EU-Kommission will Europas Verwaltungen besser aufeinander abstimmen und hat dazu
das Programm ‘Interoperable Delivery of pan-European eGovernment Services to Public Administrations, Business and Citizens (IDABC) eingerichtet.

Wie gut funktioniert in Europa der Austausch von Informationen? In den Augen der EU-Kommission behindern noch immer zu viele Sprachprobleme und technische Hindernisse eine reibungslose Zusammenarbeit zwischen den Behörden Europas. Deshalb will die Kommission mit ihrem neuen Programm
IDABC jetzt den Datenfluss deutlich beschleunigen. Das eGovernment-Projekt IDABC steht für Interoperabilität europaweiter elektronischer Behördendienste für öffentliche Verwaltungen, Unternehmen und Bürger’. Hinter diesem komplexen Label verbirgt sich eine einfache Botschaft: Europas Bürger und seine Unternehmen sollen direkt von einem gesamteuropäischen Verwaltungsnetz profitieren können. In einem ersten Schritt werden seit Anfang des Jahres die von den Mitgliedsländern der EU angebotenen eGovernment-Projekte technisch besser aufeinander abgestimmt. Bis 2009 soll dann eine reibungslose Infrastruktur für grenzüberschreitende Verwaltungsaufgaben aufgebaut sein, nicht zuletzt durch die gezielte Förderung von Open-Source Anwendungen und offenen Dokumentstandards.

Harmonisierung auf Knopfdruck?



Um in Europa Daten austauschen zu können, müssen zunächst einige sprachliche wie kulturelle Hürden überwunden werden. Mit mehr als 20 Amtssprachen und einer Vielzahl verschiedener Arbeitskulturen bedarf es der Vereinbarung akzeptierter Regeln und auch gemeinsamer technischer Standards. Bereits kleinste Unstimmigkeiten können hier fatale Auswirkungen haben. So kann ein Online-Formular verschiedener Mitgliedsländer, in dem beispielsweise von einem ‚Preis’ die Rede ist, von der einen Behörde als Preis pro Stück, von der anderen als Endpreis verstanden werden. Eine eGovernment Konferenz unter italienischer Präsidentschaft nahm im Sommer 2003 in Como (Italien) derlei Probleme zum Anlass, die Harmonisierung der digitalen Verwaltung weiter voranzutreiben. Alle EU Mitgliedsländer und die damaligen Beitrittskandidaten verpflichteten sich zum Aufbau technischer eGovernment Standards. Doch wie stimmt man so viele verschiedene Behörden aufeinander ab? IDABC ist der Versuch, diese Mammutaufgabe zu bewerkstelligen. Dabei kommt der Definition von gemeinsamen technischen Standards eine besondere Bedeutung zu. Der Leitfaden European Interoperability Framework’ (EIF) soll nationalen Behörden ermöglichen, nur solche Software zu verwenden, die mit den anderen Mitgliedsstaaten kompatibel ist. Seit November 2004 steht EIF Behörden, Unternehmen und Privatpersonen zur Verfügung und wird regelmäßig erneuert. Wie nützlich EIF im Alltag aber tatsächlich ist, bleibt fraglich. Bis heute ist es nämlich nicht möglich, die von der Kommission und nationalen IT-Experten ausgearbeiteten Richtlinien auf einzelne Software-Produkte anzuwenden. Ob die digitale Steuererklärung somit technisch mit der des EU-Nachbarn übereinstimmt, bleibt auch mit EIF Ermessenssache.

Migration auf Open Source

Neben der reibungslosen Zusammenarbeit steht besonders das Thema Open-Source Anwendungen im Zentrum des IDABC Projekts. Zahlreiche
Studien widmen sich dem Thema Interoperabilität und Open-Source Produkte. Die Kommission unterhält dafür ein eigens eingerichtes
‘Open-Source Observatory’, eine Art Nachlagewerk für den erfolgreichen Einsatz von Open-Source Anwendungen an verschiedenen Punkten des Verwaltungsnetzes. Eine Open-Source Migrationsrichtlinie bietet praktische Empfehlungen, wie die jeweilige Behörde am besten zu einer Linux-basierten Anwendung wechseln kann. Angefertigt wurde der Leitfaden von IT-Experten des öffentlichen Sektors aus Dänemark, Finnland, Italien, Deutschland und Schweden. Ob die Initiativen von IDABC aber tatsächlich die Auswahl von Software durch nationale Behörden beeinflussen kann, bleibt abzuwarten.

Offene Standards bei Dokumenten

Ein weiterer zentraler Baustein der IDABC-Initiative ist die Unterstützung offener Standards für Dokumentformate. Anders als heutzutage werden Dokumente mit einem offenen Standard nicht durch einige wenige Anbieter kontrolliert, sondern sind unabhängig vom jeweiligen Office-Paket lesbar. Der Vorteil liegt auf der Hand: die Kommunikation zwischen Bürger, Unternehmen und Verwaltung ist nicht abhängig vom Verhalten der Industrie und die Zugänglichkeit der Informationen ist für alle sichergestellt. Im Diskussionsforum Open Forum Europe’ (OFE) präsentiert die EU-Kommission erste Diskussionsergebnisse mit den zentralen Industrieakteuren Microsoft, Sun und IBM. Der Weg zu einem offenen Dokumentformat ist weit: Neben den Industrieakteuren müssen auch die Bürger vom Nutzen eines neuen Dokumentformats überzeugt werden. Die technische Umsetzung könnte dann durch eine Kombination von Open-Source Produkten (zum Beispiel XML-basierend) und einem förmlichen Standardisierungsverfahren erfolgen. Die EU-Kommission schlägt vor, dass von der
OASIS (Organization for the Advancement of Structured Information Standards) zur Entwickung eines offenen Standards entworfene Datei-Format
Open-Office.org zu etablieren. Eine Einigung auf einen solchen offenen Dokumentstandard vor dem geplanten Projektende von IDABC im Jahre 2009 ist heute noch nicht in Sicht. Zu groß sind die widersprüchlichen Interessen von Industrie und Verwaltung. So dürfte also auch das Nachfolgeprojekt von IDABC weiterhin mit den Fragen offene Standards und Interoperabilität konfrontiert sein.

Erschienen am 29.09.2005


Kommentieren Sie diesen Artikel!


Diskutieren Sie mit anderen in unserem Forum!