Die BBC (British Broadcasting Corporation) ist seit Beginn Teil der Debatte um Fake News insbesondere in den sozialen Medien. Im Kontext der internationalen Berichterstattung, musste sich der Sender mehrmals den Anschuldigungen von Vertretern aus Politik und Wirtschaft sowie der breiten Öffentlichkeit stellen, Falschmeldungen zu verbreiten. So auch im Rahmen des Fake-News – “Feldzuges” von Donald Trump zur US-Präsidentschaftswahl.

Auf der re:publica 2017 in Berlin nahm Jim Egan, CEO von BBC Global News Ltd. an der Diskussionsrunde zum Thema “Fake News und die Glaubwürdigkeitsdebatte. Wie dringt Journalismus noch durch?” teil. Im Interview mit politik-digital.de äußerte sich Egan zuvor persönlich zum Thema Fake News im Bereich der medialen Berichterstattung.

Seriöser Journalismus durch Präzision und Unabhängigkeit

Herr Egan, was unternimmt die BBC gegen Fake News, welche Maßnahmen sind am wirkungsvollsten im Vorgehen gegen deren Verbreitung?

Die Debatte um Fake News  hat das journalistische Geschehen im letzten Jahr, mit leichten Unterschieden in den USA, Großbritannien und Europa, geprägt. Das Stärkste, was wir dem entgegensetzen können, ist unsere Verpflichtung gegenüber unserem Publikum, wahrheitsgemäße und authentische Berichterstattung zu leisten und “real news” zu senden. Daher befinden wir uns zur Zeit in einer Phase, in der es für die BBC und andere seriöse Medien umso wichtiger ist, sich zur journalistischen Präzision, Ausgewogenheit und Unabhängigkeit zu bekennen. Dies verlangt nicht zwingend nach Arbeitsumstrukturierung, sondern viel mehr nach Kondition und Ausdauer bei der täglichen Arbeit. So weiterzuarbeiten wie bisher, ist jetzt besonders wichtig.

Dennoch hat sich die BBC in gewisser Weise der Situation angepasst: Wir haben z.B. die Investitionen in unser neues Produkt “BBC Reality Check” erhöht. Ursprünglich wurde BBC Reality Check bereits zu den Parlamentswahlen im Jahr 2010 gelauncht. 2015 wurde dieses Projekt im Rahmen der Unterhauswahlen des Parlaments reaktiviert und kam während des Brexit-Referendums letztes Jahr erneut verstärkt zum Einsatz. Das Team arbeitet inzwischen permanent und wird dieses Jahr auch noch erweitert. Außerdem arbeiten wir immer daran, unser Experten-Netzwerk auszubauen und uns auch im Bereich des Daten- und visuellen Journalismus zu verbessern, um so auch das jüngere Publikum für unsere Arbeit zu begeistern. Fake News sind insgesamt ein weitreichenderes Problem, das weder bei der BBC seine Anfänge nahm, noch von uns gelöst werden kann. Diese Verantwortung liegt bei den PolitikerInnen und Policy ExpertInnen sowie auch bei den Social Media Plattformen.

Tatsächlich wurde die BBC aber während der US-amerikanischen Wahlen der Verbreitung von Fake News beschuldigt. Macht es einen Unterschied, ob solche Anschuldigungen aus der Öffentlichkeit kommen, aus regierungsnahen Kreisen oder sogar von der Regierung selbst?

Solche Anschuldigungen gegen die BBC gibt es bereits seit den Zwanzigerjahren. In jüngster Zeit mussten wir uns vielen Vorwürfen internationaler Regierungen stellen. Die US-amerikanische, die türkische sowie die thailändische Regierung haben uns beschuldigt, falsch über politische Interna zu berichten. Auch mit unserer nationalen Regierung hatten wir schon Probleme. Derartige Anschuldigungen existieren schon lange, bloß gibt man dem ganzen heute einen neuen Namen. Was heute sehr abstrakt als “Fake News” bezeichnet wird, wurde früher viel einfacher ausgedrückt. Als BBC ist es unsere Aufgabe, uns für unser Publikum auch unbeliebte Meinungen und Perspektiven anzuhören und zu verarbeiten. Das ist letztlich die Arbeit seriöser, unabhängiger JournalistInnen – objektiv zu berichten.

Neuer Begriff, altes Schema

Sie sind also der Meinung, dass die alte Begrifflichkeit nur neu definiert wurde? Was bringt sie darauf?

Hinter dem Begriff “Fake News” steckt eine spezifische Agenda. Vor zwölf oder achtzehn Monaten begann es damit, dass bestimmte UserInnen aus kommerziellen Zwecken anfingen, im Netz Falschmeldungen zu verbreiten. Je mehr Klicks und Shares ein Post bekommt, desto höher die Rendite. Diese spezielle Agenda wurde jetzt verallgemeinert und hat sich zu etwas ausgeweitet, dass ich ablehne und das wenig zur Lösung des Problems beiträgt: Dem Konzept der “Fake-News”.

Was sagen Sie inhaltlich zu den Beschuldigungen der letzten Zeit? Sind die allesamt falsch und frei erfunden? Oder handelt es sich möglicherweise um eine Frage der Perspektive?

Normalerweise ist es immer eine Frage der Perspektive. Sei es jemand aus der Öffentlichkeit oder ein/e PolitikerIn, dem oder der die Art und Weise oder der Inhalt der Berichterstattung nicht zusagt. Bei der Größe unserer Organisation kann es natürlich auch mal vorkommen, dass eine Angelegenheit falsch erfasst und verarbeitet wird. Für solche Fälle besteht eine interne “Complaints”-Website für Beschwerden und Rezensionen. Wenn allerdings Einzelpersonen, ob es nun der  US-Präsident oder jemand anderes ist, der BBC gegenüber mutmaßliche und unnachweisliche Anschuldigungen äußern, dann wird dies von uns zwar zur Kenntnis genommen, aber nicht weiter bearbeitet.

Die Lage ist insgesamt schwierig, weil derart viele kommerzielle Fake News verbreitet werden, dass daraus bereits eine Art Informations-Krieg geworden ist. Der Fall der mazedonischen Jugendlichen, die während der US-Präsidentschaftswahlen durch gefälschte Nachrichten-Websites enorme Geldsummen erwirtschafteten, ist allgemein bekannt. Diese Art von UserInnen geben sich als Mitglieder seriöser journalistischer Organisationen aus, sind aber tatsächlich nur unternehmerisch an der Verbreitung von Fake News interessiert.

Können Sie dafür ein Beispiel geben?

Ich werde keine Namen nennen, aber ich denke, es ist allgemein bekannt, welche Websites als unsicher und nicht vertrauenswürdig gelten.

Wie kann man Ihrer Meinung nach ganz allgemein das Vertrauen in die Medien wieder aufbauen?

Journalistische Organisationen sind in ihrem Vorgehen sehr eingeschränkt. Wir haben uns der vertrauenswürdigen Berichterstattung verpflichtet und werden dieser auch weiterhin nachgehen. Das Vertrauen in die BBC oder unsere Nutzerzahlen sind nicht eingebrochen, aber offensichtlich besteht ein viel weitreichenderes Problem, das die gesamte Medienlandschaft Europas, Teile Asiens und Nordamerika betrifft.

Die Frage ist, was werden die PolitikerInnen und Policy-ExpertInnen unternehmen? Auf eine komplexe Frage wie diese gibt es keine einfache Antwort. Stimmen werden laut, dass Google und Facebook reguliert werden müssen. Doch die wenigsten trauen sich, es mit derart großen internationalen Plattformen aufzunehmen. Die Risiken und Nachteile, die sich daraus ergeben könnten, sind zu groß. Daher ist mit schnellen Erfolgen diesbezüglich nicht zu rechnen.

Stärkeres Eingreifen der Politik

Weil die Politik sich davor scheut einzugreifen?

Die PolitikerInnen sind sich des Problems, sich aber auch der Risiken der Regulierungen bewusst. Auf der anderen Seite wird gehofft, dass Google, Facebook, Twitter und Instagram das Problem selbstständig lösen werden. Allerdings haben die letzten Monate gezeigt, dass der Mangel an Regulierung dieser Social Media-Plattformen, die nicht selbst Hersteller von Medien, aber Teil der Medienindustrie sind, immer weitreichendere Auswirkungen hat. Aus Erfahrung kann ich aber dennoch sagen, dass mit Sicherheit wieder ein neuer regulierender Ansatz aufkommen wird.

Denken Sie, es ist notwendig, eine stärkere Kooperation der Medien anzustreben, beispielsweise zwischen Mediennetzwerken und Organisationen wie Facebook und Co., um präventiv handeln zu können, Fake News zu vermeiden und das Vertrauen wieder herzustellen? Wie Sie bereits sagten, ist die Lage vielleicht nicht anders als früher, aber die Zuschauer fühlen sich hintergangen.

Für diese Social Media Giganten ist es vermutlich sinnvoller, selbst in Aktion zu treten als sich von externen Akteuren regulieren zu lassen. Werbung spielte diesbezüglich auch in der Vergangenheit eine erhebliche Rolle. Seien es Werbetreibende, die ihre Verträge mit Fox News aufgrund von Schlagzeilen um Bill O’Reilly auflösen, oder andere, die ihre Reklame nicht länger über Youtube ausstrahlen möchten, so oder so hat dies große Auswirkungen. Man sollte den Social Media-Giganten gewisse Anerkennung dafür zollen, dass sie die Risiken der Regulierung ernst nehmen.

Ich will damit nicht sagen, dass wir mit einer radikalen Regulierungswelle dieser Social Media-Plattformen rechnen müssen, aber in vielen Teilen Europas und anderen hoch entwickelten Staaten bestehen gängige Regulierungsmuster für Radio und Fernsehen sowie auch für Printmedien. Zukünftig sind solche Formen der Regulierung auch für die sozialen Medien zu erwarten.

Was kann die BBC zur Stärkung der Glaubwürdigkeit von Medien beitragen?

Die BBC ist immer noch der internationale Anbieter von Nachrichten, dem am meisten vertraut wird. Wir setzen auf Innovationen wie den Reality Check. Außerdem werden wir ab diesem Jahr in zwölf weiteren Sprachen senden, um Staaten einzubeziehen, in denen das Vertrauen in die Medien auf dem Tiefpunkt ist. Auch die diesjährigen Parlamentswahlen werden eine weitere Chance sein zu zeigen, dass BBC authentisch über die Geschehnisse in der UK und die Brexit Debatte berichten kann.

Nehmen Sie den externen Druck der Fake News Debatte auch im Arbeitsalltag wahr?

Ich will nicht den Eindruck erwecken, dass wir dem Thema selbstgefällig gegenüberstehen. Der Vertrauensverlust in die Medien ist allgegenwärtig überall auf der Welt, darum tun wir unser möglichstes, weiterhin qualitativ hochwertigen Journalismus zu betreiben; innovativ zu bleiben, um sowohl neues, jüngeres Publikum zu gewinnen als auch ältere Generationen anzusprechen.

Glauben Sie, dass insbesondere die jüngeren Generationen von der Fake News-Debatte betroffen sind, da sie stärker in den sozialen Medien aktiv sind, die Fake News eine enorme Plattform bieten?

Das ist eine gute Frage. Traurig zu hören ist es, wenn junge Leute sich beschweren, wie langweilig die Nachrichten sind, dass sie kein Interesse mehr an der Flüchtlingskrise oder der Lage in Syrien haben und lieber ihren Freunden auf Twitter oder Instagram folgen. Das fällt mir schwer zu verstehen. Zeitgleich finden in Großbritannien, den USA und in Europa gegensätzliche Strömungen statt. Junge Menschen engagieren sich so aktiv in der Politik wie schon lange nicht mehr. Das mag daran liegen, dass wir eine Phase des Stillstands erfahren haben, in der die Parteien sich alle sehr ähnlich und die Bürger desinteressiert waren. Heute gibt es so viel, wofür es sich lohnt zu kämpfen, das sind doch sehr ermutigende Aussichten.

Sind die Aussichten auch für junge Journalisten ermutigend?

Journalismus ist nach wie vor eine Art Mission oder Berufung und bestimmt kein Weg zum schnellen Geld, es sei denn man hat sehr viel Glück. Die eigentliche Wichtigkeit des Journalismus und seiner Rolle in der Demokratie besteht darin, dass er in Zeiten wie diesen erst vollständig zu Tage tritt und in seinem Potenzial voll ausgeschöpft werden kann. Das soll nicht heißen, dass mit steigenden Löhnen zu rechnen ist, aber es zeigt den tatsächlichen Wert, den seriöser Journalismus im Alltag besitzt.

Möchten Sie eine abschließende Einschätzung abgeben?

In fünf Jahren feiert die BBC ihr 100-jähriges Jubiläum. Für jedwede Organisation ist ein 100-jähriges Bestehen ein enormer Erfolg. Aber in fünf Jahren kann viel passieren, wir haben noch einiges vor uns. Es freut uns zu sehen, welchen Zuwachs unser Publikum weltweit erfährt. Auch zeigt sich ein internationales so noch nie da gewesenes Interesse am Weltgeschehen. Dies ist ein Zeitpunkt in der Menschheitsgeschichte, auf den wir noch lange zurückblicken werden, weil wir Zeugen politischer Umbrüche und sozialem Wandel sind. Auch wenn viele Ereignisse beängstigend erscheinen, ist es doch befriedigend, auf die ein oder andere Art mitwirken und berichten zu können.

Herr Egan, wir bedanken uns für das Gespräch.

Titelbild: Elisa Meyer