Mit altbekannten Forderungen will die New Economy der Politik Dampf machen, doch noch beherrscht sie
das ABC des Wirtschafts-Lobbyismus nicht perfekt.

Erst herrscht Polit-Tourismus in der deutschen Start-up-Szene: Die CDU bläst unter Führung des frischgekürten
Internetsprechers Thomas Heilmann, Geschäftsführer der Werbeagentur Scholz & Friends, zur Internetoffensive.
Und so streift Fraktionsvorsitzender Friedrich Merz samt Bundestagskollegen Ende Juni zu später Stunde
staunend durch die Räume des Berliner Meinungsportals dooyoo, sein Generalsekretär Ruprecht Polenz
inspiziert den First Tuesday und die Regierungspartei reagiert prompt. Eine Woche später bittet
SPD-Generalsekretär Franz Müntefering 22 Vertreter der digitalen Wirtschaft zum Abendessen.

Ein neues politisches Schlachtfeld ist eröffnet: Die New Economy. Dem Sieger winken eine neue, spendenstarke
Wählerklientel sowie ein medienkräftiges Thema mit Hip-Bonus. Geduldig hören sich deshalb die Volksvertreter
die Klagen der AG-Jung-Vorstände an und versprechen artig eine Vertiefung der gewonnen Erkenntnisse im
parlamentarischen Betrieb – erst nach der parlamentarischen Sommerpause versteht sich. Das ist
dooyoo-Mitgründer Felix Frohn-Bernau natürlich viel zu spät: "Gleich morgen früh sollten sie anfangen",
fordert er energisch und doch vergebens. Er ahnt: "Im Zweifel gibt es die subventionsstarke Unterstützung
doch wieder für die Old Economy."

Und so überwiegt bei der New Economy die Skepsis über das, was aus Berlin und Brüssel von der
Vätergeneration kommt. Enttäuscht vom politischen Establishment charakterisiert sich
Intershop-Gründer
Stephan Schambach heute als "Parteiagnostiker". Seine klare Vorstellung von der Rolle, die Politik in der
Neuen Digitalen Welt zu spielen hat, lautet: "Sie soll Polizist sein und nicht Lehrer. Es geht nicht darum,
den Bürgern und Betrieben zu sagen, was sie tun sollen, das wissen die schon selber." Kreative Impulse
erhofft er sich dagegen nicht. Die jungen Macher schwanken also zwischen offener Ablehnung und
konstruktivem Dialog. Und so bleibt fürs erste viel Cross-Promotion nach dem Motto: "Ich lobe Deine
Aufgeschlossenheit und Du meine."

Szenenwechsel: Einen Tag nach der dooyoo-Exkursion sitzt Heilmann dann zum Streitgespräch mit seinem
SPD-Counterpart Jörg Tauss (SPD) im Hotel Adlon. Gastgeber ist der Online-Geschenkdienst
youSmile.de,
der das Polit-Thema als medienwirksamen Promo-Turbo für die Unternehmensdarstellung gefunden hat und
nun – stellvertretend für Deutschlands Start-up-Szene – Forderungen an die Bundespolitik erhebt. Doch Streit
will bei diesem Evangelisten-Treffen von Neuer Wirtschaft und alter Politik nicht so recht aufkommen, alle
Beteiligten kennen die Gebote des Net-Business. Die Kritik der New Economy an der Berliner Politik, verpackt
in einem 8-Punkte-"Forderungskatalog" bleibt pauschal und trifft daher die Parteienvertreter nicht. Denn das
demonstrativ jugendlich-legere Auftreten der Start-up-Vertreter steht im offenen Widerspruch zu den altbekannten
und schlagwortartigen Klagen von der Überregulierung, dem internationalen Wettbewerbsdruck und dem Wunsch
nach massiver Unterstützung, sprich Subventionen, wie sie die Politik als konstantes Wehklagen der Old
Economy bereits in den Ohren hat.

Neu und New Economy-spezifisch sind die Fragen der steuerlichen
Belastung von Mitarbeitern, die mit Aktienoptionen bezahlt werden, sowie von Business-Angels, die sich
an vielversprechenden Start-ups mit Geld und Know-how beteiligen. Angesichts widersprüchlicher Kritik
an der Berliner Politik- mal "zu langsam" (Steuerrecht), mal "zu kurzfristig" (UMTS-Lizenzen) – mahnte Tauss
die youSmile-Macher zur Konsistenz: "Wenn Sie Rechtssicherheit wollen, müssen sie akzeptieren, dass
diese automatisch mit Gesetzen verbunden ist." Auch die Forderung, die Milliarden-Einnahmen aus der
Versteigerung der UMTS-Lizenzen statt zum Schuldenabbau komplett in den Ausbau der New Economy
zu investieren, findet wenig Anklang. Heilmann: "Ich wüßte gar nicht, wo wir da soviel Geld sinnvoll anlegen
sollen." Für die Start-Up-Gründer geht es offensichtlich um die schnelle Mark in kurzer Zeit. Die Lösung der
Mitarbeiterfrage ist deshalb für sie vorrangig eine steuer- und betriebsrechtliche. CDU-Heilmann ist dagegen
an langfristigen Lösungen interessiert und sieht die Prioritäten anders: "Mit einer Reform des Bildungswesens
müssen wir auf die Herausforderungen der New Economy schnell reagieren", eine bloße flächendeckende
Vernetzung reiche nicht, um eine Wissenslücke zwischen Informationsreichen und analogen Habenichtsen
zu verhindern und qualifiziertes Personal am eigenen Standort heranbilden. Heimische Online-Elite statt
Profi-Import per Green-Card, lautet die Strategie.

Während der youSmile-Forderungskatalog wohl als Eintagsfliege folgenlos ins digitale Nirvana verschwindet, will
dooyoo-Chef Frohn-Bernau der deutschen Start-up-Szene eine feste institutionelle Stimme geben. Ein Verein
soll her, der im Wettstreit mit etablierten Verbänden wie dem Deutschen Multimedia Verband
(dmmv) oder dem eco Forum
Einfluss auf die Multimedia-Politik nimmt."Wir wollen nicht nur die bestehenden Regelungen kritisieren, sondern
konstruktiv eigenständige Vorschläge erarbeiten", betont Felix Frohn-Bernau, Sprecher der Initiative.
Firmenbeiträge sollen Professionalität bei der Lobbyarbeit gewährleistet. Nachdem jedoch das erste Treffen
zur Vereinsgründung ergebnislos verlief, soll es diese Woche im zweiten Anlauf klappen.

Während die Next Generation also noch an den Grundstrukturen ihrer heimischen Lobby-Arbeit feilt,
arbeiten die etablierten Player mit der Suche nach einem geeigneten Europa-Kandidaten für die Wahl der
Internet-Organisation ICANN schon längst an der internationalen Ausdehnung ihres Einflussbereiches. Noch haben
die dynamischen Vertreter das ABC des Profi-Lobbyismus also gelernt. Wie geschmiert es dagegen bei der
Old Economy läuft, zeigt das Beispiel IBM: Während Deutschland Chef Erwin Staudt als Sprecher der
Initiative D21 die Internet-Politik der Bundesregierung mitformuliert,
berät sein oberster Öffenlichkeitsarbeiter Thomas Mickeleit als Mitglied einer frischgegründeten
Internet-Kommission die CDU-Opposition. Per Doppelpass zum Ziel lautet die Devise oder wie ein routinierter
Lobbyist mit Blick auf die Bemühungen der Start-ups formuliert: "Lieber mittendrin, als nur dabei."

Zentrale Forderungen der New Economy

1. Keine Ad-Hoc-Besteuerung von Firmenanteilen
2. Einbeziehung von Stock-Options als Bemessungsgrundlage für die Green-Card-Aufenthaltserlaubnis
3. Großzügigere Bemessungsgrundlage bei der Besteuerung von Anteilen und Aktivitäten für Business-Angels
4. Chancengleichheit bei der Vergabe der UMTS-Lizenzen
5. Keine zusätzliche Besteuerung von Internet-Dienstleistungen
6. Keine zusätzlichen Gesetze zur Regelung des Internet-Business
7. Flexibilisierung des Arbeitsrechts