Der
Rechtsanwalt und Lawblogger Udo Vetter chattete in der Blogsprechstunde
über die schlimmsten juristischen Fallstricke beim Bloggen und
Rechtsrat per Online-Video. „Politiker sollten wissen, dass
das Internet nicht nur aus Terroristen und Pornos besteht“,
ärgerte sich der Anwalt.

Moderator: Herzlich willkommen
zur Blogsprechstunde von politik-digital.de in Kooperation mit den
Blogpiloten. Von 16 bis 17 Uhr ist Udo Vetter im Chat, der auf lawblog.de
über den Juristenalltag bloggt. Sie können Ihre Fragen
an den Lawblogger Udo Vetter bereits jetzt gerne stellen. Wir werden
dann versuchen, sie von 16 bis 17 Uhr zu beantworten.

Moderator: So, ich habe gerade bereits mit Herrn
Vetter telefoniert, wir können dann gleich um 16 Uhr loslegen!
Der Lawblogger Udo Vetter chattet mit uns aus Düsseldorf. Wie
sieht es aus, können wir starten, Herr Vetter?

Udo Vetter: Gerne.

Moderator: Dann zur ersten Frage:

herbert: Über Schäubles Äußerung
„Außerdem bin ich anständig, mir muss das BKA keine
Trojaner schicken" haben Sie sich ja sehr aufgeregt. Warum?

Udo Vetter: Die Strafverfolgungsbehörden
sind dafür da, Straftäter zu ermitteln und Verbrechen
vorzubeugen. Unanständige Menschen sind nicht unbedingt Straftäter.

sinlo: Was halten Sie von der aktuellen Abmahnwelle
in der Blogosphäre? Sind Sie schon persönlich betroffen?

Udo Vetter: Ich habe schon mal einen anderen Blogbetreiber
abgemahnt 🙂 Selbst habe ich erst eine Abmahnung erhalten. Das
waren aber Anwälte in eigener Sache. Wir haben uns freundlich
geeinigt.

pyrrhus: Wie sehen die Reaktionen der Anwaltskollegen
und Richter auf Ihr Blog aus?

Udo Vetter: Es kommt mittlerweile schon mal vor,
dass mich Richter ansprechen. In der Regel positiv. Einer überlegt,
ob er selbst ein Blog anlegt. Er hat jedoch Bedenken, typisch für
Juristen. Richtig ablehnende Reaktionen gab es noch nicht.

hanno: Berichten Sie generell über all ihre
Prozesse etc., oder gibt es auch Tabuthemen?

Udo Vetter: Ich achte auf die Persönlichkeitsrechte
meiner Mandanten. Und ich berichte nur über Verfahren, die
mir interessant erscheinen. Im Blog spiegelt sich nur ein kleiner
Teil meiner Tätigkeit. Ich möchte ja niemanden ermüden.

kartoflös: Warum bloggen Sie als Rechtsanwalt?
Was ist die Intention dahinter?

Udo Vetter: Ich wollte immer Journalist oder Autor
werden. Erst am Ende meiner juristischen Ausbildung merkte ich,
dass mir Anwalt mehr Spaß macht. Übrigens auch heute
noch. Das Blog war die Möglichkeit, mein Interesse am Schreiben
mit dem Juristischen zu verbinden.

samson: Hat Ihr Blog für Sie auch berufliche
Vorteile?

Udo Vetter: Anfangs hatte ich ein Dutzend Leser.
Heute sind es wohl über zehntausend pro Tag. Einen gewissen
Marketingeffekt kann ich wohl nur schwer leugnen.

sillys: Vertrauen Ihre Klienten Ihnen mehr, seit
Sie Ihr Blog haben?

Udo Vetter: Die wenigsten meiner Mandanten wissen
davon. Ich erzähle nicht von mir aus von meinem Weblog. Es
gibt aber immer mal wieder Mandanten, die fragen, wann ihr Fall
mal erwähnt wird.

frogster2: Herr Vetter – wohin geht es mit den
Persönlichkeitsrechten in Deutschland? Big Brother nicht nur
im Fernsehen?

Udo Vetter: Online-Durchsuchung, Operation Mikado,
die jetzt aufflammende Diskussion über flächendeckende
Videokameras – ich habe da kein gutes Gefühl.

Moderator: Können Sie dazu noch etwas mehr
schreiben?

Annika: Was kann man Ihrer Ansicht nach gegen
diese Tendenz tun? Wenn überhaupt?

Udo Vetter: Es sind nicht so sehr die technischen
Möglichkeiten. Es ist mehr die Selbstverständlichkeit,
mit der die Grund- und Bürgerrechte relativiert werden. Der
Zweck, so scheint es, heiligt mittlerweile fast jedes Mittel. Freiheit
ist nur noch dann genehm, wenn sie den Ermittlern nicht im Wege
steht. Äußerungen wie die des Innenministers, dass man
dann das Grundgesetz anpassen muss, passen ins Bild.

cosmo: Woher kommt Ihre grundsätzlich kritische
Haltung gegenüber der Polizei? Sind Polizeibeamte als Vertreter
der Exekutive nicht prinzipiell vertrauenswürdig?

Udo Vetter: Ich bin Strafverteidiger. Ich stehe
beruflich auf der „anderen" Seite. Polizisten sind Menschen
wie du und ich. Es wäre ein Irrtum zu glauben, dass diese Berufsgruppe
nicht fehlbar ist. Dazu kenne ich auch genug Polizisten persönlich,
wir haben gar kein schlechtes Verhältnis.

Christoph_Z: Wären Sie bereit, bis zum Verfassungsgericht
zu gehen, um die Vereinbarkeit von Mikado mit Ihren Grundrechten
überprüfen zu lassen?

Udo Vetter: Die Antragsteller hoffen, dass sie
schon vor den ordentlichen Gerichten Recht bekommen. Allerdings
kommt auch eine Verfassungsbeschwerde in Frage. Die Cicero-Entscheidung
von heute hat auch Entscheidungen der Justiz aufgehoben.

Moderator: Kommen wir einmal zu den juristischen
Fallstricken beim Bloggen. Dazu haben wir viele Fragen:

Torsten: Wie sehen Sie die neuen gesetzlichen
Bestimmungen für Blogs? Kann der Normalmensch mit Datenschutzhinweisen
und Sorgfaltspflicht noch bloggen?

Udo Vetter: Der Datenschutzhinweis ist wohl gar
nicht erforderlich. Jedenfalls haben sich die Gesetze inhaltlich
nicht geändert. Ein Impressum, wie es für alles oberhalb
der privaten Seite erforderlich ist, lässt sich ja einfach
gestalten.

blablogger: Was sind die schlimmsten juristischen
Fallstricke beim Bloggen?

Udo Vetter: Vorsicht bei Interna vom Arbeitsplatz;
die Persönlichkeitsrechte Dritter achten – also keine Beleidigungen;
Marken- und Urheberrechte im Auge behalten.

kuDDel: Hallo, Herr Vetter, ich bin Betreiber
einer Community. Typisch für Communities ist, dass regelmäßig
Strafverfolgungsbehörden anklopfen und Nutzerdaten anfordern
wegen „Internetdelikten". Wie habe ich als Betreiber
darauf zu reagieren?

Udo Vetter: Man sollte immer überprüfen,
ob ein richterlicher Beschluss erforderlich ist und ob er vorliegt.
Informelle Anfragen, auch der Polizei, würde ich nicht zu voreilig
beantworten.

berliner: Und wer ab dem ersten März noch
anonym bloggen möchte, der sollte am besten seine IP-Adresse
verschleiern? (Impressumspflicht/Rundfunkstaatsvertrag)

Udo Vetter: Für rein private Seiten gibt
es ja keine Impressumspflicht. Wer aber wirklich anonym bleiben
will, muss wohl zu derartigen Tricks greifen. Noch ist es ja nicht
verboten, ausländische Bloganbieter zu nutzen.

Moderator: Eine Nachfrage zum Umgang mit Firmen:

Christoph_Z: Wie sieht es mit bloß kritischen
Äußerungen über bestimmte Erfahrungen mit bestimmten
Firmen aus?

Udo Vetter: Wir haben Meinungs- und Äußerungsfreiheit.
Allerdings darf man keine falschen Tatsachenbehauptungen aufstellen
und auch nicht zwischen den Zeilen beleidigen (Formalbeleidigung).
Der Media Markt gibt derzeit ja ein abschreckendes Beispiel. Selbst
die Sau rauslassen, aber Satire nicht vertragen. (Ich hoffe, das
setzt jetzt keine Abmahnung.)

EricPoehlsen: Da stellt sich mir immer die Frage,
wo hört Kritik auf und wo beginnt Beleidigung?

Udo Vetter: Beleidigung liegt dann vor, wenn man
jemanden in seiner Ehre verletzt, man also seinen persönlichen
Achtungsanspruch untergräbt. Das alles ist aber eine Frage
des Einzelfalles, wie so oft.

frogster2: Macht das Gesetz einen Unterschied
zwischen privaten und kommerziellen Bloggern (wie zum Beispiel Onlinemedien)?

Anna Nym: Der Status „rein privat"
sei für Webseiten kaum zu erreichen, wenn sie mittelfristig
bestehen. Wie sehen Sie das?

Udo Vetter: Das ist wohl richtig. Rein privat
ist eine Website wirklich nicht lange. Auch der Begriff „geschäftsmäßig“
ist schwammig, wie so vieles in den Gesetzen von heute.

filid: Mir bereitet die kommende Vorratsdatenspeicherung
durchaus einiges Kopfzerbrechen, denn wie kann man es anderen erklären,
dass verstanden wird, was es für uns alle wirklich bedeutet.
Haben Sie dazu noch Ideen?

Udo Vetter: Wenn Sie nichts zu verbergen haben,
ist das doch kein Problem. Ich sage dazu immer: Wenn Sie nichts
zu verbergen haben, gehen Sie doch nackt auf die Straße. Manchmal
helfen nur einfache Bilder gegen vermeintliche Weisheiten.

der_Alex: Ein wenig zu Ihrer Persönlichkeit,
wie viele Jahre sind Sie bereits als Anwalt tätig?

Udo Vetter: Anwalt bin ich seit 1995. Seit diesem
Jahr auch selbstständig.

n.n.: Was ich eigentlich schon immer mal fragen
wollte: Wie viel Zeit nimmt eigentlich das law blog in Anspruch?
Ich meine nicht nur die Zeit, die für das Verfassen der Beiträge
erforderlich ist, sondern auch die Zeit, die die regelmäßige
Kontrolle erfordert.

Udo Vetter: Eine, anderthalb Stunden pro Tag.
Ich bin kein Langsamschreiber. Die Zeit fürs Kommentarlesen
wird allerdings immer länger.

Max: Wirst du eigentlich oft per eMail um rechtlichen
Beistand gebeten? Und wie gehst du damit um? Hast du schon Fälle
übernommen oder empfiehlst du bestimmte Kanzleien?

Udo Vetter: Ich erhalte sehr viele eMails. Kostenloser
Rat ist natürlich nur in den seltensten Fällen machbar.
Wenn ich etwas nicht kann, empfehle ich Kollegen. Zum Beispiel im
Arzthaftungsrecht und anderen Rechtsgebieten.

Gaudi: Haben Sie schon richtig Ärger durch
Ihr Blog gehabt?

Udo Vetter: Nein, eigentlich nicht. Sogar die
Anwaltskammer hat mir noch keine bösen Briefe geschrieben.

bogdag: Ich möchte auf die Frage von @der_Alex
eingehen. Sie arbeiten seit 1995 als Anwalt, was haben Sie vorher
im beruflich gemacht?

Udo Vetter: Ich habe nach dem Abitur Zivildienst
gemacht. Dann anderthalb Jahre bei Geschichte / Germanistik getrödelt.
Anschließend Jurastudium. Und immer fleißig in meinem
ursprünglichen Traumberuf gearbeitet. Also Berichte über
Männergesangvereine geschrieben.

Christoph_Z: Haben sie mit bösen Briefen
der Kammer gerechnet und wenn ja, wieso?

Udo Vetter: Anfangs ja. Stichwort Zurückhaltungsgebot.
Heute nicht mehr, da Blogs mittlerweile durchschaut sind.

Moderator: Kommen wir einmal zurück zum Onlinerecht,
wozu enorm viele Fragen auflaufen.

Udo Vetter: Okay.

Moderator: Wir müssen allerdings aufpassen,
dass die Fragen nicht zu detailreich werden, dafür bitte ich
um Verständnis.

Gregor Keuschnig: Noch einmal zur Impressumspflicht:
Wenn man einen ausländischen Webanbieter hat (Österreich),
ist man denn dann „geschützt" vom deutschen Impressumsrecht,
oder gilt der „Ort des Bloggers"?

Udo Vetter: Es gilt in Deutschland der Ort des
Bloggens. Deshalb macht es auch keinen Sinn, sich eine .com-Domain
zu holen.

bogdag: Hallo Herr Vetter, wie sieht es in der
Haftung mit nichteigenen, von anderen Leuten veröffentlichen
Inhalten aus, haftet man dafür selber?

Udo Vetter: Grundsätzlich nein. So haben
es zum Glück mehrere Gerichte entschieden. Wenn man allerdings
über Rechtsverletzungen informiert ist, muss man diese beseitigen.
Außerdem tritt eine Überwachungspflicht in Kraft.

frogster2: Werden durch gesetzliche Regularien
wie zum Beispiel erweiterte Impressumspflicht, Verantwortung für
Forenbeiträge et cetera nicht nur Tür und Tor für
geldgierige Abmahner geöffnet und die Freiheit für zum
Beispiel Blogger im Netz stark beschnitten?

Udo Vetter: Ich bezweifle, dass man da viel abmahnen
kann. Viele Blogs sind ja nicht gewerblich. Es fehlt also an einem
Wettbewerbsverhältnis. Nicht jede Rechtsverletzung kann deshalb
in klingende Münze verwandelt werden.

ZillsTunnel: Was würden Sie dem Media-Markt-Anwalt
Steinhöfel sagen (er hat kritische Blogger abgemahnt), wenn
Sie ihn treffen?

Udo Vetter: Ich würde sicher glänzend
mit ihm auskommen. Wir Anwälte können gut zwischen Berufsausübung
und privater Meinung unterscheiden. Allerdings ist sein Stil gewöhnungsbedürftig.
Das sagen andere aber über mich auch.

friendster: Wenn Du bloggst, schreibst du dann
aus der Sicht eines Anwalts und privat, oder vermischt sich das?

paragraph: Wie sehr vermischen Sie Berufliches
und Privates im Blog?

Udo Vetter: Ich schreibe mal über rosa Hemden,
halbe Schweine und andere kuriose Dinge. Allerdings handelt es sich
um weniger als zehn Prozent der Beiträge.

stefan_xyz: Und wenn denn mal „was ist":
Ab wann benötige ich einen Anwalt, und wie kann ich mich gegen
unberechtigte Forderungen schützen?

Udo Vetter: Im Strafrecht würde ich sagen:
Man kann nie zu früh den Anwalt anrufen. Im Zivilrecht bietet
sich eine Beratung an. Die kann später viel Geld sparen.

Annika: Sie haben ja vor kurzem auf dem 23C3 (Kongress
des Chaos Computer Clubs, Anmerkung der Redaktion) einen Vortrag
gehalten. In Bezug darauf – was denken Sie über die bevorstehende
Einführung des so genannten „Hackertoolparagraphen"
und wie sehen Sie die möglichen Folgen?

Udo Vetter: Ich halte die geplante Regelung für
absurd. Das Bundesverfassungsgericht hat erst neulich entschieden,
dass jeder Bürger das Recht hat, seine Daten zu verschlüsseln.

Frank2003: Haben Sie sich in letzter Zeit mit
der Diskussion um so genannte „Killerspiele" beschäftigt
und wenn ja, was halten sie persönlich von der Diskussion und
der angestrebten Gesetzesänderung?

Udo Vetter: Ich bin ein Anhänger der Freiheit.
Es kann jedenfalls nicht angehen, dass erwachsenen Menschen Vorschriften
gemacht werden, unter dem Deckmantel des Jugendschutzes.

just2b: Wird es weiter von Ihnen Videos online
geben?

markush: Wird es von Ihnen in Zukunft Vorträge
zu anderen Themen geben?

Udo Vetter: Gut möglich. Es gibt Anfragen,
ob ich den Vortrag wiederhole. Außerdem muss jemand andere
Themen aufnehmen. Die Kamera war nicht von mir.

Torsten: Mal eine Frage praktischer Natur: Wie
finde ich einen kompetenten Anwalt für Internetfragen, wenn
ich nicht gerade in Düsseldorf bin?

Udo Vetter: Gerade Onlinerecht ist ja wenig ortsgebunden.
Die Anwälte für dieses Thema sind nicht sehr ortsgebunden.
Aber es gibt Auskunftsdienste, zum Beispiel vom Anwaltsverein.

ianironside: Hat sich schon mal ein Mandant beschwert,
dass Sie einen vollen Terminkalender haben, aber Zeit zum Bloggen
finden?

Udo Vetter: Manche Leute wundern sich, dass ich
nicht telefonisch erreichbar bin, obwohl ich gerade was gebloggt
habe. Allerdings sitze ich oft in Gerichtskantinen und arbeite mit
Notebook und UMTS-Karte. Außerdem blogge ich mitunter zeitversetzt
(Zeitmarke bei WordPress).

Pottblog: Glauben Sie, dass die Politiker hierzulande
wissen, was Sie in Sachen „Bundestrojaner" und Co. vorschlagen?
In Nordrhein-Westfalen wurde ja von Befürwortern des Lauschangriffs
auf PCs geäußert, dass die PCs ja ans Internet und damit
ans weltweite Netz angeschlossen sind und damit nicht mehr in der
eigenen Wohnung und der eigenen Privatsphäre wären.

Udo Vetter: Die Inkompetenz in technischen Fragen
ist mit Händen greifbar. Solche Leute kriegen ihre E-Mails
ausgedruckt.

momo: Im „law blog" wird von den Kommentatoren
gerne (und schnell) über die Justiz in Deutschland gewettert.
Sehen Sie persönlich das Ganze auch so negativ?

Udo Vetter: Deutschland ist ein Rechtsstaat, in
dem es sich gut leben lässt. Manche Tendenzen geben Anlass
zur Sorge. Und dass es woanders schlechter ist, kann ja kein Grund
sein, den Mund zu halten. Wem das alles zu kritisch ist, kann ja
auch die Gegenseite bloggen. Das wäre eine Bereicherung.

Moderator: Mal zwei Fragen gebündelt:

markush: Was war Ihr kuriosestes Erlebnis als
Anwalt?

epileptiker: Steht Ihnen manchmal Ihr Humor bei
Ihrer Arbeit im Wege?

Udo Vetter: Im Gerichtssaal gelte ich nicht als
besonders humorvoll. Mein kuriosestes Erlebnis war neulich, als
ich einem hoch gestellten Herrn aus der Justiz im Bordell begegnet
bin. Er kam gerade aus dem Arbeitszimmer meiner Mandantin.

bogdag: Ihr Vortrag „23C3: Sie haben das
Recht zu schweigen" war ja unter den Top Ten bei Google Video
und hat viele Impressions erhalten. Haben Sie damit gerechnet, oder
hat es Sie völlig überrascht?

Udo Vetter: Es hat mich überrascht, aber
Paris Hilton ist bestimmt nicht dauerhaft verschnupft.

Pottblog: A propos „Gegenseite": Gibt
es jetzt eigentlich bloggende Richter und Staatsanwälte, von
denen Sie wissen? Und kommt es vor, dass Ihre „Gegenseite"
ihren Blog kennt und sie darauf anspricht?

Udo Vetter: Ich kenne viele Staatsanwälte
und Richter, die das law blog lesen. Aber darüber gesprochen
wird eher weniger. Das fällt wohl unter Privatsache, die nicht
unbedingt nahe liegende Themen sind.

ares: Welche Gebiete in der Strafverteidigung
vertreten Sie?

Udo Vetter: Im Strafrecht eigentlich alles. Man
soll die Spezialisierung ja nicht übertreiben.

friendster: Woher kam die Idee, ein Juristenblog
zu machen?

Udo Vetter: Ich hatte im zweiten Irakkrieg von
den Bloggern in Bagdad gelesen und bin so bei Blogspot gelandet.
Fünf Minuten später hatte ich mein eigenes Blog.

JM: Was halten Sie von der geplanten Eingrenzung
der Rechtsanwaltkosten für Abmahnungen? Wird dies die Abmahnwut
bremsen können, oder ist es ein Eingriff in die Berufsausübung?

Udo Vetter: Die Beschränkung umfasst ja nur
einen kleinen Bereich, das Urheberrecht. Allerdings ist das auch
nötig, denn mit überzogenen Forderungen wurden viele junge,
ahnungslose Leute finanziell schwer angeschlagen.

Christoph_Z: Ergänzung zur ares-Frage: Gibt
es Pflichtverteidigungen, die Sie ablehnen, beziehungsweise dies
zumindest versuchen?

Udo Vetter: Nein. Es gab mal einen Fall, in dem
ich mit dem Mandanten keine gemeinsame Ebene fand. Ansonsten stehe
ich zu den Aufgaben, die damit verbunden sind.

Moderator: Wir hatten schon darauf gewartet:

momo: Ihre Lieblingsblogs?

Udo Vetter: Es sind ungefähr 257 im Google-Reader
gespeichert. Wirres.net
möchte ich nennen. Es gibt aber unzählige andere, die
mir gerade nicht einfallen.

dummy: So weit ich weiß, dürfen Normalsterbliche
keine Rechtsbelehrungen vornehmen. Dürfen Sie das in einem
Blog oder Video, das sehr viele erreicht?

Udo Vetter: Als Rechtsanwalt habe ich ein Privileg:
Ich darf Rechtsrat erteilen. Also bin ich da fein raus.

RA_Boecker: Hallo Herr Kollege. Was hältst
Du von dem Vorgang Kurnaz? Ist das, was der Presse über den
Vorgang entnehmbar ist, eines Rechtsstaats würdig?

Udo Vetter: Nein, das ist es nicht. Es hätte
schon etwas mehr Anstrengung bedurft, dem Mann zu helfen.

Herr Meyer: Können Sie bei jüngeren
Juristen ein größeres Verständnis für die Probleme
der Formulierung und Anwendbarkeit von Gesetzen auf die virtuelle
Welt erkennen als bei älteren?

Udo Vetter: Die Zahl der Anwälte, die mit
Computern nichts zu tun hat, wird immer geringer. Vor fünf
Jahren sah das noch anders aus.

epileptiker: Sie scheinen sehr gut mit neuen Medien
umgehen zu können. Wer sollte sich da ein Beispiel aus Ihrer
Sicht nehmen?

Udo Vetter: Die Politiker, die Überwachungspakete
schnüren, sollten wenigstens mit einem Notebook umgehen können.
Und nicht nur aus dritter Hand wissen, dass das Internet nicht nur
aus Terroristen und Pornos besteht.

Obiter Dictum: Sie haben im law blog häufig
viele Kommentare zu Ihren Beiträgen und häufiger sieht
man Kürzungen oder Löschungen. Nach welchen Grundsätzen
gehen Sie dabei vor und schaffen Sie das alles noch alleine?

momo: Wie sind Ihre Maßstäbe für
Zensur in Blogs? Haben Sie schon einmal einen Kommentator gebeten,
nichts mehr zu schreiben?

Udo Vetter: Blogs sind eine private Veranstaltung.
Deshalb gibt es dort eigentlich keine Zensur, sondern nur ein Hausrecht.
Es gibt einige Kommentatoren, die bei mir nicht erwünscht sind.
Aber für diesen Status mussten sie richtig hart arbeiten.

Frank2003: Bilden Sie sich durch Lehrgänge
et cetera weiter, oder lesen Sie sich privat viel an? Gerade im
Bezug auf Internet et cetera gibt es ja sehr viele Änderungen.

Udo Vetter: Ich muss mich als Fachanwalt für
Strafrecht zweimal im Jahr seminarisieren lassen. Ansonsten bin
ich ein bibliophiler Mensch. Da bleibt hoffentlich einiges hängen.
Aber vieles durchschaue ich auch nicht mehr, vor allem bei der Jugend
von heute. Das ist keineswegs abwertend gemeint.

Walter: Wenn Sie Frau Zypries wären, welches
Gesetz würden Sie sofort ändern?

Udo Vetter: Ich würde 95 Prozent der Gesetze
gar nicht erlassen. Vieles ist absolut überflüssig und
führt dazu, dass wir in einem Gestrüpp von Verordnungen
die Orientierung verlieren und den Spaß (an der Arbeit und
auch am Privatleben).

evilboy: Was wäre denn zum Beispiel überflüssig?

Udo Vetter: Es ist alles erlaubt, was anderen
nicht nachweislich schadet. Das gilt aber nicht nur für Computer.
Die meisten Gesetze sind überflüssig.

Moderator: Wir bekommen gerade noch sehr viele
Fragen. Wollen wir fünf Minuten länger machen?

Udo Vetter: Auf mich warten nur blaue Akten (also
gerne).

momo: Wird die Bedeutung von Blogs in (absehbarer)
Zeit noch zunehmen? Werden Blogs also zum ernst zu nehmenden Bestandteil
bei der öffentlichen Meinungsbildung?

Udo Vetter: Ich bin nicht das Orakel vom Rhein.
Vor drei Jahren hätte ich mir nicht träumen lassen, dass
das law blog so eine Reichweite hat. Ob das so bleibt? Ich hätte
momentan zumindest kein Problem damit :-).

manuel: Was zum Beispiel durchschauen Sie denn
bei „der Jugend von heute" nicht mehr?

Udo Vetter: Und ja, Blogs sind eine neue Art der
Öffentlichkeit. Schwierige Frage. Ich habe meistens mit jugendlichen
Straftätern zu tun. Ich verstehe manchmal nicht die Gewaltbereitschaft
und die Scheiß-egal-Haltung. Auch wenn sich vieles mit dem
Heimatstadtteil, der Herkunft und der familiären Situation
erklären lässt.

Herr Meyer: Könnten Sie sich eine politische
Karriere vorstellen?

Udo Vetter: Nein, ich würde höchstens
noch einen anderen Beruf machen wollen und das ist Bücher schreiben.

Anna Nym: Ist eine Klausel wie „Es ist allen
erlaubt, was anderen nicht nachweislich schadet" in Zeiten
von Abmahnboom et cetera nicht zu blauäugig gedacht? Es findet
sich doch fast zu allem einer, der sich eine Schädigung konstruiert…

Udo Vetter: Ich wollte damit sagen, dass grundsätzlich
erst einmal die Freiheit wichtig ist. Und dass nicht alles haarklein
geregelt werden muss. Man könnte natürlich auch die Anwälte
abschaffen :-).

JM: Wie stehen Sie als Strafverteidiger zu der
von Frau Ministerin Zypries angedachten Sicherungsverwahrung für
jugendliche Täter?

Udo Vetter: Ein weiterer Offenbarungseid. Man
gibt Kindern und Jugendlichen nicht die gleichen Chancen. Und jenen,
die durch den Rost fallen, wird nicht geholfen, nein, sie werden
weggesperrt. Das ist entsetzlich.

Moderator: So, die Chatzeit ist um. Vielen Dank
an Udo Vetter und die Chatter fürs Mitmachen. In der kommenden
Woche ist Felix Schwenzel von wirres.net
zu Gast in der Blogsprechstunde. Wie immer am Dienstag von 16 bis
17 Uhr bei politik-digital.de und blogpiloten.de. Herr Vetter, ein
Schlussplädoyer?

Udo Vetter: Nein, sondern ein Dank für die
angenehme letzte Stunde. Ich freue mich schon auf weitere Diskussionen,
wo auch immer.

frogster2: Toller Gast, gelungener Chat…Glückwunsch!

uo098: Bei einem so interessanten Menschen möchte
man ja fast straffällig werden *lol*

bogdag: Vielen Dank!!

Moderator: Das Transkript gibt es in Kürze
zum Nachlesen bei politik-digital.de.