Strategie und Attraktivität der Online-Diskussion

Die DEMOS-Plattform, die in Hamburg schon für mehrere Projekte eingesetzt wurde, unter anderem für eine
Online-Diskussion über die Haushaltsplanung der Stadt, setzt auf einen Dialog in drei Phasen: In der ersten Phase diskutieren die Nutzern in einem zentralen Forum über ihre Vorschläge, ihre Kritik und ihre Anregungen. In der zweiten Phase werden thematisch gegliederte Unterforen eingerichtet, wo die bisherigen Beiträge weiterentwickelt werden können. Die Foren werden von einem Moderatorenteam begleitet.
Wikis geben jedem Nutzer die Möglichkeit, Anregungen konkret auszuformulieren – dabei werden auch eventuelle Hindernisse berücksichtigt. Abschließend werden die Ergebnisse überprüft und von Nutzern und Moderatoren bewertet.

„Die Vorteile des Internets, z.B. Schnelligkeit und Zeitungebundenheit, können genutzt werden. Gerade Familien, die aufgrund von Zeitknappheit nicht an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen können, können aber an der Internetdiskussion teilnehmen. Familienhaushalte sind zudem diejenigen Haushalte mit der höchsten Zugangsdichte zum Internet,“ beschreibt Börger die Gründe, einen Online-Dialog zum Thema Familienpolitik einzurichten. Die Attraktivität von Online-Bürgerbeteiligung liege besonders in der Nutzerfreundlichkeit und Funktionalität der Plattform begründet, erklärt Rolf Lührs von der TuTech GmbH: „Die Nutzer haben das Gefühl, dass ihre Stimme gehört und ernst genommen wird.“ Neben einer ernsthaften Diskussionsathmosphäre biete das Portal aber durchaus auch Spaß durch einen spielerischen Zugang zum Thema und viele Features.

Norden und Süden im Vergleich

Als Besonderheit gab es in Hamburg und in München so zum Beispiel Diskussionen mit Experten zum Thema Familienpolitik. Hier wurden Fragen gestellt, aber auch Kritik geäußert und Anregungen gegeben. „Das war auch eine gute Erfahrung für die Verwaltung, da sie hier eine positive Art der Bürgerbeteiligung gezeigt bekamen, die sich auf Infoveranstaltungen und Podiumsdiskussionen eher selten zeigt,“ erläutert Rolf Lührs.

In Hamburg gab es zusätzlich Tagebuchberichte von zwei Müttern aus unterschiedlichen Wohnsituationen – eine berichtete von ihrem gar nicht so geruhsamen Leben im Alten Land, die andere vom Großstadttrubel mit Kind. Eine Kid´s Corner sollte speziell das ganz junge Publikum ansprechen und nach seinen Wünschen fragen, war aber leider weder in Hamburg noch in München gut besucht. Des Weiteren standen viele Hintergrundinformationen zur Verfügung, mit denen die Nutzer sich vor und während der Diskussion einen Überblick über aktuelle Entwicklungen in der Familienpolitik verschaffen konnten.

Laut Rolf Lührs zeigten sich beim Nutzerverhalten im Norden und Süden der Republik durchaus Gemeinsamkeiten. Die Teilnehmerzahlen waren vergleichbar, lagen in Hamburg noch etwas höher als in München, wo sich etwa 300 Nutzer beteiligten. Überraschend für Lührs war der große Frauenanteil unter den Diskussionsteilnehmern, er lag bei etwa 60 Prozent: „Normalerweise werden Online-Partizipationsangebote stärker von Männern genutzt. Familienexperten fanden den für das Themengebiet ungewöhnlich hohen Männeranteil überraschend.“

Es ließen sich auch Unterschiede erkennen: „In Hamburg bestand am Anfang die Tendenz, das Thema in einem allgemeineren politischeren Kontext zu diskutieren, da der Senat im Vorfeld einige Sparmaßnahmen erlassen hatte, von denen natürlich auch Familien betroffen sind,“ meint Lührs. „Hier herrschte deswegen zu Beginn eine kritischere Grundstimmung.“ Lob für das Projekt gab es aber in beiden Städten.

Erfolgsfaktoren

Der Erfolg des Projektes lässt sich nach Lührs an mehreren Faktoren festmachen. „Das Portal bietet eine innovative Art der Beteiligung. In der Kürze der Zeit kam in München eine Menge Input für die Leitlinie zusammen. Auch wenn die Diskussion nicht repräsentativ war, bekommt die Stadtverwaltung ein Gefühl für die Bedürfnisse der Familien.“ „Die Qualität der Diskussion war auf hohen Niveau – sehr engagiert und konstruktiv. Keinerlei verbale Ausfälle,“ beurteilt Frank Börger den Ausgang. „Angesichts der knappen Vorbereitungszeit ein sehr gutes Ergebnis.“

Auch für die Kommunen sei der Einsatz von Instrumenten zur Online-Bürgerbeteiligung vorteilhaft. „Die Kommunen bekommen ein Instrument, das bei einem hohen Nutzen vergleichsweise niedrige Kosten bietet,“ meint Lührs. Für eine Stadt von der Größenordnung Münchens oder Hamburgs beginne die Kostenspanne für den Einsatz der Plattform bei 25.000 bis 30.000 Euro.

Geht es nach dem Leiter der TuTech Innovation GmbH, wird sich die moderierte Online-Diskussion als ein Instrument unter Anderen im politischen Partizipationsprozess etablieren. Während Info-Veranstaltungen und öffentliche Diskussionen eher einkanalig ausgerichtet sind – die Rollen von Empfänger und Sender sind klar verteilt – setzt das Online-Format explizit auf Zweikanaligkeit. Offline-Veranstaltungen sollen durch den Online-Dialog aber keinesfalls ersetzt werden. „Die Plattform macht nur im Verbund mit anderen Angeboten Sinn,“ erklärt Lührs. Weniger medienaffine Gruppen müsse man weiter über Präsenzveranstaltungen und Information zu erreichen versuchen.

Konkrete Umsetzung muss folgen

Wie sich herausstellte, eignen sich die Plattformen auch, um Schwachstellen in der bisherigen politischen Informationsarbeit aufzuzeigen. Im Hamburger „Bürgerleitfaden familienfreundlicher Wohnort Hamburg“ – der mittlerweile zum
Download bereitsteht – lässt sich erkennen, dass viele Familien über die sie betreffenden politischen Angebote nicht ausreichend informiert sind, dass sie z.B. teilweise nicht wissen, welche Förderungsmöglichkeiten für sie in Frage kommen. Hier kann man ansetzen, indem man weniger effektive Arten der Informationsarbeit identifiziert und aussichtsreicheren Möglichkeiten erprobt.

Nun gilt es, den Befürchtungen, dass die Online-Projekte lediglich als Alibi-Angebot genutzt werden, um den Nutzern allein das Gefühl einer höheren Partizipationsmöglichkeit zu geben, konkrete Maßnahmen entgegenzusetzen. Die geäußerten Vorschläge müssen sich in der politischen Realität wiederfinden lassen. Hamburg gelang mit
„Metropole Hamburg – Wachsende Stadt“ ein Beispiel dafür, wie Bürgermeinungen konkret umgesetzt werden können. Mit dem Bürgerleitfaden zum familienfreundlichen Wohnen sind die Wünsche und Bedürfnisse von Familien immerhin identifiziert und zusammengefasst.

In München wird es bis zu konkreten Ergebnisse, bis zur Erstellung der Leitlinie, noch einige Zeit dauern, wie Frank Börger anmerkt. „Die Bürgerbeteiligung ist noch nicht abgeschlossen und die Auswertung der Online-Diskussion hat erst begonnen. Die Internetdiskussion war ein Baustein in der Öffentlichkeitsphase. Anfang Oktober findet das 1. Münchner Kinder- und Familienforum (ein zweitägige Veranstaltung) statt.“ Erst danach würde die endgültige Version der Leitlinien erstellt und man können sagen, welche Punkte der Online-Diskussion dort Aufnahme finden.