18161731052_0a93dbd02c_zSoziale Netzwerke sind Horte der politischen Auseinandersetzung, ob es uns gefällt oder nicht. Facebook ist mit 28 Millionen Nutzern das größte Netzwerk hierzulande und somit als Teilöffentlichkeit mittlerweile eine Sphäre für gesellschaftliche Meinungs- und Willensbildung. Experten kritisierten immer wieder das Unternehmen für seinen suggestiven Einfluss. Doch sind die Nutzer selbst tatsächlich nur Opfer?    

Wissenschaftler und Journalisten streiten sich seit geraumer Zeit über die Auswirkungen, die ein soziales Netzwerk wie Facebook auf unsere Meinungsbildung entfaltet. Vor einigen Monaten bezeichnete der Literaturkritiker Ijoma Mangold in seinem Beitrag in „der Zeit“ das soziale Netzwerk Facebook als „Spielwiese des Denkens“ und verwies auf die Bereicherung durch die Kommentarfunktion für journalistische Beiträge. Das sah Adrian Lobe in einem FAZ-Artikel anders und konterte mit Kritik an der Zensurpolitik des Unternehmens. Auf der einen Seite sperrt der Sittenwächter Facebook Bilder aufgrund nackter Körperteilen, auf der anderen Seite werden Hasskommentare toleriert.

Zensur, Algorithmus und Filterblase

Facebook arrangiert länderspezifische Zensurpolitiken und biedere sich folglich autoritären Regimen an, meinen Beobachter. Allerdings gilt das nicht nur für die Türkei oder China. Denn auch in Deutschland werden etwa auf Grundlage des Verbots der Holocaustleugnung Inhalte zensiert. Inwieweit Facebook sich „anbiedert“ oder leidglich seine Existenz in derartigen Ländern absichert, bleibt diskussionswürdig. Umstritten ist außerdem, welcher Algorithmus unseren Newsfeed gestaltet. Werden wir in einer Filterblase intellektuell isoliert, wie einige behaupten? Wird uns eine Art Wohlfühluniversum vorgesetzt, in dem wir unsere Meinung nur bestätigt bekommen? Hier herrscht ein Meinungsstreit unter den Experten. Erst vor einigen Monaten fanden – Facebooks hauseigene – Sozialwissenschaftler in einer Studie heraus, dass tatsächlich eine politische Filterblase bestehe. Diese sei aber lediglich marginal. Demnach ist eine selektive Wahrnehmung von Nutzern größer, als die berechnete Wahrscheinlichkeit einen Artikel deshalb nicht sehen zu können, weil er nicht der eigenen politischen Position entspricht.

Facebook-Nutzer wenig motiviert zu Online-Diskussion

In demokratischen Gesellschaften können verschiedene Differenzen zwischen (aber auch innerhalb von) politischen Spektren und Parteien öffentlich bestehen. Wie gehen wir selbst damit um, wenn wir uns in virtuellen Sozialräumen befinden? Es scheint zumindest nicht so, dass Nutzer von sozialen Netzwerken wie Facebook selbst ein großes Interesse an politischen Kontroversen haben. Einer US-Studie zufolge gibt es hier sogar eine geringe Diskussionsbereitschaft. Während 86% der US-Amerikaner angaben, offen für eine persönliche Diskussion über das NSA-Überwachungsprogramm der Regierung zu sein, sank diese Zahl in sozialen Netzwerken auf gerade einmal 41%. Wissenschaftler gehen davon aus, dass sich in sozialen Netzwerken die sogenannte „Schweigespirale“ besonders zeige. Diese umstrittene Theorie beschreibt, dass Menschen ihre Bereitschaft zur öffentlichen Meinungsäußerung von der Mehrheitsmeinung abhängig machen. In diesem konkreten Beispiel mag es aber auch daran gelegen haben, dass das Thema der digitalen Überwachung ungern online, also unter den Augen der Kritisierten, diskutiert wird.

Eine weitere Studie aus dem Jahre 2014 untersuchte das Kommunikationsverhalten von US-Bürgern nach ihrer politischen Orientierung. Das interessante Ergebnis: Je deutlicher man sich zu einer politischen Orientierung (liberal/konservativ) bekannte, je höher war die Bereitschaft, auf Facebook Freundschaften zu kündigen oder zu blockieren, wenn deren politische Meinung von der eigenen Position abweicht. Während in der politischen Mitte etwa 24% äußerten schon einmal zu diesen Methoden gegriffen zu haben, neigten 31% der Konservativen und sogar 44% der Liberalen zu dieser Praxis. Eine ganz private Filterkultur, die bei den politisch aktivsten Befragten am stärksten ausgeprägt ist.

Ob der Nutzer tatsächlich als ein Opfer im System Facebook gesehen werden kann, das den Algorithmen ausgeliefert ist und durch diesen in seinem politischen Horizont beschränkt wird, ist fraglich. Die Politik des Unternehmens, dem Nutzer in erster Linie für ihn interessante Inhalte anzuzeigen, scheint nachvollziehbar. Dass durch diese Praxis unsere politische Einstellung tatsächlich nachhaltig verändert wird, lässt sich durch eine allgemeine Erkenntnis der Medienforschung anzweifeln: Medien verstärken die eigene Meinung, aber eine wirkliche Veränderung des Meinungsbildes findet selten statt. Der Nutzer betreibt von sich aus selektive Mediennutzung und möchte seine Meinung bestätigt sehen.

Bild: Joe The Goat Farmer (CC BY 2.0)

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