Knebel Tor2Viele Regierungen auf dieser Welt zensieren Internetseiten und Messenger, um die Meinungsfreiheit zu beschränken und Proteste zu verhindern. Äußert man seine Meinung doch öffentlich im Internet, kann das lebensbedrohliche Folgen haben. Das Dark Web bietet die anonyme Alternative zum Surface Web und dient in vielen Krisengebieten als wichtige Kommunikations-Methode.

„Ich habe nichts zu verheimlichen“ sagen viele, wenn sie sich für ihren riskanten Umgang mit den eigenen Daten rechtfertigen oder wenn der Staat Gesetze erlassen will, die seinen Zugriff auf Daten vereinfachen. Aber haben wir nicht alle etwas zu verheimlichen? Jeder Mensch hat Träume, Wünsche, Ambitionen und Ängste, die er nicht mit Regierungen oder Unternehmen teilen möchte. Auch die Abfolge unserer Suchanfragen, auf welche Anzeigen wir klicken, wo wir im Internet die meiste Zeit verbringen und über was wir uns im Netz mit anderen Nutzern unterhalten, sind private Informationen, die wir möglicherweise nicht einmal unserem besten Freund anvertrauen würden. Doch Regierungen, Geheimdienste und US-amerikanische Unternehmen haben Zugriff darauf.

90-95% des Internets nicht einsehbar

Es gibt jedoch Möglichkeiten dieses transparente Internet, auch Surface Web genannt, zu verlassen und sich stattdessen im sogenannten Deep Web zu bewegen. Das Deep Web umfasst jene Seiten, die weder von Google noch von DuckDuckGo oder anderen Suchmaschinen indiziert werden. Schätzungen zufolge zeigen diese Suchmaschinen nur fünf bis zehn Prozent des tatsächlichen Inhalts des Internets an. Den Großteil des Deep Webs machen unsichtbare Datenbanken wie etwa die der NASA, von Regierungen oder Museen aus. Ein anderer Teil sind kostenpflichtige Inhalte von Internetseiten wie Kataloge oder Bibliotheken.

Klar vom Deep Web zu unterscheiden ist das „Dark Web“, das nur einen Teil des Deep Webs ausmacht. Das Dark Web ist ein verschlüsseltes Netzwerk, in das man in der Regel über den sogenannten Tor Browser gelangt. Ziel der Macher war es, sich von Strafverfolgern abzuschotten und anonyme und geheime Kommunikation zu ermöglichen. Die so geschaffene Anonymität war jedoch nicht nur für unterdrückte Revolutionäre aus Zensurstaaten hilfreich, sondern auch für Nutzer (kinder-)pornographischer Inhalte, Waffen- sowie Drogenhändler und deren Kunden. In erster Linie war das Dark Web jedoch insbesondere als Informations- und Kommunikations-Tool gedacht.

Tor („The Onion Router“) kann jeder Internet-Nutzer herunterladen. Die Zwiebel steht symbolisch für die drei Verschleierungsschichten, durch die die Informationen permanent laufen. Die erste „Schale“ ist der Server, der die Informationen von einer beliebigen Internetadresse entgegennimmt. Als nächstes werden die Informationen von einem anonymen Server an den nächsten weitergereicht. Der letzte Server schickt die Informationen an den Empfänger weiter. So ist die ursprüngliche IP-Adresse und damit die Identität nicht mehr nachzuverfolgen.

Spionage gleich Todesstrafe

Wenn Korruption, Ungleichheit und Unterdrückung an der Tagesordnung sind, bleibt den Menschen oft nur der Protest, um auf sich aufmerksam zu machen. Denn in vielen Ländern auf dieser Welt ist es nicht selbstverständlich, dass wir uns frei im Internet bewegen. Oftmals werden Seiten wie Facebook, Amnesty International, YouTube oder Twitter von Regierungen zensiert. So auch während des Arabischen Frühlings, nachdem sich die Rebellen in erster Linie über soziale Netzwerke organisiert hatten. Online-Aktivisten, Journalisten und Blogger nutzten deswegen Tor, um sich weiterhin austauschen, informieren und anonym bleiben zu können.

Jacob Appelbaum, ein Mitentwickler von Tor, soll Nutzer im arabischen Raum sogar aktiv darin geschult haben, wie sie das Dark Web effizient und gefahrlos nutzen können. Dieser berichtete aber bei einem Treffen des „Chaos Computer Clubs“, derartige Aktionen seien zunehmend schwierig geworden, weil Tor inzwischen so populär geworden sei, dass Zensurstaaten alles daran setzen, gerade diesen Dienst zu blockieren. In Syrien werde beispielsweise der gesamte Internetverkehr gespeichert, sodass es dort sehr schwer werde, einzelne Verbindungen zu tarnen.

In einer Reportage von motherboard.vice.com berichtete der iranische Journalist Ehsan Narouzi, wie er dem Druck und der Überwachung der iranischen Regierung ausgesetzt war. „When you know the government is watching you, you are trapped in your own self-censorship, even in your private conversations”. Man könne bereits der Spionage beschuldigt werden, nur weil man einen Anruf erhalte, in dem es darum gehe, was auf den Straßen los sei. Eine entsprechende Anklage würde in diesem Fall nur eines bedeuten – Todesstrafe.

Anonymität als Versicherungspolice

Kommunikationswege können in manchen Staaten also über Leben und Tod entscheiden. Das Dark Web bietet die Chance, seine Meinung kundzutun und mit anderen Menschen zu kommunizieren. Anonymität ist hier eine Art Versicherungspolice, die einen gegen die totale Kontrolle schützen kann. Netzaktivist Sebastian Nerz ist sogar davon überzeugt, die Möglichkeit sich anonym zu äußern, sei Voraussetzung für echte Meinungsfreiheit in Staaten. Kriminelle, die diese Anonymität für ihre Zwecke ausnutzen, wird es immer geben. Wie Ehsan Narouzi es passend zusammenfasst: „We’re still free to choose. Ultimately it’s up to us: do we want the devil we know, or the devil we don’t.”

Bild: Brian J. Matis (CC BY-NC-SA 2.0)