startUPSimon Schäfer ist Pionier der deutschen Start-up Szene. Seit Ende der 1990er Jahre wurde er vom Gründer zum Investor und hat mit seinem Partner Udo Schloemer mit der Factory Berlin eine Fläche für junge Start-ups geschaffen, auf der sich Gründer mit gestandenen Unternehmen austauschen. Das läuft so erfolgreich, dass das Konzept noch in diesem Jahr ins Ausland getragen werden soll. Wir haben uns mit Schäfer, der auch die Europäische Kommission berät, über die Rolle der Politik für die Gründerszene unterhalten.

politik-digital.de: „Herr Schäfer, geben Sie bitte einen Überblick über ihren Werdegang in der Gründerszene.“

Schäfer: „Angefangen habe ich 1997 mit meinem damaligen Partner Felix Petersen mit einer eigenen Internetagentur, er als Programmierer, ich als Designer. 2004 bin ich zum ersten Mal zu einem Kunden gewechselt, das war die WireCard. Ich habe WireCard bis knapp 2008 begleitet und bin dann wieder Gründer geworden. Einer meiner ersten Investoren war Udo Schlömer, der zur Bedingung für eine Investition gemacht hat, dass ich seine Investitionsfirma mitbegleite und somit bin ich dort als Partner eingestiegen. Wir haben hier in Berlin in den letzten fünf Jahren gemeinsam in knapp 50 Start-ups investiert und als eine der Lernerfahrungen haben wir die Factory gegründet. Die Factory ist ein Campus für Start-ups. Im Moment sind es 24 an der Zahl in Berlin Mitte, von Zwei-Mann-Unternehmen im Coworking Space bis zu 250 Leuten, die z. B. bei Soundcloud arbeiten. Die Idee dahinter ist: Am besten lernt man aktiv von denen, die erfolgreich eine solche Firma leiten, und so versuchen wir die besten Firmen Berlins mit den ganz jungen, gerade entstehenden Start-ups zusammenzubringen. Wir arbeiten intensiv an den Schnittstellen sowohl zur Politik und Wirtschaft, als auch zur akademischen Welt. Mein Partner und ich haben uns in diesem Jahr angeguckt, wohin die Reise mit der Factory geht und haben uns entschieden das aufzuteilen. Ich kümmere mich mit meinem Team vor allem um die Internationalisierung, d. h. wir werden so wie es aussieht noch in diesem Jahr drei weitere Städte außerhalb Deutschlands bekannt geben können, und er konzentriert sich weiter auf den deutschen Markt. Als Bestandteil des Ökosystems arbeite ich auch sehr viel an den Rahmenbedingungen. Ich bin Berater der Europäischen Kommission für das Future Internet Public Private Partnership, werde aber auch öfter zu Policy-Angelegenheiten gefragt, die ein gewisses Feedback aus der Gründerszene bedürfen. So war beim Amtsantritt von Andrus Ansip und Günther Oettinger unsere Start-up Euro Summit entstanden. Die Idee dahinter ist, das Ökosystem Europa mal an einen Ort zu bringen und mit den zwei gerade angetretenen Kommissaren zu vernetzen. Wie es aussieht, werden wir das auch im nächsten Jahr wieder machen und uns in der Zwischenzeit darauf konzentrieren, das Erfolgsmodell Factory auch in andere Städte zu tragen.“

politik-digital.de: „Was kann die Politik konkret tun? Man hört häufig aus der Start-up Szene: Lasst uns am besten in Ruhe machen. Außer Restriktionen zu reduzieren gibt es da gar nicht so viel.“

Schäfer: „Zwei Dinge kann man tun: Das eine ist dem ganzen nicht im Wege zu stehen. Es gibt immer wieder verrückte Ideen, wie die Nationalisierung der Cloud. Eine Idee gegen die wir uns massiv positioniert haben. Das würde unglaublich viele Werte sofort vernichten. Das ist ja auch eine Karikatur von dem, was wir auch in Europa vorhaben. Aus dieser Richtung gibt es kontinuierlich Vorstöße, bei denen man zum Glück gefragt wird, weil es da Feedback aus der Gründerszene geben muss. Ich bin nicht ganz der gleichen Meinung wie viele Gründer. Interessanterweise sind es vor allem die erfolgreichen, die diese Meinung vertreten. Für die nicht so erfolgreichen Gründer, und das bringt mich zum nächsten Punkt, gibt es meines Erachtens sehr viel zu tun. Wenn man erst mal als Tatsache akzeptiert, dass 9 von 10 Startups scheitern, dann muss man sich fragen, wie man es hinbekommt, dass mehr von diesen 10 erfolgreich sind. Da gibt es einige Komponenten, die noch nicht befriedigend gelöst sind. Es ist zum Beispiel sehr viel schwieriger eine GmbH zu schließen als sie zu öffnen und deshalb wollen wir verändern, was per Definition ein Start-up ist. Aus meinem Verständnis heraus ist das keine normale Gesellschaft mit beschränkter Haftung, sondern es ist erst mal ein Versuch, ein Geschäft zu starten, das meistens Fremdkapital finanziert ist. Es ist auch nicht mit Darlehen belegt, sondern größtenteils Risikokapital finanziert und unterliegt enormen Wachstumsmomenten. Das Wachstumsmomentum Technologie kann aus einer sehr kleinen Firma in sehr kurzer Zeit eine sehr große machen. Es kann auch sein, dass man seinen Geschäftszweck sehr kurzfristig ändern muss. Man hat als Start-up eine sehr viel größere Anfangsflexibilität, die man auch benötigt. Dem werden unsere gegenwärtigen Rahmenbedingungen nicht gerecht. Um noch mehr Erfolge zu feiern, um noch mehr Start-ups zu haben, die auch wirklich die Chance haben, sich ungezügelt entwickeln zu können, sollte man unserer Meinung nach eine Art Welpenschutz einführen, bei dem zeitlich, auf Basis der Mitarbeiter und natürlich auch auf Basis des Umsatzes limitiert, eine sogenannte Schonfrist eingerichtet wird, in der man erst mal so frei wie möglich am Markt agieren kann.“

politik-digital.de: „Stichpunkt Risikokapital: Das ist ja insbesondere in Berlin noch ein Problem, vor allem wenn es über die Gründungsphase hinausgeht. Kann die Politik auch in diesem Bereich etwas machen?“

Schäfer: „Risikokapital steckt nicht nur in der frühen Phase, es geht auch um Wachstumskapital. Man muss vor allem am Single European Digital Market arbeiten, eines der Hauptprojekte der Europäischen Kommission, damit wir das große Potential von 500 Millionen Menschen in Europa mit digitalen Produkten einfacher erreichen können. Das bedingt natürlich auch, dass Finanzinvestoren, die in diese Unternehmen investieren, die Marktpotentiale größer einschätzen und damit auch größere Wachstumsfinanzierungen mitgehen könne. Einem Unternehmen, das in Deutschland angesiedelt ist und nur mit hohem Aufwand international skalieren kann, wird ein Risikokapitalgeber immer zu einem einfachen Markt wie dem der USA raten. Um dem etwas entgegenzusetzen ist es unheimlich wichtig, politische und juristische Hürden in Europa abzubauen, so dass das Wachstum gerade von Beginn an einfacher wird. Ich möchte das als Chance begreifen: Wenn Europa einen echten Benefit zu bieten hat, dann ist es die multikulturelle Gesellschaft und das heißt von Anfang an multikulturell zu denken und das in die Gründer-DNS zu integrieren. Damit würde man auch globale Unternehmen bauen, die in anderen Märkten sehr anpassungsfähig sind und nicht auf einen homogenen Markt wie den amerikanischen abzielen. Da hat die Politik noch viel zu tun. Das ist eine Aufgabe, die sich in letzter Konsequenz auch positiv auf Venture Capital auswirken würde.“

politik-digital.de: „Sind sie grundsätzlich mit dem was in Berlin passiert zufrieden, Stichpunkt Berlin Partner?“

Schäfer: „Man kann mehr tun. Es ist natürlich auch die Aufgabe von Politik, die Rahmenbedingung für eine erfolgreiche Gründerszene zu schaffen. Wenn man sich mal überlegt, wie viele Anlaufpunkte es für junge Unternehmen bereits gibt, die durch die öffentliche Hand gefördert werden, und es recht schwierig ist, diese zu finden und zu identifizieren, dann hat Berlin Partner jetzt auch mit der Start-up Unit die kluge Aufgabe, das zu zentralisieren und einheitliche Ansprechpositionen zu finden. Das ist absolut notwendig und das kann und muss man ausbauen. Wenn in Europa eine Art Silicon Valley entstehen soll, dann wäre das immer pan-europäisch und nicht auf eine Stadt begrenzt. So ist natürlich auch der Austausch mit anderen Metropolen unheimlich wichtig.“

politik-digital.de: „Was genau zeichnet Berlin als Start-up Szene im internationalen Vergleich aus?“

Schäfer: „ Berlin ist dadurch, dass es 60 Jahre lang besetzt war, eine international geprägte Stadt. Jeder Taxifahrer ist daran gewöhnt, mit anderen Sprachen konfrontiert zu sein. Man kann sich als Nicht-Deutscher in Berlin sehr gut verständigen. Das ist ein ganz wichtiger Faktor, warum es auch vielen Ausländern sofort gut geht, die wegen Start-ups hierherkommen. Ein zweiter ganz wichtiger Aspekt ist, dass Berlin noch sehr heterogen ist, was seine sozialen Strukturen betrifft. Ich kenne das aus anderen Großstädten so, dass Künstler unter sich sind, die Musikszene ist unter sich und die Start-up Szene ist unter sich. In Berlin ist das alles noch sehr gemischt. Man hat abends an der Bar vom erfolgreichen Internetgründer bis zum erfolgreichen Künstler alle sitzen. Das ist nicht klar vertikalisiert, wie das zum Beispiel in London sehr viel stärker der Fall ist. Wenn man es auf einen Satz runterbrechen würde: Berlin ist noch sehr viel mehr in Touch mit seinen Subkulturen als andere Städte. Und natürlich ist Berlin immer noch sehr günstig. Es gibt sehr viel Raum, wo man noch günstig Büros bekommen und einfach anfangen kann. Lebenshaltungskosten sind gering und dennoch hat man eine gewisse soziale Absicherung. Das ist schon ein Benefit, gerade für diejenigen, die volles Risiko gehen, sprich für Gründer.“

politik-digital.de: „Kürzlich hat unser Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel auf einem Kongress gesagt, dass Berlin jetzt schon auf einem Level mit Tel Aviv und New York sei. Würden Sie diese Einschätzung teilen?“

Schäfer: „Nein, die würde ich so noch nicht teilen. Tel Aviv hat noch deutlich mehr Substanz. Tel Aviv und Silicon Valley sind sehr vergleichbar, da das Militär dort einen Großteil der Entwicklung getragen hat. New York ist eben durch seine sehr medial geprägte Wirtschaft logischer Hot Spot für Start-ups und Einfallstor für europäische Start-ups in die USA. New York hat also seine eigene Daseinsberechtigung. Berlin ist da schon noch recht weit hinten an. London ist schon sehr viel näher an Silicon Valley und Tel Aviv als Berlin. Das sieht man auch deutlich an den Exits. 2011 hatte London noch das 16fache Exitvolumen von Berlin und das ist noch nicht so viel besser geworden.“

politik-digital.de: „Herr Schäfer, vielen Dank für das Gespräch.“

Bild: eko (CC BY-NC-SA 2.0)

 

 

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