Am Dienstagabend verständigten sich die Spitzen der schwarz-gelben
Koalition darauf, das Gesetz zum Sperren kinderpornografischer Seiten aus dem Jahr 2009 zu kippen. politik-digital.de sprach mit dem SPD-Bundestagsabgeordneten Lars
Klingbeil, Mitglied im Ausschuss für Kultur und Medien sowie in der Enquete-Kommission “Internet und digitale Gesellschaft” über die gestrige Entscheidung.

 

Das Schlagwort “Zensursula” war im Sommer 2009 allgegenwärtig. Um Kinderpornografie im Internet zu bekämpfen, setze die Große Koalition
auf Initiative der damaligen Familienministerin Ursula von der Leyen
(CDU) ein Gesetz zum Sperren entsprechender Internetseiten durch.
Kritiker bemängelten bereits damals, dass die Folgen solcher Sperren
nicht abzusehen seien und man mit einfachsten Mitteln trotzdem auf
pornografische Netzinhalte zugreifen könne. Am gestrigen Dienstag
verständigte sich die schwarz-gelbe Koalition nun
endgültig darauf, das Gesetz zu kippen.
politik-digital.de sprach mit Lars
Klingbeil über die Entscheidung.

Herr Klingbeil, in Ihrer gestrigen Sitzung haben Vertreter der regierungstragenden
Fraktio
nen die endgültige Abschaffung des Internet-Sperrengesetzes aus dem Sommer 2009 beschlossen. Bereits vorher war die Sperr-Praxis ausgesetzt. Ein Zustand, der seitens der SPD-Bundestagsfraktion als rechtswidrig kritisiert worden ist. Sehen Sie Ihre Bedenken nun ausgeräumt?
Die Koalition muss jetzt ein sauberes Aufhebungsgesetz vorlegen oder einem der von den Oppositionsfraktionen eingebrachten Aushebungsgesetze zustimmen. Dann haben wir die Chance, uns bei der Bekämpfung der Kinderpornografie im Internet konsequent aufs Löschen zu konzentrieren. Sperren waren nie ein wirksames Instrument.

Welche weiteren Maßnahmen sind nach Ansicht der Sozialdemokraten beim
Kampf gegen (Kinder-) Pornografie im Internet nun zu treffen?
Wir müssen die internationale Zusammenarbeit beim Löschen intensivieren und mindestens europäisch, besser weltweit zu einem gemeinsamem Vorgehen kommen. Das BKA und die weiteren polizeilichen Behörden müssen personell besser ausgestattet werden, um eine wirksame Löschung zu gewährleisten. Auch die Gründung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften kann ein sinnvoller Ansatz sein.

An dem Zustandekommen des ursprünglichen Gesetzes zu den Internet-Sperren sind die Sozialdemokraten nicht unbeteiligt gewesen. Inwieweit hat Ihnen auch Ihr Wechsel auf die Oppositionsbänke kurz nach Inkrafttreten des nun gekippten Gesetzes dabei geholfen, auf dem Feld der Netzpolitik und im Verhältnis zur “Netzgemeinde” Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen?
Es geht mir nicht darum, der Netzgemeinde zu gefallen, sondern darum, für eine Politik einzutreten, die verantwortlich und sinnvoll ist. Netzsperren sind das Gegenteil davon. Von daher bin ich froh, dass sich diese Meinung zunächst in der SPD und nun auch in der Bundesregierung durchgesetzt hat.

Die FDP – namentlich die Bundesministerin der Justiz – sieht die
gestrige Einigung in ersten öffentlichen Äußerungen als eigenen politischen Erfolg an. Bei Themen wie der Vorratsdatenspeicherung herrscht weiterhin Dissens zwischen den Koalitionären. Lässt sich aus Ihrer Perspektive ein stringentes Regierungshandeln auf den netzpolitisch relevanten Feldern beobachten?

Wenn es einen Bereich gibt, der exemplarisch dafür steht, wie weit sich CDU und FDP mittlerweile inhaltlich voneinander entfernt haben, dann sind es sicher die Bürgerrechte und die Netzpolitik. An vielen Stellen herrscht Stillstand, weil sich die Parteien nicht einigen können. Der ehemalige Innenminister de Mazière hatte ja eine große und ganzheitliche Internetstrategie für Deutschland angekündigt. Zu sehen ist davon nichts. Dabei geht es nicht nur um Netzsperren oder Vorratsdaten, sondern auch darum, endlich die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Potenziale des Internets konsequent zu nutzen.