Unter dem Titel „Learning from Fukushima“ richtete die Berliner Gazette am vergangenen Samstag in Berlin ein ganztägiges internationales Symposium aus. Dabei kamen u.a. die Online-Chefs von „CNN”, “taz” und “Global Voices Japan” zu Wort. Der Herausgeber der Berliner Gazette Krystian Woznicki berichtet im Gespräch vom Ablauf der Konferenz.

Am vergangenen Samstag wurden auf der internationalen Konferenz „Learning from Fukushima“ in Vorträgen, Präsentationen und Publikumsgesprächen insbesondere folgende Fragen diskutiert: Wie entsteht in Zeiten der Krise eine kritische Öffentlichkeit? Wie können wir als Bürger Einfluss darauf nehmen? Und welche Rolle spielt das Internet dabei? Medienmacher wie die Online-Chefin von CNN Lila King sowie Frank Patalong von Spiegel Online sprachen dabei über ihre Arbeit im Krisenfall und diskutierten mit Informationsdesignern, digitalen Kartografen, Programmierern und Netzaktivisten aus aller Welt. Das von der Berliner Gazette ausgerichtete Symposium wurde von der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) gefördert. Es gliederte sich in drei Themenblöcke:

  • Die Online-Katastrophe – business as usual?
  • Ausnahmezustand in Japan – auch medial?
  • Digitale Publikumsbeteiligung – was hat Zukunft?

Gespräch mit dem Projektverantwortlichen Krystian Woznicki

Über die Konferenz sprachen wir mit dem Herausgeber der Berliner Gazette und Projektverantwortlichen Krystian Woznicki, der bestätigte, dass eine kritische Öffentlichkeit nur durch die Zusammenarbeit zwischen sozialen und klassischen Medien entstehen kann. Die Berliner Gazette habe sich seit dem 11. März 2011 sehr intensiv mit den Folgen der Dreifachkatastrophe auseinandergesetzt und ein Offline-Forum für Austausch und Auseinandersetzung vermisst. Also hätte man sich selbst der Sache angenommen und die Konferenz organisiert.

Laut Woznicki wurden auf dem Symposium alle Akteure zusammengebracht, die in der noch gegenwärtigen Krise in neuer und entscheidender Weise zusammenarbeiten, um eine kritische (Netz)Öffentlichkeit herzustellen, die interdisziplinäre Zusammenarbeit beleuchtet und neue Allianzen für Weiterentwicklungen dieser Zusammenarbeit geschmiedet. Die wichtigste Erkenntnis sei: “Die Gesellschaft Japans durchläuft einen tiefgreifenden Wandel. Vergleichbare Veränderungen sind auch in anderen Regionen der industrialisierten Welt zu beobachten. Aber in Japan werden sie durch die Dreifachkatastrophe in besonders massiver, exponierter Weise virulent: Fast alle Grundlagen der Gesellschaft werden in Frage gestellt. Umwelt, Energie, Gesundheit, Wirtschaftsform, die Rolle des Bürgers, die Rolle und Funktion der Medien – auf geradezu unüberschaubar vielen Ebenen beginnen Prozesse der Infragestellung, Bewusstwerdung und Kritik.” Da der Wandel auf so vielen unterschiedlichen Ebenen gleichzeitig ablaufe und die Gesellschaft durch die Dreifachkatastrophe und ihre Folgen stark geschwächt wäre, ginge alles sehr langsam und vielleicht kaum merklich voran. Umso wichtiger sei es, diesen Wandel sichtbar zu machen in einer solchen Veranstaltung. “Was wir herausarbeiten und weitervermitteln, kann dazu beitragen, ein Gefühl für langfristige Perspektiven zu gewinnen, das im Rauschen des Hier und Jetzt nur schwerlich aufkommt.”

(Der Programmierer und Illustrator der Berliner Gazette Marcel Eichner hat die obige farbige Illustration auf der Basis von Datenvisualisierungen des Kurznachrichtendienstes Twitter erstellt. Sie zeigt Daten, die am
11. März 2011 zwischen Japan und der Welt zirkulierten.)

Jemand im Publikum sagte: “Alle Menschen sind Sensoren. Egal, ob es um Informationen über die Versorgungslage in einem Krisengebiet geht oder um Strahlenwerte.” Laut Woznicki könne das Internet dabei helfen, die Daten all dieser Sensoren zusammenzutragen, sichtbar zu machen, zu verbreiten und zu ordnen. Die Mechanismen dafür seien noch im Entstehen begriffen. Eine schwere Krise könne diesen Prozess beschleunigen. Tomomi Sasasaki, eine Referentin auf der Konferenz, habe ihr Land während der Krise einen “Crashkurs in Social Media” absolvieren sehen. “Eine kritische Öffentlichkeit entsteht allerdings nur dann, wenn die sozialen Medien und klassischen Medien zusammenarbeiten, sprich: wenn sich Wege und Methoden finden, die sozialen, d.h. kollaborativen Ansätze mit den autoritären Ansätzen der Medienarbeit in einen sinnvollen Dialog zu bringen, damit die Stärken und Vorteile des jeweiligen Ansatzes zur Geltung kommen.”

Das Fazit

Die Berliner Gazette wollte sich nach den Worten von Woznicki in den laufenden Prozess der Krisenbewältigung einschreiben. “Und so können wir unsere internationale Konferenz auch nur als einen Beitrag und für uns selbst nur als einen ersten Schritt begreifen. Es sieht so aus, als hätten wir nicht nur eine Lücke geschlossen, wenn es um den Bedarf geht, die Dreifachkatastrophe aufzuarbeiten. Es scheint, als hätten wir auch einen Anstoß für weiterführende Auseinandersetzungen und ganz konkrete Initiativen gegeben.” Die Konferenz war darüber hinaus auch eine Kontaktbörse für künftige Projekte. Woznicki hofft, dass daraus einiges Neues hervorgehen wird.

Abschließend noch der Hinweis auf einen aktuellen Beitrag zum Thema von Philipp Eins bei dradio.de. Weiterführende Informationen gibt es hier: http://berlinergazette.de/symposium/learning-from-fukushima.