Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble will dem Bundeskriminalamt Online-Durchsuchungen mit Hilfe eines versteckten Computerprogramms ermöglichen. Fachleute bezweifeln die Chancen des so genannten Bundestrojaners.

Wolfgang Schäuble lässt nicht locker. Fortlaufend fordert
er Maßnahmen im Kampf gegen Terroristen, schlägt vor
und beschwichtigt die aufgebrachten Reaktionen von Datenschützern
und Oppositionspolitikern. Der Rechtsstaat, so Schäuble, könne
sich nur vor Terroristen schützen, wenn er sich angemessen
gegen Bedrohungen wappne.

Im Bereich Internet wirbt Schäuble weiter für den „Bundestrojaner“:
per ferngesteuerter Software soll das Bundeskriminalamt heimlich
in fremde Rechner eindringen können, um Beweise für bevorstehende
oder bereits begangene Straftaten aufzuspüren. Durch einen
Klick auf eine präparierte E-Mail oder das Laden einer infizierten
Internetseite installiert sich unbemerkt ein „trojanisches
Pferd“: ein Programm, mit dem anschließend häppchenweise
Informationen an das Bundeskriminalamt (BKA) gesendet werden. Dies
alles, ohne dass der Inhaber des infizierten Computers Verdacht
schöpft.

Experte: „Keine Chance bei intelligenten Straftätern“

Fachleute bezweifeln sowohl die Umsetzbarkeit als auch den Erfolg
eines solchen Vorhabens. Andreas Pfitzmann, Sicherheitsexperte und
Professor für Datenschutz und Datensicherheit an der Technischen
Universität Dresden, gibt zu bedenken, dass die Infizierung
eines Computers nur dann funktioniere, wenn dieser auch nahezu ungeschützt
sei: „Leute, bei denen sie mit dem Bundestrojaner auf die
Festplatte kommen, betreiben ihren Rechner unsicher.“ Entsprechend
schwierig sei es, einen Rechner per „Bundestrojaner“
auszuspähen, dessen Nutzer seinen Computer abzusichern wisse:
„Gegen intelligente Straftäter haben sie da nahezu keine
Chance.“ Im Übrigen, so Pfitzmann, bezweifle er, dass
der Bundestrojaner cleverer als andere Trojaner sei.

Auch Daniel Bachfeld, Redakteur der Computerzeitschrift c’t,
sieht geringe Erfolgschancen beim Einsatz des „Bundestrojaners“,
wenn es um „intelligente Terroristen“ geht. Die Berichterstattung
über das Thema Online-Durchsuchungen hätte gleichzeitig
darüber informiert, wie man sich dagegen schützen könne.
„Es sieht momentan so aus, als müsste man schon etwas
dumme Terroristen angreifen, damit es so gelingt, wie das BKA sich
das vornimmt.“

Überwachung und Datenschutz aus einer Hand

Darüber hinaus, so Andreas Pfitzmann, mache er sich weniger
wegen des geplanten „Bundestrojaners“ Sorgen. Vielmehr
müsse klar sein, dass „wenn die Deutsche Polizei oder
die Deutschen Geheimdienste auf diese Festplatte kommen, dann kann
das die Organisierte Kriminalität auch, dann können das
auch fremde Geheimdienste.“ Im Übrigen sei zu fragen,
inwiefern das Bundesinnenministerium (BMI) noch für den Datenschutz
arbeite, für den es ebenfalls zuständig ist.
Auch bleibt offen, wie sich der mögliche Einsatz des „Bundestrojaners“
in Zukunft auf das Verhältnis zwischen Bundesinnenministerium
und dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik
(BSI) auswirken wird. Diese Frage stellt sich insbesondere dann,
wenn man sich vergegenwärtigt, dass das BSI u. a. Informationen
zum Schutz vor Schadsoftware wie Viren und Trojanern bereitstellt.
Matthias Gärtner, Pressesprecher des BSI, wiederholt mehrmals
den reinen Präventionscharakter seiner Behörde: „Das
BSI ist nicht ermittelnd tätig.“ Und wenn das BKA nun
plötzlich mit dem „Bundestrojaner“ auf Terroristenjagd
gehen und Rechner infizieren würde – stünde das
BSI dann nicht plötzlich auf der anderen Seite? „Das
kann ich überhaupt nicht werten“, so Gärtner.

„Vertrauensverhältnis zwischen Bürger und
Staat beschädigt“

Schäubles Wunsch nach einer Verbrecherjagd via Internet stößt
allerdings nicht nur bei Experten und den Oppositionsparteien auf
Kritik. Die Koalition konnte sich bisher nicht auf die Entwicklung
und den Einsatz des „Bundestrojaners“ einigen. Sein
anvisiertes Ziel, noch vor der seit dem 9. Juli 2007 laufenden Sommerpause
im Bundeskabinett eine Einigung zu erreichen und dem Parlament einen
Gesetzesentwurf vorzulegen, hat Schäuble damit vorerst nicht
erreicht.

Datenschutzprofessor Pfitzmann blickt dennoch mit Sorgen in die
Zukunft: „Ob das BMI oder das BKA den „Bundestrojaner“
erlaubt kriegen oder nicht, ändert zunächst überhaupt
nichts. Das einzige, was beeinträchtigt wird, ist das Vertrauensverhältnis
zwischen Bürger und Staat.“

Pfitzmann sieht die Hauptgefahr in der Bereitstellung von Instrumenten
zur Terrorabwehr, die das Verhältnis von Freiheit und Sicherheit
allmählich in eine Schieflage brächten:„Ich bin
dafür, dass unser Grundgesetz im Wesentlichen in 50 Jahren
noch gilt. Ich glaube, dass der Innenminister dagegen arbeitet.“