Jeder, der schon einmal vor dem Original seines Lieblingsbildes gestanden hat, weiß: Dieser Eindruck ist durch nichts zu ersetzen. Weder Kunstdruck noch Poster, weder Postkarte noch Foto kann die Ausstrahlung wiedergeben, die ein Original hat. Was kann dann ein Museum mit dem Medium Internet anfangen? Ein Rundgang durch die virtuellen Angebote einiger bedeutender Ausstellungsstätten gibt da Aufschluss.

Für viele Kuratoren ist das Internet nicht viel mehr als das letzte Instrument, um Informationen “nach draußen” zu bringen. Öffnungszeiten, Eintrittspreise, Adressen, einige Informationen zu den aktuellen Ausstellungen, darin erschöpft sich zum Beispiel der Auftritt des
Museums für Moderne Kunst München, der
Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, des
Württembergischen Kunstvereins und des
Württembergischen Landesmuseums Stuttgart. Immerhin – wer nur die Basisinformationen sucht, ist hier noch gut bedient. Andere, wie das
Sprengel Museum Hannover, das
Museum Folkwang Essen oder die
Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung München, bieten kaum einen Anreiz, zurückzukehren: Eine lieblose Gestaltung, verbunden mit einer umständlichen Navigation lassen, wie auch im wirklichen Leben, den virtuellen Besucher mit dem Gefühl zurück, dass er hier nicht wirklich erwünscht ist.

Dabei hat das Internet auch einem Museum viel zu bieten. Die museumspädagogische Vorbereitung auf die Ausstellungen kann mit umfangreichen Hintergrundinformationen gespickt werden, die zusammen mit den Abbildungen der Ausstellungsstücke ein bewusstes Sehen erleichtern. Das
Hessische Landesmuseum Darmstadt bietet beispielsweise einen virtuellen Rundgang durch das ganze Museum, und wie im eigentlichen Gebäude kann der Besucher hier entscheiden, ob er dem vorgegebenen Weg folgen möchte oder nach eigenen Interessensschwerpunkten selbst einzelne Räume ansteuert. Auch in der
Staatsgalerie Stuttgart kann man einen Rundgang durch die Sammlung unternehmen, zusätzlich aber auch durch die Gebäude surfen und mehr über die Architektur erfahren, so dass schon beim virtuellen Besuch ein guter Eindruck dessen entsteht, was einen vor Ort erwartet.

Noch tiefer einsteigen kann der Besucher dort, wo die Museumspädagogik von interaktiven Elementen Gebrauch macht. Im
Staedelschen Kunstinstitut Frankfurt kann man den bewussten Blick auf das Kunstwerk mit einem Puzzle trainieren; zusätzlich gibt es die Möglichkeit, sich Bilder als Bildschirmhintergründe und in näherer Zukunft auch als Bildschirmschoner herunterzuladen. Wer es noch genauer wissen will, kann sich hier auch in der Rubrik “Hinter den Kulissen” über Neuerwerbungen, Restaurierungen und Forschungsergebnisse informieren. Ähnlich geht das
Museum für Angewandte Kunst, gleichfalls in Frankfurt, vor. Unter der Rubrik “Ausstellungsreihen” können ganz Mutige ihr Wissen online testen, zum Beispiel bei der Entscheidung, was Original und was Fälschung ist. Abbildungen stehen zum Download bereit, und wenn es auch keinen Rundgang durch das ganze Museum gibt, so besteht zumindest die Möglichkeit, sich die mietbaren Räumlichkeiten in einer Panorama-Ansicht anzuschauen. Als Highlight empfindet das Museum selbst seinen Einsatz neuer Medien (in der realen Welt): Mit WAP, drahtlosem Internet im ganzen Haus und Computerterminals zur Hintergrundinformation wird Museales mit Modernem verknüpft.

Noch mehr state-of-the-art gibt sich die
Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, leider in einer sehr umständlichen und unverständlichen Navigation. In zahlreichen Filmchen werden auf der “Movie-Seite” Ausstellungen und Künstler vorgestellt, Dokumentationen und Konzertmitschnitte angeboten. Erweitert wird dieses Angebot (angeblich) durch Web-TV (KAV-TV), bei dem allerdings nicht klar ist, wann dort tatsächlich ein Programm läuft. Schade – die Idee ist gut, die Umsetzung lässt noch zu wünschen übrig.

Leider wird von den interaktiven Möglichkeiten auf den Museums-Sites noch nicht ausreichend Gebrauch gemacht. Nur wenige Museen bieten Newsletter, Gästebuch oder Foren an, und nur die
Deutsche Guggenheim Berlin und die Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland sind auf die Idee gekommen, dass man auch E-Cards versenden kann. Da, wo es um Geld geht, haben die Verantwortlichen schon öfter die Vorteile des Netzes erkannt. Publikationen, Kataloge und Artikel aus dem Museumsshop können bei der Staatsgalerie Stuttgart, bei der
Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen oder bei der
Hamburger Kunsthalle online bestellt werden. Auch die Anmeldung zu Führungen und Veranstaltungen ist teilweise online möglich, ebenso haben die Fördervereine mancher Museen die Online-Mitgliedschaft entdeckt.

Insgesamt bleibt jedoch der Eindruck, dass die Museen größtenteils die Möglichkeiten, die ihnen das Internet bietet, noch nicht ausschöpfen. Gerade im museumspädagogischen Bereich wären weitaus mehr Angebote denkbar, denn wer mehr Einblick hat und sich mit Spaß auf Kunst einlässt, wird auch öfter die Ausstellungen besuchen. Die Vorreiter – das Museum für Angewandte Kunst Frankfurt, die Staatsgalerie Stuttgart und das Frankfurter Staedel – zeigen ausbaufähige Ansätze. Wünschenswert wäre aber eine noch breitere Einbeziehung der Öffentlichkeit in die musealen Welten.

Erschienen am 17.01.2002