Facebook Initiative Gisela Giardino CC by SA 2.0 via flickr

Facebook hat zwei Initiativen angekündigt, um dem stark in die Öffentlichkeit gerückten Problem von „Hasskommentaren“ in sozialen Netzwerken entgegenzuwirken. Das soziale Netzwerk fährt dabei eine Doppelstrategie: Verstärkte Kontrolle im Netz und gezielte Gegenrede. Dazu wurde ein in Deutschland ansässiges Team gebildet, das gemeldete Kommentare untersuchen und gegebenenfalls löschen wird. Zum anderen wurde die Gründung der “Initiative für Zivilcourage Online” bekanntgegeben, die effektive Strategien zum Umgang mit Hasskommentaren entwickeln soll.

Initiative I: Zivilcourage Online

Für allgemeine Überraschung sorgte die von Facebook gegründete “Initiative für Zivilcourage Online”. Die Initiative setzt sich aus Mitgliedern der Amadeu Antonio Stiftung, des International Centre for the Study of Radicalisation and Political Violence (ICSR) sowie des Institute for Strategic Dialogue (ISD) zusammen. „Es handelt sich um ein großartiges Konzept, weil es einen ganzheitlichen Ansatz verfolgt“, so Judith Rahner, Bildungsreferentin bei der Amadeu Antonio Stiftung. Diesen ganzheitlichen Ansatz verfolgt die Initiative vor allem mit der gezielten Förderung von Nichtregierungsorganisationen zur effektiven Bekämpfung von Rassismus und Antisemitismus um Netz. Dazu wurde ein Fördervolumen von mehr als einer Million Euro eingesetzt. Die Förderung setzt sich zusammen aus freien finanziellen Mitteln und der Unterstützung von Marketing-Aktivitäten auf Facebook.

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Hierbei gelte es bei dem Übergang von interaktiven Hasskommentaren und etwaigen realen Aktionen anzusetzen, so Rahner. Das zeige sich konkret bei Jugendlichen bzw. in der Jugendarbeit, wie sie Rahner in dem Projekt ju:an täglich erlebt: „Einige Jugendliche laufen Gefahr, sich schnell in einer virtuellen, ideologischen Welt zu verlieren“. Hasskommentare begünstigen die virtuelle Spirale von Gewalt und Hass gegen andere Menschen und Personengruppen. Gerade bei Jugendlichen muss der Hass hierbei nicht an erster Stelle stehen. Vielmehr dient er als Katalysator für eigene Probleme und ungelöste Konflikte.

Hasskommentare: (K)ein Jugendproblem

Soziale Netzwerke bieten Jugendlichen wie auch fremdenfeindlichen Personen und Gruppen (z.B. Pegida) die Möglichkeit eine Gemeinschaft zu finden, auch wenn diese sich manchmal nur durch Hass gegen Andere definiert. Hier könnte die neue Initiative für Zivilcourage Online ansetzen und effektiv entgegensteuern. Was es zum Counterspeech aber braucht, sind „coole Leute, die Jugendliche glaubhaft ansprechen und mitziehen“, betont Rahner. Zudem müssten den digitalen Maßnahmen in jedem Fall ergänzende Ansätze zur Seite gestellt werden. Zielführend sei eine Strategie langfristig nur dann, wenn sie u.a. Jugendliche nicht nur online abfängt. Auf der einen Seite sei es vor allem wichtig, mit präventiven Maßnahmen der Gefahr entgegenzutreten, dass sich Personen und Jugendliche in einer virtuellen Blase verlieren, sagte Rahner. Es käme darauf an, den Betroffenen die Auswirkungen von Hatespeech nahezubringen. Sie mit ihren Postings zu konfrontieren, stellt eine Möglichkeit dar, wobei es darauf ankommt, niemand vorzuführen. Vielmehr können die betroffenen Kommentatoren auf diese Wiese für den Inhalt und die Wirkung ihrer Postings sensibilisiert werden.

Vor allem aber braucht die “Initiative Zivilcourage Online” die Unterstützung der Facebook-Community. Bei einem Blick auf die Facebook-Seite der Initiative wird schnell das allgemeine Problem deutlich: Hasskommentare. Den nachhaltigen Forderungen an Facebook, effektive Maßnahmen gegen die Hasskommentare zu ergreifen, müssten nun auch Taten folgen. Das erstreckt sich nicht nur auf das soziale Netzwerk, auch dessen Nutzer müssen aktiv werden. Hierbei gilt: Rassistischen, rechten und anderen Hetzern nicht das Feld überlassen – sondern gemeinsam einzustehen.

Initiative II: Verstärkte Kontrolle im Netz

Bereits im Herbst 2015 kündigte Facebook an, dass es nun vermehrt gegen Hass-Postings vorgehen wolle. Dazu wurde nun eigens ein Arbeitskreis gegründet, der künftig für die Löschung anstößiger Kommentare zuständig sein wird. Dass es nun mehr Kontrolleure gibt, heißt noch nicht, dass die Regeln darüber, was gepostet werden darf, nun verschärft werden. Lediglich wie schnell gemeldete Posts überprüft werden, kann von den Kontrolleuren direkt beeinflusst werden. Die Grundlagen, nach denen sich die neuen Kommentar-Überprüfer richten sollen, sind die Gesetze des jeweiligen Landes und die Facebook Community Standards. Danach ist immer noch eine Menge möglich – auch das, was nicht jedem gefällt.

Auf Anfrage danach, nach welchem Verfahren genau die Posts überprüft werden, verwies die von Facebook beauftragte Agentur APCO auf die Community Standards. Aufgrund des Fehlens anderer Informationen lohnt sich also ein Blick in eben jene Community Standards und Gesetze um zuerkennen, nach welchen Regeln ein Post gelöscht werden kann.

Löschung nach den Community Standards

Facebooks Community Standards sind in Bezug auf Hass-Postings auf den ersten Blick ziemlich eindeutig. Demnach verpflichtet sich Facebook „sämtliche Hassbotschaften, d.h. Inhalte, die Personen aufgrund der folgenden Eigenschaften direkt angreifen: Rasse, Ethnizität, nationale Herkunft, religiöse Zugehörigkeit, sexuelle Orientierung, Geschlecht bzw. geschlechtliche Identität oder schwere Behinderungen oder Krankheiten“ zu entfernen.

Für diese Regelung gibt es aber auch Ausnahmen. So ist es beispielsweise kein Löschgrund, wenn Nutzer Inhalte mit Hassbotschaften zitieren, um darüber aufzuklären und sich dabei eindeutig von ihnen abgrenzen. Weniger eindeutig ist diese Formulierung: „Humor, Satire oder soziale Kommentare zu diesen Themen sind zulässig.“ Leider konnte uns auf Anfrage nicht genau beantwortet werden, was ein „sozialer Kommentar“ ist, daher lässt sich nur spekulieren, was darunter fällt. Unklar liegt der Fall ebenfalls bei dem Aspekt “Humor”, denn auch Humor kann ja bekanntlich rassistisch sein. Darf man also als Witz posten wie: „Was haben Schwarze und Pokemon gemeinsam? Man fängt sie und lässt sie Illegal gegeneinander kämpfen.“? Und ist es erlaubt ein Bild von einem Baseballschläger zu teilen mit der Aufschrift „Dolmetscher“ und dem Text „Wer uns nicht versteht…wir haben einen Übersetzer dabei“ (Beides sind auf Facebook gefundene Beispiele)? Wahrscheinlich liegt es dann im Ermessen des Prüfers, ob so etwas gegen die Community Standards verstößt oder nicht.

Löschen nach deutschen Gesetzen

Eigentlich ist Facebook, als US-amerikanisches Unternehmen mit Sitz in Irland, nicht an deutsches Recht gebunden. Trotzdem hat es sich verpflichtet, bei Kommentaren aus Deutschland auch nach deutschem Recht vorzugehen. Was bedeutet das für die Kommentare? Es gibt mehrere in Bezug auf Hasskommentare relevante Gesetze, die eine Löschung und strafrechtliche Verfolgung möglich machen können.

Gerade Verfasser von umstrittenen Kommentaren zitieren oft einen Teil des Artikels 5 des Grundgesetzes: „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten(…) Eine Zensur findet nicht statt“, weit seltener zitiert heißt es dort jedoch im nächsten Absatz: „Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.“ So kann also nicht argumentiert werden, dass das Recht auf Meinungsfreiheit über allen anderen Gesetzen steht und uneingeschränkt alles geäußert und veröffentlicht werden kann.
Hasskommentare können gegen verschiedene Gesetze verstoßen. Wenn eine Person direkt beleidigt oder angegriffen wird, kann der Strafgesetzbuchartikel zur Beleidigung zum Tragen kommen. Das gilt aber nur dann, wenn eine einzelne Person direkt angesprochen wird, und nur diese kann dann Strafanzeige stellen oder die Löschung fordern. In der Debatte um Hasskommentare trifft das am ehesten zu, wenn etwa ein Politiker oder eine Person, die öffentlich Stellung bezieht, beleidigt wird, aber nicht auf große Gruppen wie „die Flüchtlinge“.

Dort kommen andere Gesetze zum Tragen. Wenn abwertende oder falsche Aussagen über Einzelpersonen oder abgrenzbare Gruppen verbreitet werden, kann das als Verleumdung oder üble Nachrede verfolgt werden. Da liegt aber das Problem in der Definition der eingrenzbaren Gruppe und der Beschuldigung. „Die Asylanten aus dem Asylantenheim X haben ein junges Mädchen vergewaltigt“ fällt auf jeden Fall darunter. „Alle Flüchtlinge sind Verbrecher“ eher nicht.

Das Gesetz, das bei der Beleidigung von Volksgruppen oder anderen Minderheiten am ehesten eingesetzt werden kann, ist Volksverhetzung. Der Tatbestand der Volksverhetzung besteht, wenn „gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung“ gehetzt wird, wenn jemand gegen diese „zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert“ oder sie „beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet“. Dieses Gesetz gilt also für große Gruppen und viele Tatbestände. Dies wird allerdings wieder eingeschränkt, denn es muss sich um eine sehr drastische Aussage handeln die „geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören“. Ob eine bestimmte Aussage den öffentlichen Frieden stören kann hängt damit wieder vom Einzelfall ab und bedarf einer juristischen Untersuchung.

Es zeigt sich, wie bei den Community Standards, gibt es auch bei den Gesetzen einen weiten Auslegungsspielraum und es ist zumindest bezweifelbar, dass alle neu angestellten Kommentar-Prüfer Volljuristen sind. Und da es sowohl bei den Community Standards wie auch bei den Gesetzen weniger eindeutige Formulierungen gibt, wird viel von dem, was nun gelöscht wird, von einzelnen Personen und deren Ansichten und Einstellungen abhängen.

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Artikel in Zusammenarbeit mit Katja Hellmys

Bild: Gisela Giardino, CC BY-SA 2.0

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