Christoph Schlingensief im Chat am 18. Juni 2001

Mit seiner Inszenierung von Hamlet mit aussteigewilligen Nazis auf der Bühne
hat Christoph Schlingensief nicht nur die Öffentlichkeit erregt, sondern auch
das Interesse der Chatter. Ganz genau wollten sie von ihm wissen, wie das mit
den Nazis und der Schweiz ist und was als nächstes Projekt in Richtung Rechtsradikalismus
folgen soll. Aber auch über seine persönlichen Vorlieben sprach Christoph Schlingensief:
Er verriet uns seine bevorzugten Urlaubsziele, seine Meinung über Klaus Wowereit
und wie ein Kabinett mit ihm an der Spitze aussehen könnte.

Bei der Bundestagswahl 2002 werde er nicht noch einmal antreten, aber wenn
ihm jemand das Amt des Bundeskanzlers anböte, "dann lass ich mich nicht zweimal
bitten.
" In seinem Kabinett würde er Helge Schneider eher als Kultur- denn
als Verteidigungsminister einsetzen, denn "Verteidiungsminister brauchen
wir nicht.
"

Doch interessanter ist für Christoph Schlingensief das, was er mit seinen
Aktionen bewegen kann, um die Politik aufzuwecken. Ihm gehe es dabei "nicht
um Publicity für mich, sondern um Publicity für ein Thema, dass unsere Gesellschaft
seit über 20 Jahren fleissig verdrängt. Ich halte nichts vom Projekt des Innenminsiters,
wo der Verfassungschutz für 70 Millionen Mark Neonazis einen Bart anklebt, ihnen
eine neue Telefonnummer gibt und sie dann in Sindelfingen unterbringt
".
Mit seinem eigenen Projekt habe er dagegen schon beachtliche Erfolge erzielt:
"Ziel war: raus aus der rechten Szene, rein in die Gesellschaft. Von den
sieben sind vier mittlerweile ausgestiegen, das sind über 50 %, also mehr als
der deutsche Innenminister mit seinem Projekt "Raus" jemals erzielen wird.
"

Unerwarteterweise habe das Projekt für besonderen Aufruhr in der Schweiz gesorgt,
die Schlingensief bis dahin als "Nazi-frei" betrachtet habe. Inzwischen sei
aber offensichtlich, dass die Schweiz mehr Rechtsradikale habe als Deutschland.
Es sei ihm sogar gelungen, die angeblich nicht aus der Ruhe zu bringenden Schweizer
aufzurütteln, indem er mit Megafon in der Fußgängerzone das Verbot der SVP gefordert
habe. "Danach ist Zürich explodiert. Es gab Sondersendungen im Fernsehen,
kiloweise Artikel und extrem viele Briefe und Anrufe mit den übelsten Morddrohungen,
die man sich vorstellen kann.
"

Folgeprojekte mit aussteigewilligen Rechtsradikalen will Schlingensief in
einer Pressekonferenz am 21. Juni verkünden. Dabei sei auch "eine dreimonatige
Tournee durch den Osten Deutschlands, parallel zur Kanzlerreise
" geplant,
bei der Teile des jetzigen Projektes übernommen würden. Außerdem werde ein Verein
mit dem Namen "Rein" gegründet, der den Jugendlichen bei ihrem Ausstieg helfen
soll.

Auch zum Politikwechsel in Berlin äußerte sich Christoph Schlingensief. Seiner
Meinung nach sei eine Beteiligung der PDS in Berlin lange überfällig: "Wer
so lange rumnörgelt, muss endlich Verantwortung übernehmen
". Zu Klaus Wowereit
befragt, befand er, dieser sei "ein attraktiver Mann. Viel interessanter
als Kennedy
". Die Frage nach homoerotischen Kontakten Schlingensiefs ließ
daraufhin nicht lange auf sich warten. Erfahrungen in dieser Richtung habe er
jedoch nur einmal gemacht, mit einem "Bauernjungen, der mich im Alter von
8 Jahren versucht hat zu verführen. Ich bin aber abgehauen
". Ansosnten habe
er im sexuellen Bereich extreme Ladehemmungen.

Erholen kann er sich am besten im bevorzugten Urlaubsziel Afrika: "Ich
empfehle Namibia, Zimbabwe oder Sambia.
" Die Finger solle man von Südafrika
lassen, denn dies sei "ein kommerzialisiertes Anti-Apartheidsprogramm".
Auch für die weiter entfernt liegende Zukunft hat er jetzt schon Pläne: "Ich
möchte auf alle Fälle wieder einen Film drehen. Den kann ich dann, wenn ich
mit Schlaganfall im Rollstuhl sitze, einlegen und an früher denken. Ich könnte
mir aber auch vorstellen, Bauer zu werden.
"

Das ausführliche Transkript finden sie hier.

 


Kommentieren
Sie diesen Artikel!





Diskutieren
Sie mit anderen in unserem Forum!