Start ins Superwahljahr – Hamburg macht den Anfang. Der Wahlkampf-Trend der USA erreicht Deutschland: ein Spitzenpolitiker-Weblog. Sonst herrscht Durchschnitt im Parteien-Netz. Wahlblogs sind besser. Von Clemens Lerche und Undine Schmidt.

Start ins Superwahljahr – Hamburg macht den Anfang. Der Wahlkampf-Trend der USA erreicht Deutschland: ein Spitzenpolitiker-Weblog. Sonst herrscht Durchschnitt im Parteien-Netz. Wahlblogs sind besser. Von Clemens Lerche und Undine Schmidt.

Das "Superwahljahr 2004" ist eröffnet. Am 29. Februar wählen die Hamburger ihre neue Bürgerschaft. Bundespolitisch wird die Hamburg-Wahl im Bundesrat nichts ändern. Den Start ins Superwahljahr 2004 will aber sicher keine Partei verpatzen – auch online sollte das Motto gelten. Zwar haben die Hamburger das erste Weblog eines Spitzenkandidaten. Aber sonst zeichnet sich der Online-Wahlkampf der Parteien durch Mittelmäßigkeit aus. Wirklich bürgerfreundlich ist der
Service der Hamburger Verwaltung, Briefwahlunterlagen im Internet bestellen zu können.

Trend erreicht Deutschland

Mitte Januar wurde das
"Hamburger Wahlblog" frei geschaltet. Abgeleitet ist dieser Begriff vom englischen Wort Weblog, das so viel wie Online-Tagebuch heißt. Kennzeichnend ist eine Vielzahl von persönlichen Kommentaren zur Wahl. Auf das private und unabhängige Wahlblog von vier Hamburger Autoren reagierte kurz darauf das Team des SPD-Spitzenkandidaten Thomas Mirow mit
eigenem Weblog. Mirow übernimmt damit als erster deutscher Politiker den amerikanischen Wahlkampftrend eines
Howard Dean.

"Mitmachen können alle diejenigen, die mithelfen wollen, dass Thomas Mirow Bürgermeister in Hamburg wird", heißt es im Blog. Es gibt bereits 300 eingetragene Unterstützer. "Charme ist, dass es simpel ist", so Jürgen Schüssler, Verantwortlicher des SPD-Wahlblogs. "Die Betreiber stellen einen Beitrag ein, der dann von anderen kommentiert werden kann". Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit zur Einrichtung eines eigenen Blogs, so zum Beispiel
www.wowarole.de. Der Nutzer kann für Aktionen werben, Pressekommentare abgeben und Fotos von unterwegs mit dem Kamerahandy (Moblog) einstellen. Laut Schüssler ist der Blog für Mirow "das Modernste, was es bisher in Europa gibt".

Wahlkampf im Netz

Die CDU startete Ende Januar mit einer neuen Parteiseite. Die Seite
www.cduhamburg.de übernimmt die Portalfunktion des Onlineauftritts. "Unser Bürgermeister. Ole von Beust" schaut dabei von allen Seiten herab. Ganz im Mittelpunkt steht die Person des Bürgermeisters. Online Unterstützer suchen, Spenden sammeln oder andere Wahlkampf-Trends sucht man vergebens. Kommunikation ist hier Einbahnstrasse. Aber vielleicht hat Ole im Cafe Ole davon genug.

Wenn ihnen das Foto von Beust komisch vorkommt, mit dem die CDU im Internet und auf Plakaten in Hamburg wirbt, dann sind sie nicht allein.
Nico Lumma, Co-Autor des unabhängigen Wahlblogs, regte dazu eine Debatte an und macht einen interessanten Fotovergleich. Nicht nur die Veränderung der Haarfarbe und der Verweis auf die Debatte um Kanzler Schröders Haarfarbe sorgt für Unterhaltung, die auf den Parteiseiten einfach zu kurz kommt.

Die SPD setzt nach Aussage ihres Parteisprechers Christoph Holstein stark auf das Internet im Wahlkamp und nutzt wie schon im Bundestagswahlkampf eine Plattformstrategie. Über
www.spd-hamburg.de erreicht man die Seite des Spitzenkandidaten
Thomas Mirow. Das kommunikative Element ist ausgeprägter als bei den anderen Parteien, da es ein Diskussionsforum und besagtes Weblog gibt.

Die GAL (Grün Alternative Liste) tritt ganz im Design der Bundespartei auf. Schwerpunkt sind Aktualität, Information und Service. Etwas unklar bleibt der Unterschied der beiden Hauptseiten. Besucht man die Adresse
www.gal-hamburg.de findet man auf der Startseite eine Einladung zu einem Onlinebesuch der GAL Hamburg. Sind wir da nicht schon? Klickt man sich dort weiter, kommt man auf die Seite
www.hamburg.gruene-partei.de. Die Informationen zur Wahl sind auf beiden Seiten verteilt, teilweise doppelt. Direkt an den Nutzer geht der Feedbackwunsch, Spenden- und Wahlhilfeaufruf mit Aktionsvorschlägen, sowie ein e-Formular für potentielle Fördermitglieder. Daneben ist eine Seite der Spitzenkandidatin Christa Goetsch vorbehalten. Eine klarere Strukturierung würde das Surfen erleichtern: Grün kann besser.

Bis zum 11. Februar lässt die
FDP noch mit ihrem Onlinewahlkampfauftritt auf sich warten. Oliver Groß, Internetbeauftragter der FDP Hamburg, verspricht jedoch einen inhaltlich stark am Wahlprogramm orientierten Relaunch, der auf Information und modernes Image setze. Fest eingeplant sei Onlinewerbung, aber auch ein Wetterbericht stehe zur Option. (Anm. der Redaktion: Bis Redaktionsschluss war die FDP-Seite noch nicht online.)

Mit einem breiten Angebot hält sich die Partei
ProDM/Schill zurück. Nur das breite Kreuz von Ex-Senator Schill auf der Seite beeindruckt. Zentral ist die Person Schill und das Thema Sicherheit. Vor allem die Sicherheit, nicht von alten Querulanten oder "U-Booten" unterwandert zu werden, wie es auf der Startseite heißt. Online-Wahlkampf ist nicht seine Sache. Zwei unterschiedliche Internetangebote mit den Adressen
schill-partei.de und
pro-dm-partei.de machen das Chaos um den Populisten Schill perfekt.

Die
Partei Rechtsstaatlicher Offensive um Innensenator Dirk Nockemann hat im Rechtsstreit um den Namen "Schill" den Kürzeren gezogen. Sie darf in keiner Hinsicht mehr mit dem Namen ihres Gründers Ronald Schill werben – weder auf dem Wahlzettel noch auf Internetseiten. Das hat das Landgericht Hamburg auf Antrag der Pro-DM/Schill-Partei entschieden. Gibt man bei Google den Namen der Partei ein, erscheint Schill an erster Stelle. Ist das die Rache des Gründers oder schlechte Suchmaschinenoptimierung? Für den Onliner ist das Namenschaos also noch nicht wie beabsichtigt beendet. Der Internetauftritt genügt lediglich einfachsten Ansprüchen. Wichtige Menüpunkte der Navigation wie Spenden sind nicht verlinkt.

Ausgangslage an der Elbe

Der Ausgang der Wahl ist noch ungewiss. Letzte Umfragen sprechen von einer Pattsituation zwischen der CDU und Rot-Grün. Die CDU hätte zwar einen deutlichen Vorteil der Stimmen (45%) gegenüber der SPD (30%), aber ob die CDU die absolute Mehrheit erreicht, ist noch nicht sicher. FDP, die neue ProDM/Schill-Partei, sowie die Partei Rechtsstaatlicher Offensive würden derzeit an der 5 Prozent-Hürde scheitern, während die Hamburger Grünen (GAL) mit 15 Prozent der Stimmen in die Bürgerschaft einzögen. Denkbar wäre also eine rot-grüne Koalition. Ziel der CDU um Bürgermeister Ole van Beust ist zum ersten Mal in ihrer Geschichte in Hamburg allein zu regieren, eine "Koalition mit irgendwelchen Schill-Parteien werde es nicht geben", so von Beust in der "Bild am Sonntag".

Weitere Informationen zum Wahlkampf an der Elbe liefert das
NDR-Spezial oder die Seite der Innenbehörde
www.wahlen-hamburg.de.