politikdigital fragt3Der 18. Bundestag hat 229 neue Gesichter: Mehr als ein Drittel der Abgeordneten sitzt zum ersten Mal in den blauen Sesseln. Bringen die neuen Abgeordneten auch frischen Wind für die Netzpolitik und eine digitale Gesellschaft mit? Diesmal antwortet: Steffi Lemke (Bündnis 90/Die Grünen).
politik-digital.de: Wie nutzen Sie das Internet für Ihre politische Arbeit?
Steffi Lemke: Ohne Internet wäre der Großteil meiner Arbeit gar nicht mehr denkbar – E_mail-Verkehr, Online-Zeitungen mit den neuesten Meldungen, Internetauftritte von Verbänden, Personen oder Organisationen, Internetrecherche – das alles erleichtert meine politische Arbeit ungemein. Die spannendsten Möglichkeiten, die mir das Internet politisch bietet, ergeben sich jedoch durch den direkten Draht zu Bürgerinnen und Bürgern, den ich durch soziale Medien wie Twitter oder Facebook bekomme. Tools für Online-Petitionen haben meine politische Arbeit ebenfalls direkter und unmittelbarer werden lassen
politik-digital.de: Wie schützen Sie Ihre Privatsphäre?

Steffi Lemke MdB, Buendnis 90/Die Gruenen im Bundestag
Steffi Lemke (*1968) ist Mitbegründerin der Grünen Partei der DDR, saß bereits 1994 bis 2002 im Bundestag und ist seitdem politische Bundesgeschäftsführerin von Bündnis 90/Die Grünen. An der Partei reizt sie die “Verbindung von Idealismus und Pragmatismus”. Bei den letzten drei Bundestagswahlen hat Lemke die Wahlkampfleitung übernommen und ist 2013 nach mehr als zehn Jahren selbst wieder in den Bundestag eingezogen.

Steffi Lemke: Die Digitalisierung unserer Gesellschaft bedeutet Transparenz, Teilhabe, Offenheit und Freiheit – aber sie bringt auch Herausforderungen wie den Schutz unserer Bürgerrechte und Privatsphäre, denen wir uns gemeinsam stellen müssen. Als Politikerin stehe ich natürlich im öffentlichen Interesse und es lässt sich nicht immer eine klare Grenze zwischen öffentlich und privat ziehen. Trotzdem ist es mir wichtig, gerade auch bei Facebook und Twitter achtsam mit Informationen umzugehen, die mein Privatleben betreffen. Derzeit beziehe ich mit meinem Team die Büroräume im Bundestag und wir werden bei der Einrichtung unserer Infrastruktur auch prüfen, ob wir gegebenenfalls von einer Verschlüsselungstechnik für E-Mails Gebrauch machen.
politik-digital.de: Welche Bedeutung hat das Thema Netzpolitik für Sie? Wollen Sie sich in diesem Politikfeld engagieren?
Steffi Lemke: Das Thema Netzpolitik ist von großer Bedeutung für mich. Auch wenn ich auf der Fachebene nicht unmittelbar dafür zuständig sein werde, wird es im politischen Alltag und bei der politischen Strategiebildung eine sehr große Bedeutung für mich haben.
politik-digital.de: Wie stehen Sie zur gesetzlichen Verankerung der Netzneutralität?
Steffi Lemke: Die Sicherung einer gleichen und gleichberechtigten Teilhabe an der Netzinfrastruktur ist notwendig, um das demokratische Element des Internets zu bewahren. Deswegen müssen Daten unabhängig davon, wer was wohin sendet und auch unabhängig vom Geldbeutel der SenderInnen und EmpfängerInnen übertragen werden. Um die Entstehung eines Zwei-Klassen-Internets zu verhindern, fordern Bündnis 90/Die Grünen, das Prinzip der Netzneutralität gesetzlich zu verankern.
politik-digital.de: Ist Datenschutz für Sie eine staatliche oder eine individuelle Aufgabe? Inwieweit können oder müssen wir uns selbst schützen und wo muss der Staat eingreifen?
Steffi Lemke: Der Staat darf die Verantwortung des Datenschutzes nicht an die NutzerInnen abwälzen. Verantwortlich sind in erster Linie diejenigen, die die Daten verarbeiten – also Verwaltungen und Unternehmen. Natürlich sollten auch die NutzerInnen Verantwortung übernehmen, doch dazu müssen sie wissen, wer was wann und wo speichert und übermittelt. In dieser Hinsicht verändert der sogenannte NSA-Skandal den politischen Diskurs gerade massiv, weil erst jetzt vielen Menschen bewusst wird, in welch gravierendem Umfang Daten ausspioniert werden. Ich glaube, dass das Thema Datenschutz jetzt erst bei den meisten Menschen anzukommen beginnt, und dies wird die Forderungen an den Gesetzgeber verändern.
politik-digital.de: Halten Sie die Vorratsdatenspeicherung für ein angemessenes Mittel der Kriminalitätsbekämpfung? Wie würden Sie sie einschränken?
Steffi Lemke: Ich halte es für falsch, wenn alle Bürgerinnen und Bürger unter Generalverdacht gestellt werden und anlasslos die gesamten Verbindungsdaten überwacht und gespeichert werden. Staatliche Ermittlungen müssen bürgerrechtskonform und rechtsstaatlich geregelt sein. Wir kämpfen gegen die Vorratsdatenspeicherung und setzen uns dafür ein, dass sie auch auf europäischer Ebene beendet wird. Wir wollen die Überwachung durch den Staat sowie das völlig enthemmte Datensammeln von Unternehmen zurückdrängen.
politik-digital.de: Welche netzpolitischen Fragen müssen Ihrer Ansicht nach im kommenden Jahr dringend eine Antwort finden?
Steffi Lemke: Die jüngsten Ausspäh-Skandale und die Enthüllungen durch Edward Snowden machen deutlich, dass unsere Bürgergerechte und somit die Grundlage unseres Rechtsstaates und der Demokratie in Gefahr sind. Einige Geheimdienste sind völlig außer Kontrolle. Deswegen sind eine umfassende Aufklärung und der Schutz vor Ausspähung durch Sicherheitsbehörden dringend erforderlich. Neben einer Datenschutzreform halte ich die Schaffung und Bewahrung eines gleichen und gleichberechtigten Internets, durch eine flächendeckende Breitbandversorgung sowie durch eine gesetzliche Verankerung der Netzneutralität, für ebenso wichtig.
 

Bild: barockschloss (CC BY 2.0)
Porträt: (C) Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen