Am Freitag, den 01.02.2008, war Anette Stöber vom "Multimedia Produktions- und Usability" Labor am Multimedia Kontor Hamburg zu Gast im eTeaching.org-Chat in Kooperation mit politik-digital.de. Sie stellte sich den Fragen der Internetgemeinde zum Thema Podcasting an Hochschulen.

Moderator: Herzlich willkommen zum e-teaching.org-Expertenchat mit Anette Stöber vom "Multimedia Produktions- und Usability Labor" am Multimedia Kontor Hamburg. Wir chatten heute zum Thema Podcasting an der Hochschule. Wie sieht es aus, können wir starten, Frau Stöber?

Anette Stöber:
Ja, gerne.

Anette Stöber

Anette Stöber, Podcasting-Expertin

 

Studi05: Taugen Podcasts auch für ernste Inhalte wie Lehrstoff, wie sieht es mit der Rezeption aus?

Anette Stöber: Es gibt ja verschiedene Formen des Podcast: Den Audio-Podcast, den Video-Podcast, den Enhanced-Podcast, wo man neben AV-Dateien auch zusätzliche Steuerelemente wie Kapitelmarker und Hyperlinks hat. Es gibt den Screencast, speziell für Softwareschulungen, oder
auch den Doccast, über den man PDF-Dokumente ausliefern kann. Und beim Einsatz in der Lehre muss man auch noch zwei Hauptszenarien unterscheiden: Einmal den klassischen Vorlesungsmitschnitt als
Ergänzung zur Vorlesung und den Podcast, der als eigenständiger Bildungsbeitrag funktioniert. Man muss sich einfach genau überlegen, welche Form des Podcast sich für welchen Inhalt eignet, dann
funktioniert das. Auf iTunesU, das ist ein Sonderprogramm innerhalb des AppleMusicStore, finden Sie insgesamt 28 Hochschulen, die ihre Podcasts veröffentlichen, darunter Stanford, Yale oder Berkeley. Auch in Deutschland gibt es den Podcampus. Auch bei uns podcasten 32 Institutionen, darunter die Fraunhofer-Gesellschaft oder die Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.

Auch die Podcast-Nutzer sind stark an Bildungsinhalten interessiert. Es gibt zwei Umfragen dazu: Eine vom "House of Research" in Kooperation unter anderem mit Gruner+Jahr und eine von Alexander Wunschel, selbst aktiver Podcaster. Hier zeigt sich, dass neben Computer und IT-News, Bildungssendungen und Informationen aus der Wissenschaft bei den Hörern ganz oben auf der Beliebtheitsskala stehen.

Herr Wunschel hat 3000 Teilnehmer befragt und davon nutzt beinahe jeder zweite den Podcast zur Weiterbildung.

Moderator:
Und gleich die erste Nachfrage:

Peter BM: Wo
kann man sich Enhanced-Podcasts mal ansehen?

Anette
Stöber
: Dazu finden Sie viele Beispiele bei iTunes. Zum
Beispiel den „Discover London Enhanced Podcast".

Moderator:
Vorab konnten unsere User bereits Fragen stellen und dafür
abstimmen, welche auf jeden Fall im Chat gestellt werden sollen. Hier
kommt die Frage mit den meisten Stimmen:

mallus:
Wie werden die Lernenden beim Podcasting einbezogen, damit es kein
klassisches Sendeformat bleibt?

Anette
Stöber
: Podcast an sich ist kein interaktives Medium. Erst
die Einbettung in eine interaktive Umgebung, wie eine Website oder
ein Lernmanagement-System, bietet Möglichkeiten. Hier können
die Lernenden Kommentare zum Podcast abgeben, Diskussionen anstoßen,
Fragen stellen und selbst Audiofiles hochladen. Was Sie auf jeden
Fall tun sollten, um den Lernenden in das Podcasting mit
einzubeziehen: Machen Sie die Lernenden zum Produzenten. Es schult
ungemein, Gehörtes auf die wesentlichen Punkte zusammenzufassen.

Aus dem
Fremdsprachenunterrricht gibt es ein schönes Beispiel: Ein
Englisch-Lehrer vom Mariengymnasium in Arnsberg in NRW stellt seinen
Schülern lange englische Texte als Podcast zur Verfügung
und stellt Fragen dazu. Die Schüler reichen ihre Antworten
ebenfalls als Podcast ein, so üben sie nicht nur das Lesen und
Schreiben in Englisch sondern auch das Hören und Sprechen.
Auch
auf Podcampus haben wir ein Beispiel von Studierenden am
Universitätskrankenhaus Eppendorf, die ihren eigenen Podcast
produzieren, in dem sie Experten interviewen.

Moderator:
Und das Podcasten am Gymnasium und im Uni-Krankenhaus passiert dann
netzöffentlich?

Anette Stöber: Der Podcast
der Studierenden am Universitätskrankenhaus Eppendorf ist
öffentlich zugänglich. Über das Projekt in Arnsberg
wird auf der Seite www.schulpodcasting.de berichtet. Dort bekommen
Lehrer umfassende Informationen zum Podcasting und es werden
Praxisbeispiele beschrieben.

Moderator: Zwei Meinungen
und dann die nächste Frage:

Paule: Mir würde
der Live-Charakter einer Vorlesung fehlen!

Lioba: In
meinen Veranstaltungen produzieren die Studierenden selbst einen
themenbezogenen Podcast.

Kerstin: Wie möchten Sie
andere Dozenten / Professoren davon überzeugen, Podcasts
einzusetzen?

Anette Stöber: Das ist ein wichtiges
Thema! Zunächst einmal ist so eine Aufzeichnung ja auch eine
neue Möglichkeit der Bewertung von Lehrqualität. Das ist
nicht für jeden Dozenten Motivation. Aber es gibt auch Dozenten,
die es sehr motiviert, wenn man ihnen z.B. von Dr. Marian Diamond
erzählt. Sie ist seit mehr als 40 Jahren Professorin für
Anatomie an der Universität Berkeley. Auf YouTube oder auch in
iTunes ist Dr. Diamond ein Star. Ihre Vorlesung "Organization of
Body" wurde 92.000mal heruntergeladen.

Auch in
Deutschland rangierte Prof. Oliver Vornberger aus Osnabrück
lange Zeit in den iTunes-Charts auf Augenhöhe mit der
Tagesschau, was ihn sicherlich sehr motiviert hat. Ich denke, dass
manche Dozenten einfach so viele Menschen wie möglich mit ihrem
Thema erreichen wollen.

mafraka: Birgt eine
fortschreitende Medialisierung der Lehre nicht die Gefahr, dass das
Verhältnis Lehrender / Lernender immer anonymer wird und in der
Persönlichkeit der Lehrenden verwurzelte Überzeugungen und
soziale Kompetenzen gar nicht mehr bei den Lernenden ankommen?

Anette Stöber:
Ich denke tatsächlich, dass das Studium ein sehr komplexer
Prozess ist. Die Aufzeichnung von Vorlesungen sehe ich nur als
ergänzendes Mittel. Soziale Kontakte, gedanklicher Austausch
über das Gehörte, die Diskussion mit anderen und der
direkte Austausch mit dem Dozenten sind wichtig. Podcasting sehe ich
in jeder Hinsicht als Ergänzung zu Präsenzveranstaltungen,
nicht als Ersatz.

Nurso: In welchen Fächern
setzen Sie denn schon Podcasts ein? Wie ist die Reaktion der
Studierenden darauf?

Anette Stöber:
Wir haben zum Beispiel in den Sportwissenschaften einen
Snowboard-Podcast publiziert. Hier geht es in erster Linie um die
Fahrpraxis und um Bewegungsabläufe. Ein Video-Podcast war da
genau das geeignete Mittel. Zunächst ist es ein Vorteil, dass
die Studierenden die Bewegungen am Bildschirm sehen können. Da
es sich um einen Podcast handelt, der ja auch noch mobil ist, können
sie sich die Videos direkt im Bewegungskontext anschauen.
Das
heißt, die Studierenden haben die Filme tatsächlich mit
auf den Berg genommen. Sie haben dies sehr positiv aufgenommen. Es
ist einfach ein Vorteil, wenn man eine Bewegung direkt im
Bewegungskontext sehen kann und nicht einen Film ansieht, in einem
Seminarraum, wo man vier Wochen später auf dem Berg versuchen
soll, die Bewegungen, die man gesehen hat, nachzumachen.
Einen
weiteren Podcast, namens "Was, Wie, Wofür studieren"
an der Universität Hamburg haben wir in Zusammenarbeit mit dem
UniversitätsColleg an der Uni Hamburg produziert .
Hier
erhalten potentielle Studierende und Schüler Informationen zum
Studium an der Universität Hamburg. Während die
Präsenzvorlesung durchschnittlich 30 Leute erreicht, wird der
Podcast bis zu 900mal heruntergeladen. Die Zielgruppe wurde damit
deutlich erweitert.
Darüber hinaus haben wir u.a. Podcasts
aus den Fachbereichen Geschichte, Wirtschaft, Kunst und
Informatik.

hannah_84: Es bleiben doch aber die
Studenten, die z.B. keinen iPod bzw. die entsprechende Technik haben,
bei so etwas auf der Strecke! Zumindest gibt es einen Vorteil für
finanziell besser gestellte Studenten, die z.B. videofähige
Mp3-Player besitzen!

Anette Stöber: Das stimmt,
das muss man im didaktischen Konzept ganz klar mit berücksichtigen.

Vorteil ist, dass
jeder Studierende die Podcasts am Rechner sehen kann, indem er sich
einen kostenlosen Podcatcher aus dem Internet
herunterlädt.
Untersuchungen an der Universität
Osnabrück haben gezeigt, dass – obwohl 75% der befragten
Studierenden einen MP3-Player besitzen – sich die meisten den Podcast
am Rechner anhören oder ansehen, wo sie Notizen machen können
und auch mal etwas nachschlagen können.
Der
Snowboard-Podcast war ein besonderer Fall, hier wurde aber dafür
gesorgt, dass Studierende entsprechend mit Leihgeräten versorgt
waren, um den Einsatz des Videopodcast in der Sportwissenschaft
testen zu können.

Moderator: Kommen wir einmal zu
zwei Fragen zu weiteren Einsatzmöglichkeiten und zur
Interaktivität:

ILO: Wenn Vorlesungen
mitgeschnitten werden, entfällt doch die Fragerunde am Schluss
und die Dozenten werden wieder mit E-Mails bombardiert, oder?

catta:
Zum Verständnis: Sollen Vorlesungen als Podcast gestreamt werden
oder Inhalte zusätzlich zur Verfügung gestellt werden? Wenn
es Vorlesungen sind, wie sieht das denn dann mit den Rückmeldungen,
Rückfragen etc. aus?

Anette Stöber:
Ja, hoffentlich werden die Dozenten mit E-Mails bombardiert und
hoffentlich sind sie auch darauf eingestellt und haben die Zeit,
diese E-Mails auch zu beantworten. Für den Fall dass es keine
Präsenzveranstaltung mehr gibt und keine begleitenden Tutorien,
muss es einen Rückkanal geben, auf dem der Dozent reagiert. Das
braucht natürlich Zeit und es wäre wichtig, dass die
Hochschule dies auch klar anerkennt und fördert.
Sehr gut
aufbereitet ist eine Vorlesung dann, wenn sie nicht nur als Podcast
downgeloaded werden kann, sondern wenn man sie auch zum Beispiel als
Flashfilm über die Website ansehen kann.
Hier kann man auch
mit anderen Bildgrößen arbeiten. Der Podcast für
mobile Geräte ist ja auf 320×240 Bildpunkte begrenzt. Auf der
Website kann ich mit größeren Ansichten arbeiten.

Zusätzlich
sollte auch noch weiteres Material, wie zum Beispiel
PowerPoint-Folien oder .pdf-Dateien angeboten werden. Ein schönes
Beispiel gibt dafür die Universität Freiburg auf ihrem
Portal eLecture. Hier können Vorlesungen auch bewertet und
kommentiert werden.

mallus: Wie lang sollten Podcasts
sein, damit sie "gehört" werden?

Anette Stöber:
Dazu gibt es interessante Umfrageergebnisse: Alexander Wunschel, der
3000 Podcast-Hörer nach der idealen Länge eines Pocast
befragt hat, hat herausgefunden, dass eine Podcast-Episode rund 19
Minuten lang sein soll.
Mein Tipp:
Machen Sie ihn trotzdem kürzer! 20 Minuten wären für
mich das Maximum. Fangen Sie mit gut gestalteten drei Minuten an.

Lassen Sie sich
von bewährten Gestaltungsmitteln aus Hörfunk und Fernsehen
inspirieren. Nutzen Sie ein Intro, in dem Sie sagen, wer Sie sind und
worüber Sie sprechen werden.
Fokussieren Sie klar auf Ihr
Thema. Sagen Sie im Outro, welches Thema Sie in der nächsten
Episode behandeln werden. Dann klingt Ihr Podcast professionell und
findet auch seine Hörer.

Moderator: Vielleicht
kann man es über den Daumen peilen:

Chris: Wie
lange dauert die Produktion eines Fünf-Minuten-Podcasts?

Anette Stöber:
Das kommt wirklich ganz darauf an, was man genau machen möchte.
Nehmen wir an, Sie möchten ergänzend zu Ihrer Vorlesung
einen Experten interviewen und haben etwas Erfahrung im Umgang mit
dem Mac-Computer und mit dem beliebtesten Programm der Podcaster
"GarageBand" – im PC-Bereich wäre es „Audacity" –
dann können Sie das innerhalb einer Stunde schaffen.

Bernhard
Hiegl:
Was halten Sie für die beste Distributionsstrategie:
ein Podcastportal pro Dozentin, pro Fach, pro Uni, pro Land
(Podcampus?) oder via iTunes?

Anette Stöber:
Die beste Strategie ist in jedem Fall, so viele Portale zu nutzen wie
möglich. Wenn Sie einen Podcast produziert haben, können
Sie diesen in einem extra angefertigten Blog veröffentlichen,
ihn auf die Internetseite der Uni stellen, ihn in iTunes
veröffentlichen, auf Podcampus und natürlich auch in
zahlreichen weiteren Verzeichnissen, wie podcast.de oder
dopcast.de.
Was Sie erreichen möchten
ist, gehört und gesehen zu werden, und der Podcast ist ein
typisches Medium der Vernetzung.

Anneliese: Was
ist Ihre Erfahrung – veralten Podcasts schnell und müssen
eigentlich jedes Semester neu produziert werden oder ist die
Halbwertszeit doch etwas länger?

Anette Stöber:
Das kommt ganz auf das Thema an. Vorlesungen zu „Römern und
Germanen" werden nicht jedes Jahr aktualisiert, so würde auch
die Vorlesungsaufzeichnung ihren Zweck über einen längeren
Zeitraum erfüllen.

Peter BM: Großer
Nachteil von Podcasts: Man weiß erst nachher, ob sich das
Anhören gelohnt hat (bei einem Text kann ich vorher quer lesen
oder mir einen Abstract anschauen o.ä.) oder was meinen Sie?

Anette Stöber:
Deshalb ist es wichtig, dass man, wenn man einen Podcast
veröffentlicht, nicht einfach nur die Audio- oder die
Video-Datei online stellt, sondern dazu auch eine Beschreibung
liefert.

Ich hatte auch
empfohlen, sich auf ein klares Thema im Podcast zu konzentrieren und
das im Intro auch aufzunehmen, so dass der Nutzer schnell weiß,
was er inhaltlich vom Podcast zu erwarten hat.

Moderator:
Werden wir mal etwas allgemeiner:

Friedrich:
Gibt es so etwas wie die "5 Schlüsselfaktoren für
einen erfolgreichen Podcast"? Worauf ist unbedingt zu achten?

Anette Stöber:

  1. Klares
    spannendes Thema

  2. Klar
    gegliederte Inhalte

  3. Möglichst
    auch mit akustischen oder optischen Trennern

  4. Guter
    Sprecher

  5. Einen
    Spannungsbogen entwickeln

  6. Nicht zu
    lang werden.

Moderator:
Zwei Fragen zu Podcampus, wo Anette Stöber Projektleiterin
ist:

bibi: Können auch Dozenten aus anderen
Bundesländern Podcampus aktiv nutzen, d.h. also selbst Podcasts
einstellen?

vgries: Wie funktioniert denn der Verbund
zwischen den Hochschulen? Kann hier jeder seine Sendungen einschicken
und sie werden gesendet?

Anette Stöber:
Ja, Podcampus steht Hochschulen und Forschungseinrichtungen aus ganz
Deutschland offen. Wir haben auch erste Hochschulen aus der Schweiz
und Österreich auf dem Portal. Wir möchten diese
Entwicklung auch weiter fördern und den Hochschulen innerhalb
des nächsten halben Jahres ermöglichen, dass sie ihre
Podcasts eigenständig bei uns auf der Seite einpflegen können.

Im Moment ist es noch so, dass sich
interessierte Dozenten und Hochschulen bei uns melden und wir
entsprechende Kategorien einrichten und Pocasts einpflegen.
Mit
dem Relaunch der Plattform soll das anders werden.

Pseudonym:
Wie kann man denn Studierende dazu motivieren, sich die Podcasts auch
tatsächlich anzuhören? Sollen regelmäßige
Überprüfungen der Lernfortschritte stattfinden?

Anette Stöber:
Das halte ich für ganz wichtig. Ich glaube, dass man Studierende
nicht einfach mit Vorlesungsaufzeichnungen oder Bildungspodcasts
allein lassen sollte. Man muss den Studierenden vorab erklären,
welche Rolle der Podcast innerhalb der Lehrveranstaltung übernimmt.
Ist er Pflicht? Ist er ein zusätzliches Angebot zum
Selbststudium? Zusätzlich sollte man Feedbackmöglichkeiten
einrichten, Fragen zulassen und Diskussionen anregen.

Moderator:
Wir hatten ja gerade schon das Thema "Star bei iTunes"
😉

irmgard: Kann man mit Podcasting vielleicht
besonders auf seine Lehre auf sich aufmerksam machen?

Anette Stöber:
Ja, das denke ich. Gerade für junge Lehrende könnte das ein
großer Anreiz sein. Ich denke da z.B. an Sebastian aus
Frankreich, der zur Zeit ein Pädagogik-Semester in den USA
verbringt und Lehrer werden möchte. Mit seinem Podcast „The
French Pod Class" erreicht er in der Woche 40.000 Menschen.

Podcasts kann man
in vielen Portalen, die hohe Besucherzahlen haben, veröffentlichen
und auch der eigene Blog wird verlinkt, über del.icio.us
gebookmarked etc., so dass viele interessierte Nutzer auf das Angebot
aufmerksam werden.

Lou: Gibt es eine spezielle
Rhetorik für Podcasts?

irmgard: Muss ich als Dozentin
ein Sprachtraining machen, wenn ich podcasten will? Wirken meine
Podcasts sonst unprofessionell?

Anette Stöber: Man kann
nicht leugnen, dass geübte Sprecher, die vielleicht sogar
Radioerfahrung haben, im Vorteil sind. Trotzdem denke ich nicht, dass
man ein Profisprechertraining absolvieren muss, um erfolgreich zu
podcasten.

Versuchen Sie,
natürlich zu sprechen, frei zu sprechen und wenn Sie Ihre
Aufnahmen alleine in einem Raum produzieren, dann stellen Sie sich
jemanden vor, zu dem Sie sprechen. Das hilft ungemein.

Moderator:
Weiter zu den Produktionsbedingungen:

hundi: Es
gibt auch einen kleinen, aber durchaus vorhandenen finanziellen
Aufwand für Podcasts. Schätzen Sie das wichtig ein?

Anette Stöber:
So groß ist der finanzielle Aufwand nicht. Das hängt sehr
mit den Ansprüchen zusammen, die man an seine Aufnahme stellt.
Für den Anfang reicht ein Rechner mit USB-Mikrofon. Man kann, um
die Qualität der Aufnahme zu verbessern, dann mit Soundkarten
und Mischpulten arbeiten. Wenn man mehrere Sprecher hat, kann man
diese mit mehreren Mikrofonen aufzeichnen und wenn man
Telefoninterviews machen möchte, könnte man sich ein teures
Telefon-Hybrid anschaffen. Man kann solche Telefonaufnahmen aber auch
über Skype aufnehmen, für den Start sollte man keine zu
hohen Ansprüche an die Qualität stellen.

Es gibt z.B.
schon Einsteiger-Podcast-Sets mit Mikro und Mischpult für etwa
100 Euro.

Timo van Treeck: Ich habe auch eine Frage zur
Produktion. Vorlesungen aufzeichnen oder Podcasts extra produzieren:
Schwanken da nicht Qualität und Ansprüche enorm? Eignen
sich "normale" Vorlesungen wirklich für Podcasts?

Anette Stöber:
Nicht jeder hat den gleichen Anspruch und nicht jeder liefert
Qualität.
Zu den Vorlesungen: Ich denke, dass der
Podcast-Nutzer das in dem Moment verzeiht, wo es für ihn die
einzige Möglichkeit ist, die Vorlesung zu hören. Über
das Podcasting kann ich Vorträge von Konferenzen verfolgen, die
ich nicht besuchen kann. In diesem Moment bietet eine mittelmäßige
Tonaufnahme für mich trotzdem noch einen Mehrwert.

Friedrich:
Sind Live-Casts beliebter als Aufzeichnungen?

Anette Stöber:
Jede Live-Aufzeichnung kann man später auch als AV-on-demand zur
Verfügung stellen. Es ist natürlich schön, wenn man
über das Internet bei einer Veranstaltung live dabei sein kann,
das stellt aber einen erheblichen technischen Aufwand dar. Man muss
im Vorfeld schon wissen, wie viele Nutzer das Live-Event in etwa
verfolgen werden und entsprechende Serverkapazitäten
bereithalten. Auch muss die Bildmischung live erfolgen und nicht in
der Post-Production. Live-Casting hat also seinen Reiz, aber der
technische Aufwand dahinter ist sehr groß.

Lou:
Gibt es eine Einführung im Netz, wie ich meine eigenen Podcasts
machen kann?

Anette Stöber:
Es gibt viele Anleitungen im Netz. Zum Beispiel bei podcast.de oder
im Podcast-Wiki (http://wiki.podcast.de). Auch bei iTunes findet man
Podcasts zu einzelnen Teilen der Produktion oder zu verschiedenen
Software-Tools.

Gute
Software-Tipps für die Podcast-Produktion finden Sie hier:
http://recap.ltd.uk/wiki/Podcasting/FreeTools

Moderator:
Zwei Fragen gebündelt:

Anneliese: Wenn Sie selber
Workshops oder Vorträge halten, zeichnen Sie diese dann auch als
Podcast auf?

Ulli: Welche Erfahrungen haben Sie denn
schon persönlich mit dem Einsatz von Podcasts gemacht?

Anette Stöber:
Ja, wir produzieren in Kürze einen eigenen Podcast rund um das
Thema Produktion. Geplant ist ein Screencast, wo der Nutzer am
Bildschirm nachvollziehen kann, wie mit bestimmter Software zur
Produktion umgegangen wird.

Die Erfahrungen,
die wir mit dem Einsatz von Podcast gemacht haben, sind durchweg gut.
Sie machen immer dann Sinn, wenn man sich z.B. neue Zielgruppen
erschließen möchte, die man über die
Präsenzveranstaltung nicht erreicht oder wenn man sich Themen
widmet, für die sich der Einsatz von Audio und Video anbietet,
wie z.B. in der Musik, der Kunst oder Fremdsprachen.

Mit dem Northern
Institute of Technology haben wir einen Podcast produziert, weil dort
auch viel ausländische Studierende in den Vorlesungen sitzen.
Für diese Studierenden ist ein Podcast begleitend zur Vorlesung
sehr hilfreich.
Ein Bereich, von dem wir noch gar nicht gesprochen
haben, der für uns auch wichtig ist, ist das Hochschulmarketing.
Viele Unternehmen podcasten, z.B. BMW, Ebay oder IKEA. In der
Podcast-Umfrage von Alexander Wunschel hat sich gezeigt, dass Nutzer
Unternehmen, die pocasten, als sehr innovativ und engagiert
einstufen. So wahrgenommen zu werden, ist für eine Hochschule
gut.

Wir begleiten
z.B. ein spannendes Projekt im Fachbereich Geschichte mit der
Videokamera. Dort wird der authentische Nachbau eines römischen
Kriegsschiffes realisiert.

Moderator: Kurz vor Schluss
noch eine Stilfrage:

Wolfram: Was halten Sie von
musikalischer Untermalung?

Anette Stöber:
Ganz persönlich: Ich finde, man sollte damit sehr sparsam
umgehen. Viele Themen sind für sich spannend und brauchen kein
"Musikbett". Beim Thema Musik fallen mir auch gleich
lizenzrechtliche Schwierigkeiten ein. Wer Musik in seinen Podcasts
nutzen möchte, muss sich unter anderem intensiv mit der GEMA
beschäftigen oder über das Podsafe Music Network nach
geeigneter Musik suchen.

Moderator:
So, das war es fast schon für heute. Noch ein Schlusswort, Frau
Stöber?

Anette Stöber:
Wenn man Podcasts erfolgreich in die Lehre integrieren will, dann
sollte man sich von der Technik inspirieren, aber nicht steuern
lassen und Medien ganz bewusst einsetzen.

Wenn man bedenkt,
dass mittlerweile 40 Millionen Menschen in Deutschland das Internet
nutzen und davon mehr als die Hälfte einen schnellen
DSL-Anschluss besitzt und allein Apple seinen iPod in kürzester
Zeit millionenfach verkauft hat, dann denke ich, die Hochschulen
sollten an dem Thema Podcasting dran bleiben.

Moderator:
So, das war der e-Teaching.org-Expertenchat mit Anette Stöber.
Vielen Dank an die User für die interessanten Fragen und vielen
Dank an Anette Stöber für die Antworten. Das Chatteam
wünscht allen Beteiligten noch einen schönen Tag und
entschuldigt sich bei den Fragestellern, die heute aus Zeitgründen
nicht zum Zuge kamen.