In Hessen und Niedersachsen können die Bürger am 27. Januar einen neuen Landtag wählen. Plakate, Interviews, TV-Duelle – in beiden Bundesländern läuft der mediale Wahlkampf auf vollen Touren. Doch im Umgang mit einem Medium erscheinen die Parteien ungeübt, fast scheu: Im Internet sind weder die Hessen noch die Niedersachsen besonders einfallsreich.

 

Eine Sonderseite zum Wahlkampf hat zwar jede der größeren Parteien – doch gibt für den Wähler wenige Möglichkeiten, direkt auf den Internetauftritten seine Meinung zu hinterlassen. Zur Kontaktaufnahme mit den Kandidaten bleibt meist allein der Weg über ein Kontaktformular. Dabei erkennen die Landesverbände die Relevanz des Internets durchaus. „Das Internet wird im Wahlkampf immer wichtiger,“ sagt Enno Isermann vom Landesverband der Grünen in Niedersachsen. Er räumt aber ein: „Es hat in Deutschland noch nicht die Bedeutung wie in den USA oder in Frankreich.“

Koch, Kochen und Schwarzkochen

Isermanns grüne Kollegen aus Hessen fallen im Landtags-Wahlkampf 2008 etwas aus der Reihe: Mit einem Weblog etwa greifen sie Roland Kochs „Kochtour“ auf. Im August 2007 war der Ministerpräsident Gastkoch in einigen Restaurants – und lieferte mit seinem Wortspiel eine Steilvorlage für den politischen Gegner. So geben die Grünen das „Schwarzbuchkoch“ heraus, in dem jeder Internetnutzer Autor werden kann. Nach einer kurzen Registrierung kann man seiner Kritik an Roland Koch freien Lauf lassen.

 

kochkocht.de

kochkocht.de, die Anti-Kampagnensite der hessischen SPD

Als einzige unter den Parteien in Hessen und Niedersachsen versuchen sich die hessischen Grünen an einem Sozialen Netzwerk: wir-denken-an-morgen.de will die MySpace-Generation ansprechen und an Politik heranführen. Die Nutzer können Profile anlegen, in Gruppen diskutieren und chatten. Technisch läuft die Plattform noch nicht ganz rund – nach erfolgreicher Registrierung zeigt der Bildschirm statt einem „Herzlich Willkommen“ erstmal eine Fehlermeldung. Dafür bekommt jeder neue Nutzer automatisch eine Sonnenblume zum Freund.

Die MySpace-Generation mag nun nicht unbedingt Zielgruppe der CDU sein. Und die SPD bietet mit der bundesweiten Plattform MeineSPD.net bereits ein ausgereiftes Portal, in dem sich einzelne Gruppen zu den Landtagswahlkämpfen gebildet haben. Ähnliches findet sich für die FDP mit myFDP.de. Dennoch überrascht der Mangel an interaktiven Angeboten im Online-Wahlkampf 2008.

Anti-Kampagnen im Netz

Mitmach-Möglichkeiten bietet neben den Grünen die niedersächsische CDU: Auf gemeinsam-mit-christian-wulff.de können CDU-Wähler schreiben, warum
sie den Ministerpräsidenten unterstützen. Wollen die Bürger ein Foto dazustellen, müssen
sie es per E-Mail an die Redaktion schicken.

Eines ähnlichen Formates bedient sich die Hessen-SPD: Initiative Ypsilanti sammelt Statements zur Unterstützung von Kochs schärfster Konkurrentin. Auch SPD-Generalsekretär Hubertus Heil verewigte sich an Neujahr auf der Website mit guten Wünschen für die Herausforderin.

Daneben setzt die SPD in ihrer Rolle als Oppositionspartei vor allem auf Anti-Kampagnen gegen den jeweiligen Ministerpräsidenten. Beispiel Hessen: Ähnlich wie die Grünen nutzt die SPD das Wortspiel „Kochtour“ auf ihre Weise: Auf kochkocht.de will sie „Kochs üble Rezepte“ aufzeigen. Unter „Kochs Buchstabensuppe“ listet die SPD alle scheinbaren Verfehlungen des Chef-Kochs in alphabetischer Ordnung auf. „Kochs Menükarte“ bietet Rezepte wie „Schlachtplatte aus 9 Jahren fetten Sozialkürzungen“ oder „Atomkraft Allerlei Bibliser Art“ schließlich als e-Cards zum Download.

Wahlversprechen und Realität

Eine ganz ähnliche Strategie verfolgen die Genossen aus Niedersachsen: Unter wulff-und-wirklichkeit.de stellt die Oppositionspartei Wulffs Wahlversprechen und die Realität gegenüber. Dazu präsentieren sie einen Wackel-Wulff, angelehnt an den früher sehr beliebten Wackel-Dackel, der viele Hutablagen zierte. Mal ja, mal nein – mit heftigem Nicken und Kopfschütteln soll die Flash-Animation suggerieren, wie häufig Wulff sich bei Themen wie Rauchverbot, Atomausstieg oder Studiengebühren umentschieden hat.

iSafer

iSafer – Bildschirmschoner der CDU Niedersachsen

Die Ministerpräsidenten setzen auf Visuelles: Roland Koch podcastet. Besser gesagt, hauptsächlich stellt seine Redaktion Reden, Fernseh- und Radiointerviews und Mitschnitte öffentlicher Auftritte ins Internet. Sein niedersächsischer Kollege Christian Wulff veröffentlicht ebenfalls Videos im Netz. Wulff TV läuft bereits seit September 2007 – soll aber kein Wahlkampfmittel sein.

Dafür bietet die Niedersachsen-CDU einen eigenen Bildschirmschoner, entwickelt von der Firma infoMantis. iSafer heißt das Tool – was dann doch recht mutig ist, bedenkt man, dass das kleine i als Erkennungszeichen der Firma Apple gilt. Beim iSafer steht es für „interaktiv“. Die Interaktion beschränkt sich aber darauf, dass der Nutzer die aktuellen Meldungen anklicken kann, die als Tickerband über den Bildschirm laufen.

Blogs fressen zu viel Zeit

Die FDP startete in Hessen und in Niedersachsen zwar jeweils eine eigene Wahlkampfseite, interaktive Angebote sucht man jedoch vergeblich. Blogs zum Beispiel seien sehr zeitintensiv und gerade im Wahlkampf sei man sowieso sehr eingespannt, heißt es aus der Pressestelle.

An Zeit und vor allem an Geld fehlt es auch der Linken in Hessen. Die Partei ist dort, genau wie in Niedersachsen, nicht im Landtag vertreten, die Wahlkampfmittel sind also gering. Um den Internetauftritt kümmert sich eine ehrenamtliche Redaktion. Man habe eine ganze Reihe von Ideen angedacht, erzählt Adrian Gabriel, zuständig für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit im Landesverband. Live-Chats von Veranstaltungen etwa oder einen eigenen Wahl-O-Mat, kurz zusammengestellte Positionen, ähnlich wie beim Angebot der Bundeszentrale für politische Bildung. „Das ist aber alles eine Frage des Zeitaufwands. Wir müssen das mit dem übrigen Wahlkampf abwägen. Wenn sich fünf Leute um die Redaktion kümmern, werden sie woanders abgezogen,“ so Gabriel. „Daher war für uns die Frage: Was ist Pflicht? Das haben wir so gut wie möglich versucht umzusetzen und die Interaktivität dabei zunächst zurückgeschraubt.“

Enno Isermann, Grüne Niedersachsen, sieht auch noch einen anderen Grund, warum Parteien interaktive Formate bisher nur zurückhaltend einsetzen: „Wir beobachten, dass diese noch nicht so gut angenommen werden. Deswegen haben sie bei uns nicht die erste Priorität. Nachgefragt werden in erster Linie Informationen – vor allem das Wahlprogramm.“

Nutzen die Parteien das Internet dann doch mal für Wahlpropaganda, gibt es gleich Ärger: Die ARD-Sendung Panorama ließ die Landesportale aus Hessen, Niedersachsen und Hamburg vom Verfassungsrechtler Prof. Hans Herbert von Arnim begutachten. Der stellte fest, dass Ministerpräsident Koch und seine Wahlthemen die Berichterstattung auf hessen.de dominierten. Das Landesportal wird nun aus Steuergeldern finanziert – und die darf eine Partei nicht für den Wahlkampf verwenden.

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