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Der Kraftakt hat sich gelohnt: Der Alternativvorschlag der Filmwirtschaft soll in wesentlichen Punkten im neuen Urhebervertragsrecht umgesetzt werden. Ein Jahr lang hatte die Deutsche Filmwirtschaft massiv protestiert, zuerst gegen einen schockierenden Professorenentwurf, dann gegen einen enttäuschenden Referentenentwurf. Im Juni dann – der Regierungsentwurf eines “Gesetzes zur Stärkung der vertraglichen Stellung von Urhebern und ausübenden Künstlern” hatte bereits die erste Lesung im Bundestag hinter sich – änderte

film20
die Taktik: Ein Juristenworkshop der Mitgliedsfirmen arbeitete an einem Alternativkonzept, die

Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO)
, der

Bundesverband der Fernsehproduzenten
und die Arbeitsgemeinschaft Neuer Deutscher Spielfilmproduzenten stießen dazu, ein gemeinsamer

“Alternativvorschlag der Filmwirtschaft”
bündelte die Interessen der Branche. Am 21. August wurde der Alternativvorschlag der

Justizministerin
übergeben – seitdem zahllose Gespräche mit Abgeordneten, Vertretern unserer Position in Medien und Ausschüssen, permanente Konsultationen mit dem Justizministerium, kurz: Lobbyarbeit auf allen Kanälen. “Öffentliche und klare Rückmeldungen” zu ihrem Alternativvorschlag hatten die Verfasser immer wieder gefordert. In der vergangenen Woche war es dann zuerst die Ministerin selbst, die in Interviews meldete: “Die Kritik hat uns nachdenklich gemacht”, die den “konstruktiven Dialog” lobte und mehrfach betonte, man wolle “den Film fördern und nicht die filmspezifischen Produktionsabläufe behindern. In dieser Woche liegt nun die “Formulierungshilfe” des

Justizministeriums
für die weiteren Beratungen in den Ausschüssen und im Parlament vor. Das ist die offizielle neue Basis für Diskussion und Entscheidung im weiteren Gesetzgebungsprozess der nächsten Wochen. Und hier muss die Filmwirtschaft endlich nicht mehr den Eindruck haben, im total falschen Film zu sitzen:

  • Nie strittig war, dass Urheber gesetzlichen Schutz brauchen und ihre Leistung angemessen vergütet werden soll. Allerdings ist erst jetzt ein halbwegs praktikabler Weg dafür gefunden worden, dass die angemessene Vergütung überhaupt funktionieren kann: Als Ergänzungsanspruch, der bestehende Verträge respektiert, wenn sie der redlichen branchenüblichen Praxis folgen. Ein allgemeines Nachtarocken, das internationale Rechteabklärungen und Verwertungen für die Filmindustrie schier unmöglich gemacht hätte, ist damit abgewendet. Allerdings bleibt es bei einem gegenüber der jetzigen gesetzlichen Regelung erleichterten “Bestseller-Paragraphen”, der bei außergewöhnlichem Erfolg einen “Fairness-Ausgleich” verlangt.
  • Klar abgelehnt wurden im Alternativentwurf der Filmwirtschaft die Rückwirkung des neuen Urhebergesetzes auf Verträge die innerhalb der letzten 20 Jahre abgeschlossen wurden und eine gesetzliche Zwangsschlichtung – beide Punkte sind vom Tisch.
  • In all den Punkten, bei denen die vom Regierungsentwurf vorgeschlagenen neuen Regelungen die Filmherstellung als “Work in Progress” auf geradezu absurde Weise nahezu unmöglich gemacht hätten, überzeugten die Produzenten offensichtlich. Tendenz: Entweder folgte das Justizministerium dem Alternativvorschlag oder es blieb beim alten Gesetz. So bleibt das Einspruchsrecht der Urheber auf “gröbliche Entstellungen” beschränkt, von den ausübenden Künstlern können Produzenten auch die Rechte für neue, nicht bekannte Nutzungsarten erwerben, Wiederverfilmungsrechte können auch für einen längeren Zeitraum als 10 Jahre gelten werden.
  • Bei dem Umfang der Rechtseinräumungsvermutungen hat es Fortschritte gegeben.

Nicht überall war die Überzeugungsarbeit der Filmwirtschaft erfolgreich – an einigen Punkten bleibt sogar drängender, echter Handlungsbedarf. Dazu gehören sicher genaue Bestimmungen darüber, wie denn der jetzt vorgesehene erleichterte “Fairness-Ausgleich” im Fall eines außergewöhnlichen Erfolges geregelt werden soll. Ebenso bleibt bisher offen, wie man verhindern kann, dass der Produzent in eine Sandwich-Position gerät, wenn ihm als Hersteller – der ja jetzt gegenüber den Urhebern und ausübenden Künstlern die Ansprüche aus “angemessener Vergütung” und “Bestseller-Paragraph” garantieren soll – die Verwertungserlöse aus den verschiedenen Nutzungen des Filmwerks nicht uneingeschränkt zustehen. Und dann muss es auch ermöglicht werden, bei angemessener Vergütung auch Rechte für unbekannte Nutzungsarten erwerben zu können. Damit es kein Vertun gibt, nochmal: Das ist nicht eine fromme, vorweihnachtliche Wunschliste, hier müssen in diesem jetzt anstehenden Gesetzgebungsverfahren noch Antworten gefunden werden. Daneben gilt es, Versuche abzuwehren, das Rad wieder auf den Stand des Regierungsentwurfs zurückzudrehen. Deshalb werden wir auch weiter auf Transparenz in diesem Verfahren drängen – denn entscheidend ist nicht die “Formulierungshilfe”, sondern was wir zum Schluss im Bundesgesetzblatt lesen! Wo stehen wir also derzeit? film20-Anwalt Prof. Mathias Schwarz hat gerechnet: 81,2316 % des materiellen Gehalts des Alternativvorschlags sollen umgesetzt werden, mit 18,7684 % konnte sich die Filmwirtschaft nicht durchsetzen. Wer meint, die Branche könnte vor diesen Zahlen in Triumph und Jubel ausbrechen, irrt. Diese Relation wirft vielmehr ein Schlaglicht auf das tiefe Informationsloch über die Filmbranche, aus dem sich Professoren, Politik und Ministerialjuristen heraus arbeiten mussten – eine sportlich-quantitative Zwischenbilanz also. Die qualitativ-politische Zwischenbilanz sieht so aus:

  1. Wir sind auf dem besten Weg, ein für die Filmwirtschaft desaströses Gesetz sehr weitgehend abwenden zu können – wir sind aber noch nicht “durch”!
  2. Wir haben in und für diesen Prozess die Interessenvertreter der Filmwirtschaft gebündelt und zu einem geschlossenen Auftreten gebracht.
  3. Wir können nach der Auseinandersetzung über das Urhebervertragsrecht deutlicher als bisher überlappende bzw. angrenzende Problembereiche definieren, die das Entwicklungspotential der Filmwirtschaft heute behindern, zum Beispiel die Möglichkeit der Übertragung von Rechten an unbekannten Nutzungsarten, das Verhältnis der Produzenten zu Lizenznehmern wie den Sendern, die vor dem Hintergrund der digitalen Revolution unmoderne deutsche Medienordnung. Das sind die Themen für die Lobbyarbeit der nächsten Zeit.

Bleiben wir auch hier sportlich: Nach dem Spiel, ist vor dem Spiel! Die Novelle zum Urhebervertragsrecht drängte die Filmwirtschaft in die Verteidigungsposition. Da haben wir uns warm gelaufen. Am 27. November gibt es vor dem Rechtsausschuss des Bundestages die erste Anhörung zur Umsetzung der EU-Richtlinie zum

“Urheberrecht in der Informationsgesellschaft”
– der richtige Ort, von vornherein Modernisierungsinteressen einzubringen. Es darf gestürmt werden!