2011_Foto_Ute_Pannen-gutes FormatgroßNEU         Mit dem Verein Netzdemokraten holte sie den Alt-Hippie und -Kommunarden Rainer Langhans in die „Wechselwähler-WG“, und die Social Media-Strategie des Vatikans findet sie super. Porträt der digitalen Mentorin und Vordenkerin Ute Pannen.
Sie ist Vordenkerin in puncto „digitales Lernen“ und eine der immer noch wenigen Frauen in der netzpolitischen Szene. Dass Ute Pannen gern ungewöhnliche Wege geht und keine Angst davor hat, ihre Pläne auch wieder über den Haufen zu werfen, zeigte sich schon früh. Nach einem Lehramtsstudium in Oldenburg überlegte die heute 36-Jährige: „Wenn ich jetzt mit 25 Jahren Lehrerin werde und in die Provinz gehe, dann passiert nichts mehr in meinem Leben, das kann nicht sein“. Also folgte sie ihrem Interesse für zeitgenössische Kunst und Politik und zog nach Berlin. Das war weniger die Entscheidung gegen den Lehrberuf als vielmehr die Entscheidung für ein intensives Engagement im Bereich digitales Lernen und Netzpolitik.

Viele Projekte und ein roter Faden

Die Medienwissenschaftlerin ist als Beraterin für Social Media- Strategien tätig, als Publizistin für politische Kommunikation und sie unterrichtet an der Heinrich Heine-Universität Düsseldorf Online-Campaigning. Ute Pannen ist darüber hinaus Mitglied des Expertenbeirats der Friedrich-Ebert-Stiftung zur Enquete- Kommission Internet und Digitale Gesellschaft, Mitgründerin des Gesprächskreises Netzpolitik & Digitale Gesellschaft der SPD, hat den Verein Netzdemokraten e.V. mitgegründet und betreibt zudem noch ein eigenes Blog: „Das, was ich mache ist sehr vielfältig, aber ich verfolge immer einen roten Faden: die Auseinandersetzung mit gesellschafts- und bildungspolitischen Themen, mal aus der einen, mal aus der anderen Perspektive,“ beschreibt Pannen die Gemeinsamkeit ihrer zahlreichen Projekte.
Zum Thema Netzpolitik kam sie, als sie 2007 an der Columbia University in New York studierte und zum Thema “Campaigning Online. Hillary TV and Barack TV” forschte. Als sie sich mit den Online-Praktiken der US-Regierung auseinandersetzte, entdeckte sie übrigens durchaus Parallelen zwischen Obamas Online-Wahlkampf und der Kampagnen-Strategie des Vatikans. Beide seien im Stil des Grassroot-Campaignings organisiert, das die eigenen Mitglieder zu Botschaftern der Kampagne macht. Und das hält sie für ziemlich überzeugend.
Aus den USA zurück in Deutschland, trat Ute Pannen in die SPD ein und gründete ein Jahr später, gemeinsam mit Kollegen aus dem Bereich politische Bildung und Kommunikation, den gemeinnützigen Verein Netzdemokraten e.V.. Die Netzdemokraten realisieren seither digitale Projekte mit bildungspolitischem Hintergrund, wie die Suchmaschine für Partizipationsangebote, „meine-demokratie.de“ oder die „Wechselwähler-WG“ aus dem Wahljahr 2009. In der Wechselwähler-WG diskutierten sechs politisch noch unentschlossene JungwählerInnen mit Spitzenpolitikern und dokumentierten ihren Meinungsbildungsprozess. Einer der Besucher in der Wechselwähler-WG war Rainer Langhans, der als „Urvater der politischen WG“ einen guten Gesprächspartner für die junge Generation abgibt, findet Ute Pannen.

Herausforderung: Digitales Lernen

Das aktuellste Projekt der Netzdemokraten heißt „Medienmentoren“ und fördert digitales Lernen und Medienkompetenz im schulischen Umfeld. „Medienkompetenz“ sagt Pannen, „ist eine wichtige Voraussetzung um überhaupt online partizipieren zu können“. Das Projekt verfolgt das Ziel, Schüler im Alter von 14 bis 16 Jahren zu „Medienmentoren“ auszubilden, um jüngeren Mitschülern Medienkompetenz und Hilfestellung im Umgang mit sozialen Netzwerken zu vermitteln. „Meistens wissen die Schüler schon, wie sie verantwortungsvoll mit sozialen Netzwerken umgehen sollten, das sie ignorieren das oft,“ stellt Pannen fest. So geht es ihr und dem Verein um ein mediales „Empowerment“ für Schüler und Lehrer, eine wichtige Voraussetzung, um in der digitalen Gesellschaft bestehen zu können. Der kompetente Umgang mit Facebook und Co. sei für die Generation der „digital natives“ außerdem eine gute Vorbereitung auf digitale Arbeitsverhältnisse, die viele von ihnen im späteren Berufsleben vorfinden werden. Schulen können sich selbst für das Pilotprojekt bewerben.
Die größte Herausforderung für die Zukunft des digitalen Lernens ist für Ute Pannen das System mit seinen veralteten Strukturen. Wenn es zum Beispiel wie beim Thema „Open Educational Resources“ (OER) um freie Lerninhalte und Materialien geht, öffneten etablierte Schulbuchverlage sich oft noch zu wenig für neue Konzepte und Kooperationen. „Die meisten Verlage verstehen unter Digitalisierung, Schulbücher als PDFs zur Verfügung stellen, nicht aber neue Lerninhalte digital aufzubereiten“, kritisiert Ute Pannen diese fehlende Bereitschaft.

Engagement in der Männderdomäne “Netzpolitik”

In der netzpolitischen Szene ist Ute Pannen eine der bisher wenigen aktiven Frauen. So hat die gebürtige Rheinländerin 2010 den SPD-Gesprächskreis „Netzpolitik und digitale Gesellschaft“ mitgegründet, der regelmäßig Vorträge und Diskussionen zu netzpolitischen Themen organisiert. „In der Politik reden Männer ja generell mehr als Frauen. Das ist bei Netzpolitik nochmal stärker der Fall“, ist ihre Wahrnehmung. Wenn sie auch nur ungern Stereotype bedienen möchte, glaubt Pannen, dass Netzpolitik für Frauen attraktiver werden kann, wenn sie ihr „genuin technisches“ Image verliert. So hofft sie, dass Bildung und digitales Lernen eine thematische Brücke schlagen könnten, um mehr Frauen für die Netzpolitik zu begeistern. Ute Pannen selbst muss nicht mehr begeistert werde, sie widmet sich ihren Themen mit großem Engagement und hat merklich Spaß an ihren zahlreichen Tätigkeiten. Besonders gefallen ihr Projekte, bei denen es um Zusammenarbeit und Kommunikation geht, wie bei Trainings, Workshops oder ihrem Lehrauftrag am kulturwissenschaftlichen Institut der Heinrich Heine Universität.

Visionen für eine digitale Öffentlichkeit

Für die Medienwissenschaftlerin, die zu Themen des digitalen Wandels lehrt und forscht, war die Entstehung der Piratenpartei eine der größten Veränderungen hin zur digitalen Öffentlichkeit. Sie habe den anderen Parteien deutlich gemacht, dass sie transparenter und partizipativer arbeiten müssen. Die etablierten Parteien sollten daher Forderungen nach Bürgerbeteiligung und Transparenz sehr ernst nehmen und ihre Parteiprogramm nicht erst dann online diskutieren lassen, nachdem sie bereits geschrieben und formuliert wurden.
Für die Zukunft erhofft sich Ute Pannen insgesamt eine größere Einbeziehung von netzpolitischen Themen in parteipolitische Prozesse: „Netzpolitik wird in Zukunft aber gar nicht mehr so sehr als eigenes politisches Thema im Vordergrund stehen“, prophezeit sie. Stattdessen sollte „jedes Ressort und jedes Gremium den digitalen Aspekt mitdenken“. Bei der Frage, ob sie selbst von Zeit zu Zeit auch mal negative Effekte der Digitalisierung, wie die ständige Erreichbarkeit, spüre, wird Ute Pannen nachdenklich: „Ich hatte auch so meine Stresserfahrungen und habe dann beschlossen: jetzt nicht mehr.“ Heute hält sie sich mehr an klassische Arbeitszeiten als früher. Mit dieser Einstellung, engagiert und mit Leidenschaft ihren Beruf auszuüben und dennoch die eigenen Grenzen zu kennen, kann Ute Pannen womöglich selbst zur Mentorin werden und ein Vorbild für junge Menschen sein, die ihren Platz zwischen digitalem Lernen und Arbeiten noch finden müssen.
 
Bild: Detlef Eden
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