Die Heinrich-Böll-Stiftung und das Netzwerk Neue Medien hatten am 19. September zur Diskussion „iPod:youTube. Das Internet und die Zukunft der Musik“ geladen. Ein zusammenfassender Bericht.

„iPod:youTube. Das Internet und die Zukunft der Musik“ – passender konnte das Thema am Vorabend der diesjährigen Popkomm-Eröffnung nicht gewählt sein. Die
Heinrich-Böll-Stiftung und das
Netzwerk Neue Medien hatten in den Grünen Salon der Berliner Volksbühne geladen. Auf dem Podium: Peter Zombik (
IFPI, internationaler Branchenverband der Musikindustrie; Verband der deutschen Phonoindustrie), Stephan Benn (
VUT, Verband unabhängiger Tonträgerhersteller), Johnny Haeusler (Blogger von
spreeblick.com) und Moritz Sauer (Netlabel-Katalog
phlow.net).

Seit Napster beklagt die Musikindustrie rückläufige Verkaufszahlen. Vehement wird deshalb nach neuen Verdienst- und Vertriebswegen für Musik gesucht. Es ist umstritten, ob Online-Anbieter wie “iTunes” oder “MusicLoad” sich wirklich rechnen. Beide arbeiten mit Kopierschutzsystemen (Stichwort: Digitales Rechte-Management), die das Kopieren der Musik von Nutzer zu Nutzer einschränken sollen. Daran gab es auch auf dieser Veranstaltung reichlich Kritik und Forderungen, mehr auf das Prinzip Offenheit zu setzen – einerseits auf die Netlabels mit frei downloadbaren Musik-Tracks oder auf Micropayment-Systeme.

“Urheberrecht darf nicht zu Restriktionen für den Kunden führen“

Johnny Haeusler brachte mit seinem Eingangsstatement die Problematik auf den Punkt. Das Urheberrecht sei weiterhin von Bedeutung, dürfe aber nicht zu Restriktionen für den Kunden führen. Das Urheberrecht bliebe so Bestandteil der Unterhaltssicherung von Künstlern.

Radikaler war die Position von Netlabel-Vertreter Sauer: „Die Musiker müssen wieder auf die Straße. Sie müssen unterhalten. Walther von der Vogelweide hat das auch nicht anders gemacht und abends seine Lammkeule bekommen“. Ergo: Im Sinne der Aufmerksamkeitsökonomie müssten Leute auf Konzerte und zum Merchandising gelockt werden.

Für den Geschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Phonoindustrie Zombik ging es nicht in erster Linie um ein verbraucherfreundliches Urheberrecht. Statt dessen stellte er die Frage, wie denn ein urheberfreundliches Urheberrecht aussehen müsse. Der Urheber sollte derjenige sein, der entscheidet, wer wann wie seine Werke nutzen darf. Die Marktforschung hätte für 2005 ergeben, dass allein in Deutschland 400 Millionen illegal verbreitete Alben 30 Millionen legal erworbenen Alben gegenüber stehen würden. Gleichzeitig räumte Zombik aber auch ein, dass der Verbraucher sicher sein müsse, dass eingeräumte Rechte auch in vollem Umfang genutzt werden können. Die Verbände würden sich für die Rechte der Urheber einsetzen und seien nicht zum Selbstzweck da.

Auf die Forderung aus dem Publikum, die Branchenverbände aufzulösen und ihr Vermögen auf die Künstlerschaar aufzuteilen, reagierten die beiden Verbandssprecher mit Sprachlosigkeit. Den gleichen Effekt hatte auch der Vorwurf Johnny Haeuslers, die Urheberechtsverwalter hätten es versäumt, gegen die jetzt bestehenden Restriktionen von Online-Anbietern vorzugehen. Die Situation, dass legal erworbene Musik dem User nicht ohne weiteres zur freien Verfügung, also z.B. zum Überspielen auf den Mp3-Player, zur Verfügung steht, hätten die Verbände mit zu verantworten.

Aus dem Auditorium forderte Katja Mrowka vom
Verbraucherzentrale Bundesverband ein Recht auf Privatkopie – Zombik reagierte fast empört: „Ein solches Recht gibt es nicht“.

Wie sieht die Zukunft der Musik aus?

Wie sieht nun die Zukunft der Musik aus? Haeusler sieht an Stelle einer GEZ-ähnlichen Konstruktion künftig eine Medienflatrate. Weil DRM nicht funktioniere, müsse auch über die Verwendung eines digitalen Wasserzeichens („Watermarking“) nachgedacht werden. Solch ein Wasserzeichen schränkt die Kopierbarkeit eines Musikstücks nicht ein, erlaubt aber nachzuvollziehen, wer die erste Kopie ins Internet gestellt hat – so kann ein Käufer eines Songs diesen auf all seinen Geräten nutzen, während er gleichzeitig davon abgeschreckt werden soll, die Dateien über File-Sharing-Netzwerke zu verbreiten. Das
Fraunhofer Institut hat bereits ein entsprechendes Verfahren entwickelt.

Für die Vertreter der Verwerterverbände liegen die Chancen vor allem im sogenannten „Digital Rechte-Management“ (DRM). Für Zombik hält die Zukunft „eine bisher nicht gekannte Vielfalt verfügbarer Möglichkeiten“ bereit. „Musik zum einmaligen anhören und die Alltime-Heroes für immer“: Alles liegt auf zentralen Datenbanken und es wird genau das bezahlt, was genutzt wird. Digitales Rechte-Management ist ein wesentlicher Bestandteil dieses Modells. Zombik fordert politischen Willen „um zu entscheiden, wie der Markt aussehen soll“. Unterstützung erhält Zombik auch vom Sprecher des Verband unabhängiger Tonträger (VUT) Stefan Benn: „Kreativität braucht einen Ordnungsrahmen“. Pauschalpreise und Flatrate seien Planwirtschaft, das heutige System biete „Verteilungsgerechtigkeit“. Es waren nicht ihre einzigen Äußerungen, die Gelächter und ablehnende Zwischenrufe aus dem Publikum hervorriefen.

Zu guter letzt blieb noch die Frage an das ca. 80 Personen starke Auditorium und Podium nach dem künftigen Verhalten: Lediglich zwei Sprachen sich für DRM aus. Fast alle kopieren und wollen dies auch weiterhin tun. Insofern nichts Neues.

Die von den Veranstaltern formulierte Kernfrage, welche Chancen die Digitalisierung für Musiker und Labels bieten würde, blieb aber unbeantwortet. Ein großes Kompliment geht an die Moderatorin Katja Husen vom Netzwerk Neue Medien, die rigoros für eine spannende und pfiffige Diskussion auf Podium und mit dem Publikum sorgte. Schade nur, das mit Johnny Haeusler gerade mal ein Musikurheber (ex Plan B) auf dem Podium vertreten war.