„Ihre Meinung interessiert mich. Schreiben Sie mir!“ So oder so ähnlich fordern Bürgermeister
auf den Websites ihrer Kommunen die Bürger zum Gespräch auf. Online sollen sie über Stadtplanung und politische Entscheidungen mitdiskutieren.

 

Kommunalpolitische Beschlüsse erscheinen den Einwohnern einer
Stadt oft näher und damit greifbarer und nachvollziehbarer
als Entscheidungen auf Landes- oder Bundesebene. Über die in
den Kommunalverfassungen vorgesehenen Bürgerbegehren und Bürgerentscheide
können Bürger zudem schon länger aktiv an der Kommunalpolitik
mitwirken. Damit bieten sich die Kommunen für eine intensive
Kommunikation zwischen Politikern und Bürgern an.

Können Kommunen wegweisend sein, wenn es darum geht, politische
Prozesse ins Internet zu übertragen und die kreativen Elemente
des Mitmach-Internet Web 2.0 für das politische Handeln zu
nutzen? Erhalten kommunale Entscheidungen neue Impulse, eine neue
Qualität? Wie wird sich das „Mitmach-Web 2.0“ auf
Bürgerbegehren und Bürgerentscheid auswirken?

Michael Buhre
Michael Buhre,
Bürgermeister der Stadt Minden

Online-Diskussion in der Praxis: Die Stadt Minden

Eine eindeutige Antwort darauf gibt die kommunale Praxis bisher
nicht. Es fehlen noch Erfahrungswerte beim Umgang mit Web 2.0. Doch
es gibt erste positive Ansätze, die Bürger über webbasierte
Anwendungen an Planungs- und Entscheidungsprozessen zu beteiligen.
Ein Beispiel hierfür findet sich etwa in der Stadt
Minden
.

In der nordrhein-westfälischen Kreisstadt streiten Einwohner
und Stadtparlament gerade um das Mindener Stadthaus. Viele Bürger
wollen das Gebäude erhalten. Das Stadtparlament dagegen befürwortet
den Abriss des Rathauses und den Bau eines Einkaufszentrums, der
„Domhof-Galerie“. Das soll den Einzelhandel in der Mindener
Innenstadt stärken.

Am 23. November 2007 findet zu dieser Frage ein Bürgerentscheid
statt. Im Vorfeld informiert die Stadtverwaltung Minden die Bürger
auf einer Sonderseite
im Internet ausführlich über die „Domhof-Galerie“.
In einer Online-Umfrage können die Einwohner ihre Meinung zum
Thema abgeben – zudem können sie in einem Internet-Forum
ihre Ideen zur Entwicklung der Mindener Innenstadt präsentieren
und über die aktuellen Planungen diskutieren. „Die Anregungen
und Meinungen der Bürger fließen kontinuierlich in den
Planungs- und Entscheidungsprozess von Rat und Verwaltung ein. Das
gilt natürlich auch für die Impulse, die über das
Internet kommen“, betont der Mindener Bürgermeister Michael
Buhre. Auch außerhalb des kommunalen Angebotes, im Weblog
Minden-Magazin“,
können die Bürger ihre Meinung zum Thema Stadthaus-Abriss
und zum bevorstehenden Bürgerentscheid äußern.

Mehr Legitimation, wenn Bürger mitreden können

Eine These der elektronischen Demokratie besagt: Wenn öffentliche
Belange schon im Vorfeld parlamentarischer Entscheidungen intensiv
in und mit der Bürgerschaft diskutiert werden, wenn die Bürger
bei kommunalen Planungs- und Entscheidungsprozessen mitreden können
– so wie derzeit in Minden – erhalten die Beschlüsse des Stadtparlaments
eine größere Legitimation. Das „Mitmach-Web 2.0“,
die Online-Kommunikation in Form von Weblogs, Internet-Foren, Online-Umfragen
und Ideenbörsen kann in dieser Hinsicht sehr nützlich
und förderlich sein.

Die Vorteile eines breiten öffentlichen und transparenten
Online-Dialogs lokalpolitischer Themen sieht auch Michael Buhre:
„Die Diskussionen sind nicht nur hilfreich, sie sind geradezu
notwendig, um ein gutes und abgewogenes Ergebnis in einem Planungsprozess
zu erzielen, der auf Akzeptanz angewiesen ist.“

Kreative und kompetente Bürger

Ob das Web 2.0 tatsächlich zum „Mitmach-Web in der Kommunalpolitik“
werden kann, knüpft Michael Buhre an bestimmte Kriterien: „Dazu
ist die Bereitschaft zur politischen Beteiligung sowohl auf Seiten
der Kommunen als auch der Bürger notwendig. Es besteht die
Chance, die Kreativität und Kompetenz der Bürgerschaft
zum Vorteil der Kommune zu nutzen und eine breite Akzeptanz in der
Bevölkerung für Entscheidungen zu schaffen. Es besteht
allerdings auch das Risiko, dass die gewählten Entscheidungsträger
möglicherweise aus ihrer Verantwortung fliehen oder Entscheidungsprozesse
durch gut organisierte Minderheiten beziehungsweise Interessengruppen
gezielt beeinflusst werden.“

Um mit Hilfe der Web 2.0-Elemente vom rein informativen Charakter
einer kommunalen Webseite hin zu einem Gespräch mit den Bürgern
zu kommen, müssen die Kommunen auch den technischen Rahmen
für eine internetgestützte bürgerschaftliche Beteiligung
schaffen.
„Ich denke, dass in naher Zukunft die technischen Möglichkeiten
erheblich stärker genutzt werden. Ob dies die Kommunikation
zwischen Bürgern und Kommune verbessern wird, hängt allerdings
auch davon ab, wie sich die politische (Beteiligungs-)Kultur insgesamt
entwickeln wird“, meint der Mindener Bürgermeister.