(Kommentar) 230 Mails im Posteingang – und das meiste davon Spam. Darüber ärgert sich auch Eberhard Blocher, Geschäftsführer der East African Homepages KG, jeden Tag. Für politik-digital.de bewertet er die verschiedenen Maßnahmen im Kampf gegen den unerwünschten Datenmüll.

Die Überschrift ist vielleicht etwas reißerisch, aber
ich denke wirklich, dass das Internet so langsam am Ende ist. Seit
etwa 13 Jahren nutze ich täglich E-Mail, aber noch nie habe
ich Spam in einem Umfang erlebt, wie er dieses Jahr eintrifft.

Vor einigen Wochen habe ich einen Selbstversuch
zum Thema Spam unternommen. Hintergrund war die Tatsache, dass ich
viele augenscheinlich gut gemachte Spams erhielt, deren Absenderadresse,
wie üblich, gefälscht war. Doch die zugehörige Domain
existierte seltsamerweise noch nicht einmal. Ich habe diese daher
kurzerhand registriert und erhielt innerhalb kurzer Zeit sehr viele„Rückläufer”:
automatische Antworten von den Spam-Empfängern, beispielsweise
als Abwesenheitsnotiz oder wegen „falscher” Empfängeradresse.
Es zeigte sich, dass erstaunlich viele der Spam-Empfänger in
nur wenigen Ländern zu finden waren, in diesem Fall meist Deutschland,
Schweiz, Österreich und Skandinavien. Es gab kaum Rückläufer
aus anderen Kontinenten. Das Internet ist also gar nicht so international,
wie man vielleicht denken könnte.

Spammer und Gespammte im Rüstungswettlauf

Im Kampf gegen Spam verfolgt man verschiedene Ansätze: Schon
im fünften Jahr veranstaltet eco
– der Verband der deutschen Internetwirtschaft e.V.
– Anfang
September in Köln wieder den Anti-Spam-Gipfel. Einen Tag lang
werden dort Experten aus ganz Europa und darüber hinaus Statistiken
über das Spamaufkommen vorstellen, technische Lösungen
präsentieren und von Erfolgen bei der Bekämpfung von Spam
mit juristischen Maßnahmen berichten. Werden sie einen Schritt
nach vorne machen? Das darf bezweifelt werden.

Technische Maßnahmen gegen Spam sind sicher wichtig und richtig.
Nach vielen Jahren des Zögerns bin auch ich zu diesem Entschluss
gekommen. Doch ein Unbehagen bleibt. Vor allem die Angst vor den
berüchtigten „False Positives” sitzt tief. Was,
wenn mich ein wichtiger Auftrag nicht erreicht, weil er fälschlicherweise
im Spamfilter hängengeblieben ist? Begeben wir uns hier nicht
in einen Rüstungswettlauf, der letztlich nie zu Ende sein wird?

Wenn Spams mit intelligenten Wortfiltern eliminiert werden, weichen
die Versender eben auf graphische Werbung aus, oder sie gestalten
ihre E-Mails noch intelligenter, als es die Filter sind. Menschen
sind schließlich Computern in der Intelligenz immer noch weit
voraus: Sprachwissenschaftler bestätigen, dass Menschen Wörter
auch dann erkennen können, wenn einige Mittelbuchstaben fehlen.
Doch Filter sind dann schnell am Ende – und der Spam wird doch zugestellt.
Ziel verfehlt, setzen. Oder die Werbung wird in Anhängen versteckt,
seit einigen Wochen etwa in PDFs. Dadurch wird das Problem verschlimmert,
da sich die Größe des Mülls und damit die Netzwerkbelastung
vervielfacht.

Anti-Spam-Gesetze scheitern

Manche haben auch seit Jahren gehofft, den Spam-Versendern mit
juristischen Mitteln entgegentreten zu können. Dieser Ansatz
ist nicht ganz verkehrt: Die langjährige Erfahrung zeigt, dass
die Anzahl der Spam-Versender erstaunlich klein ist. Es müssen
mitnichten tausende von Bösewichten identifiziert und weggeschlossen
werden; oftmals geht das versendete Spamvolumen signifikant zurück,
wenn nur eine Handvoll Schurken geschnappt werden. Dennoch ist es
auch hier wieder ein Wettlauf zwischen Hase und Igel. Das bekannteste
Beispiel für diesen Ansatz, der US-amerikanische „Can-Spam-Act
aus dem Jahre 2003, kann im Abstand von einigen Jahren durchaus
als gescheitert angesehen werden. Das Gesetz verbietet unter anderem
uneindeutige Absender und irrführende Betreffzeilen und schreibt
vor, dass eine funktionierende Rücksende-E-Mail-Adresse angegeben
werden muss. Alles Punkte, die Spammer nach wie vor fröhlich
missachten, da die Konsequenzen ausbleiben.

Was folgt? Hier ist die Internet-Gemeinschaft gefordert. Weder
technische noch juristische Lösungen führen letztlich
weiter. Die Politik muss handeln, auch
ICANN
als „Welt-Internetregierung”, zuständig
für die Vergabe von Namen und Adressen im Internet und für
technische Standards. Da ich aus eigener Erfahrung vermute, dass
sich ICANN hier sehr schwer tut, muss dieser Hund zum Jagen getragen
werden. Das geht nur durch einen stärkeren Einfluss nationaler
Regierungen, gerade im Governmental
Advisory Committee
, dem „Regierungsbeirat“ in der
„Welt-Internetregierung“, dem bisher nur beratende Funktion
zukommt.

Eberhard Blocher ist Diplom-Volkswirt und Geschäftsführer
der East African Home
Pages KG
mit Sitz in Köln. Er beteiligt sich regelmäßig
an Diskussionen über die Zukunft des Internets, etwa auf dem
UN-Weltgipfeln zur Informationsgesellschaft oder dem eco-Anti-Spam-Gipfel.