(Rezension) Die Hälfte aller Deutschen ist unzufrieden mit unserer Demokratie. Im Sammelband über “Politische Partizipation” werden Lösungsmöglichkeiten vorgestellt. Das Internet gilt als größter Hoffnungsträger.

„Wählerfrust statt Wählerlust“ – eine Schlagzeile, die in verschiedenen Varianten in den vergangenen Jahren häufig in den Medien auftauchte. Die Zufriedenheit der Deutschen mit dem politischen System ist zur Zeit so niedrig wie noch nie. Laut einer Umfrage von Infratest dimap im November 2006 findet jeder zweite Deutsche, dass die deutsche Demokratie nicht gut funktioniert. Warum nur wenige politisch aktiv sind und wie sich die Bevölkerung mobilisieren lässt wird zur Eine-Million-Euro-Frage.
In „Politische Partizipation zwischen Konvention und Protest“ hat Beate Hoecker, Privatdozentin für Politikwissenschaft an der Universität Hannover, viele Möglichkeiten der politischen Teilhabe gebündelt. Zwölf Autoren stellen Aspekte von Partizipation in kurzen Kapiteln vor. Die Zielgruppe: in erster Linie Studierende, die einen umfassenden Überblick über die unterschiedlichen Formen der Partizipation erhalten wollen. Das Themenspektrum reicht von institutionalisierten Formen der Teilnahme am politischen Leben über die Einführung direktdemokratischer Elemente bis hin zu politischem Protest und neuen Formen der Partizipation.
Protest und Beteiligung lassen nach
Wahlen, das macht das Buch deutlich, sind die häufigste Form, am politischen Leben teilzuhaben. Doch wer wählt eigentlich wen, und warum verzichten immer mehr Menschen auf ihr Recht zu wählen? Im Kapitel “Wahlverhalten: Wer wählt wen?“ stellen die Politikwissenschaftler Jörg Broschek und Rainer-Olaf Schultze Erklärungsmodelle vor, die diesen Fragen auf den Grund gehen. Gründe suchen sie vor allem in der veränderten Sozialstruktur und der abnehmenden Identifikation mit Parteien. Das politische Interesse, das in den 1960er und 1970er Jahren aufflammte, wie auch das starke bürgerliche Engagement, seien seit Beginn der 1990er Jahre deutlich zurückgegangen, so ihre Feststellung. Die Bürger orientierten sich wieder stärker an materialistischen Werten, das politische Interesse rücke zwangsläufig in den Hintergrund.
Das Internet als Impuls
Die neuen Medien, so eine gängige These, könnten diese Entwicklung bremsen und die Bevölkerung wieder stärker mobilisieren. Als strittig gilt aber, in welche Richtung die Entwicklung geht: Wird die politische Partizipation der Bürger dank des Internet zunehmen und sich die Kommunikation zwischen Politik und Wähler verbessern? Oder ist das Medium auch als Gefahr anzusehen, da es die Verbreitung extremistischer Inhalte deutlich vereinfacht? Unter der Überschrift “Mehr Partizipation via Internet?” vergleicht Beate Hoecker die beiden Ansätze. Auf der einen Seite sieht sie die Hoffnung, dass mit Hilfe des Internets die Zahl der Politikinteressierten steigt und sich neue Formen eines basisdemokratischen politischen Aktionismus entwickeln. Auf der anderen Seite steht die Erwartung, dass sich bestehende Strukturen und Beteiligungen verstärken werden, aber das Internet nicht allein für mehr politisches Interesse sorgen kann. Wer schon politisch interessiert ist, wird die Möglichkeiten des Internets nutzen, wer es nicht ist, wird auch durch das Internet nicht motiviert. Um die demokratischen Potenziale des Internets auszuschöpfen, sieht Beate Hoecker die Politik in der Pflicht, mehr interaktive Angebote zu bieten, die auch eine Kommunikation und Einflussnahme von unten nach oben ermöglichen. Für die Wähler wäre wichtig, dass ihre Ideen und Vorschläge ernst genommen werden und in Entscheidungsprozesse mit einbezogen werden, um eine langfristige und nachhaltige Mobilisierung zu erreichen.
“Politische Partizipation zwischen Konvention und Protest” hält in der Tat, was der Untertitel verspricht: Es ist eine “studienorientierte Einführung” und gibt einen sehr guten Überblick über die verschiedenen Formen politischer Partizipationsmöglichkeiten. Interessierte Leser ohne umfangreiche Vorkenntnisse sind hier gut aufgehoben. Und wer einzelne Aspekte vertiefen will, für den lohnt sich ein Blick in die ausführliche Bibliographie.