine "Info-Elite" und
diejenigen, die nicht die Chance zur Teilhabe erhalten, entgegengetreten werde. Auch für den pluralistischen
Himmel des Internets gilt derzeit das von E. E. Schattschneider Anfang der 60er Jahre herangezogene Bild: "The flaw
in the pluralist heaven is that the heavently chorus sings with a strong upper-class accent." In diesem Zusammenhang
wird unter Kosten- und Nutzenaspekten überlegt, ob für die Münchner über das Portal – mit Ausnahme
der Telefongebühren – kostenfreie Internetzugänge, E-Mail-Adressen und eigene Hompages angeboten werden. Das
wird sicher nicht ausreichen. Allerdings kann eine Kommune diese Aufgabe auch nicht alleine schultern. Bund und
Länder stehen mit in der Verantwortung.

Im Portal soll dem ausgeprägten Stadtviertel-Bewußtsein der Münchner Rechnung getragen werden.
Während sich die Regionalisierung unter www.muenchen.de heute nur in den Angeboten der Bezirksausschüsse
(eine Art Stadtteilparlamente, deren Rechte Schritt für Schritt ausgebaut werden sollen) ausdrückt, soll
künftig die Feinstruktur der Stadtteile abgebildet werden: Firmen, Einzelhandel, Lokale, Vereine und
Veranstaltungen. Jeder Münchner soll die Informationen zu seinem Viertel gebündelt im Internet finden.