Die Zeit der Anonymität ist jetzt auch bei dol2day, dem Veranstalter von Internetwahlen vorbei. Da
rechtsextreme Äußerungen in den Foren überhand genommen haben, ergreifen die Verantwortlichen
Maßnahmen

Nachdem seit einiger Zeit in den Foren des Veranstalters der Wahlen zum Internetkanzeler
dol2day (politik-digital
berichtete) verstärkt rechtsextremes
Gedankengut verbreitet wurde, sollen jetzt Maßnahmen ergriffen werden. Zunächst
tauchten Beiträge mit rassistischem Inhalt in den Diskussionsforen von dol2day
auf. Kurz darauf wurden die Verantwortlichen von Mitgliedern des Forums darüber
informiert, dass sie persönlich bedroht und beleidigt worden seien. Andreas
Hauser erklärte, dass die Gefahr der Unterwanderung durch radikale Strömungen,
die der demokratischen Struktur des Angebots feindlich gesonnen sind unbedingt
gebannt werden muss. Nicht nur dass die demokratische Struktur des Angebots
gewahrt werden soll, auch der Eindruck, bei dol2day handele es sich um ein rechtsextremes
Forum, soll unbedingt vermieden werden. Der Vorwurf einer inhaltlichen Schieflage
ist in der Tat nicht eingebildet, sondern wurde bereits von verschiedenen Seiten
laut.

Daher wird das Team von dol2day zwei unterschiedliche Strategien einsetzen, die ineinandergreifen und so
die Gefahr der Unterwanderung bannen sollen.
So werden als erste Maßnahme in Zukunft alle neuen Mitglieder sowohl Name als auch Telefonnummer
angeben müssen, um sich registrieren zu können. Schon registrierte Mitglieder werden darüber benachrichtigt
werden, dass sie innerhalb einiger Tage ihre Daten angeben müssen, um in Zukunft noch bei dol2day
mitmachen zu können. Allen Accounts, die keiner Personen zugeordnet werden können, droht das
unausweichliche Schicksal der Sperrung bzw. sie werden gelöscht.

Diese Massnahme ist nötig, um zu vermeiden, dass Doppelaccounts angelegt werden und schon bestehende
entfernt werden können. Die Möglichkeit der Doppel- und Mehrfachaccounts sei auch eines der grossen
Probleme, sagt Andreas Hauser von dol2day. Es sei nicht die absolute Zahl der Rechtsradikalen, die das
Konzept der Aktion zum Einstürzen zu bringen drohe. Vielmehr sei es die Tatsache, dass sich viele dieser
Mitglieder bis zu 30 oder gar 40 Emailadressen holen und dies auch offen in den Foren verkünden. Mit diesen
Adressen waren sie bisher in der Lage sich als neue Mitglieder anzumelden und dann die Abstimmungen und
Diskussionsforen zu "überschwemmen". Das soll die neue Regelung verhindern.

Die Veröffentlichung der persönlichen Daten ist nicht geplant, es sei denn, das Mitglied stimmt der
Veröffentlichung explizit zu. Auch werden diese Daten ausschließlich zur Überprüfung der Accounts verwendet
und in keinem Fall weitergegeben. Weder zu kommerziellen noch zu polizeilichen Zwecken.

Probleme, die sich bei einer Identifizierung über die Telefonnummer zum Beispiel bei Familien mit nur einem
Anschluss ergeben, sollen über den persönlichen Kontakt mit den Verantwortlichen von dol2day geregelt werden.

Die Initiatoren von dol2day wollen nicht alleine die Verantwortung für in den Foren verbreitete Meinungen
übernehmen und sich der Diskussion gegenüber nicht parteilich verhalten. Daher wird parallel zu der ersten
Massnahme noch eine zweite eingeführt. Diese sieht die Schaffung eines Kontrollgremiums vor, das sich aus
registrierten und durch die erste Massnahme überprüften Mitgliedern zusammensetzen wird. Die personelle
Zusammensetzung an sich werde sich nach der Größe der einzelnen Parteien richten, erklärte Andreas Hauser.
Dieses auf demokratischer Ebene liegende Gremium werde mit dem Recht ausgestattet, Mitgliederaccounts
zu sperren. Um jedoch eine Sperrung zu erreichen, müsse innerhalb des Gremiums eine "sehr große Mehrheit"
gefunden werden. Dies soll nach Auffassung der dol2day Initiatoren verhindern, dass aufgrund der Stärke einer
Partei Ausschlüsse aus parteitaktischen Gründen beschlossen werden.

Diese Maßnahme der Gremienbildung hat der ersten gegenüber den Vorteil, dass sie "von unten" praktiziert
wird. Dadurch wird der Eindruck vermieden, dass die gesamte virtuelle Parteienlandschaft von einer Art
"big brother" kontrolliert wird. Ein solche Lösung des Problems ist auch dem demokratischen Selbstverständnis
der Veranstalter angemessen. Daher ist die Art und Weise, wie mit dem Problem umgegangen wird, ein
weiterer Pluspunkt der Aktion.

Ein Nebeneffekt dieser Maßnahmen ist auch eine Demokratisierung desWahlvorgangs. Denn ab der nächsten
Wahl am 1. September wird es aufgrund der neuen Regelungen nicht mehr möglich sein, dass eine Person
zweimal abstimmt. Ein weiterer positiver Effekt wird eine bessere Übersicht über die tatsächliche Zahl der
Mitglieder sein. Doch wird seitens dol2day nicht von einer allzu großen Zahl von Accounts ausgegangen, die
durch die Sperrung wegfallen werden. Andreas Hauser erwartet einen Wegfall von ca. 200, maximal jedoch
300 Doppelaccounts.

Die Verbreitung von rechtsextremen Inhalten war auch das Thema einer Konferenz, die Ende Juni in Berlin
stattfand. Dort debattierten internationale Vertreter das Problem der "Hassseiten". Oft thematisiert wurde die
problematische Grenze zwischen dem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung und der Durchsetzung nationaler
Strafgesetze. Denn die Wünsche der Politik, Staatsanwälte und Polizei traten in krassen Widerspruch mit der
Auffassung von Bürgerorganisationen und NGOs. Diese fordern die Beibehaltung der freien Meinungsäußerung
im Internet.

Die "Berliner Erklärung", die bei dieser Konferenz verabschiedet wurde, stellt nach Aussage der Justizministerin
Herta Däubler-Gmelin eine Grundlage dar, auf der Vermittlungsansätze entwickelt werden können. Allerdings
sind die Erwartungen nicht allzu hoch , dass ein Konsens gefunden wird. So liegt das Problem nach Ansicht
von Bernd Herrmann von der Heinrich-Böll-Stiftung darin, dass ein Konsens über Werte, die geschützt werden
sollen, nur unter Einbeziehung der gesamten Weltbevölkerung erreicht werden kann. Da dies jedoch nicht
möglich ist, sieht er eine Einigung noch in weiter Ferne.

Beschränkungen, wie sie dol2day jetzt eingeführt hat, sind eine Möglichkeit, den Hass im Internet auf kleinerer
Ebene einzudämmen. Auch wenn diese Lösungen nicht zu einer Eindämmung extremistischer Äußerungen
im großen Rahmen taugen, ist der Ansatz, der auf die Vernunft der Mitglieder setzt, zu Zeit der einzig gangbare,
wenn man die demokratischen Strukturen wahren will.