titelbild snapchatWarum sollten Politikerinnen und Politiker auf einer Plattform aktiv sein, bei der es um Dating geht, Hasenohren auf Selfies der Renner sind und Bilder von Schuhen des FDP-Vorsitzenden Christian Lindner die meisten Views erhalten? Diese Artikelreihe will zeigen, wie WhatsApp, Instagram, Snapchat und Tinder in der politischen Kommunikation genutzt werden können und welche Politikerinnen und Politiker diese besonders gelungen einsetzen. Im dritten Artikel haben wir uns angeschaut, wie Politikerinnen und Politiker Snapchat verwenden.

3,5 Millionen Snapchat-Nutzende gibt es hierzulande. 71 Prozent der Userinnen und User sind zwischen 18 und 34 Jahre alt, wobei der Großteil mit 45 Prozent zur Altersgruppe zwischen 18 und 24 Jahre gehört. Zum Vergleich: Facebook-Nutzende sind älter, hier sind nur 16 Prozent der Userinnen und User zwischen 18 und 24 Jahre alt. Das zeigt: Die junge Zielgruppe ist auf Snapchat unterwegs. Snapchat ist ein Instant-Messaging-Dienst, mit dem Bilder und Videos in Form von sogenannten Snaps versendet und empfangen werden können und die sich nach einer bestimmten angegebenen Zeit von selbst löschen. Snapchat Stories sind gesammelte Bilder und Videos, sie sind öffentlich und werden nach 24 Stunden gelöscht.
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Was Snapchat weiterhin ausmacht, sind die spielerischen Elemente und die Schnelligkeit; umfangreiche Bildbearbeitungen sind nicht möglich, alles muss in der App bearbeitet werden. Sogenannte Geofilter (Grafiken, die nur lokal erscheinen), aber auch Sticker, Masken und Text können über das mit Snapchat geschossene Foto oder gedrehte Video gelegt werden.

Snapchat eignet sich, um einen Blick hinter die Kulissen zu bieten, die Atmosphäre von Veranstaltungen einzufangen und eine Beziehung zu den Followerinnen und Follower aufzubauen. Die Schönheit der Bilder oder die perfekt eingesprochenen Videos sind bei Snapchat nicht so ausschlaggebend wie etwa bei Instagram. Das Perfekte wirkt hier fast deplatziert. Dagegen sind Gags, kleine Spielereien wie Filter oder Masken, z.B. in Form von Hasenohren, beliebt.

 

Warum snappen Politikerinnen und Politiker?

,,…es macht Spaß“, erklärt Dorothee Bär, Bundestagsabgeordnete der CDU und Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, die auch auf anderen Social Media Plattformen sehr aktiv ist. Und auch der Bundestagsabgeordneter der Linken Stefan Liebich erklärt, ,,ich habe Freude daran, neue Apps und Netzwerke auszuprobieren. Große Hoffnungen habe ich damit nicht verbunden. Ich wollte einfach mal schauen, wie es funktioniert.“ Dass er auf Snapchat aktiv sei, sorge für Erstaunen bei jungen Menschen, er werde oft von jungen Menschen im „real life“ angesprochen, die ihm auf Snapchat folgten und ihm mitteilten, dass sie es witzig fänden, dass er dort als Politiker vertreten sei.

Ohne Strategie und Konzeptsnapchat_stefan_liebig

Die App wird von den befragten Politikerinnen und Politiker eher ohne ausgefeiltes Konzept oder Strategie verwendet. ,,Wenn ich auf einem spannenden Termin bin und mir denke, das könnte doch witzig oder interessant sein, ohne groß einen Kontext beschreiben zu müssen, dann snappe ich in meine Story. Oder wenn ich einen spontanen Gedanken habe, von dem ich noch nicht weiß, ob er die nächsten 24 Stunden überleben sollte“, berichtet Dorothee Bär. Auch Stefan Liebich sucht die Inhalte spontan und intuitiv aus. ,,In der Regel fällt mir bei einem guten Fotomotiv ein, dass man daraus auch etwas für Snapchat machen könnte. Das ist mal politisch, mal eher privat und manchmal auch einfach nur zum Spaß. Ich mache es so, wie es sich ergibt“.

Snapchat als Storytelling Tool

Snapchat ist ein gutes Werkzeug, um mit Storytelling Geschichten zu erzählen, Informationen und Unterhaltung zu kombinieren. Die Inhalte sollten nicht erzwungen sondern ehrlich und authentisch wirken und sie ,,dürfen auch gerne mal ein bisschen dilettantisch oder peinlich sein: Alberner Hut, Fake-Sonnenbrille, Blitze und Partymusik im Hintergrund – was auf Insta schon nicht mehr geht, geht bei Snapchat besser. Je weniger Politiker-typisch, desto besser. Vielleicht nutzen Snapchat deswegen auch noch so wenige meiner Kollegen“, erklärt Dorothee Bär. Einblicke in den Alltag und hinter die Kulissen sowie kurze und einfach erklärte politische Inhalte kommen gut bei der jungen Zielgruppe an, so der CDU-Bundestagsabgeordnete Johannes Steiniger.

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Als angehender Lehrer ist Johannes Steiniger durch seine Schülerinnen und Schüler auf die App aufmerksam geworden. Er snappt fast täglich, berichtet im Video über Ergebnisse aus der Bürgersprechstunde, postet ein Bild von seiner Zugfahrt nach Berlin oder wie er auf die Fraktionssitzung wartet.

Schülerinnen und Schüler auf die Frage, was ihnen daran gefällt, wenn Abgeordnete snappen:snapchat_johannes_steiniger

Manche Social Media-Expertinnen und Experten sehen die Zukunft von Snapchat in Gefahr. Mit der Übernahme von Snapchatfeatures haben Instagram und Facebook Nutzerinnen und Nutzer wieder auf ihre Plattformen gelockt, so dass einige den Mehrwert von Snapchat nicht mehr sehen. Andere verweisen jedoch darauf, dass man sich die Synergieeffekte zunutze machen kann, denn die Konzeption für eine Snapchatstory kann auch für Instagram verwendet werden bzw. andersrum.

Nach dem Börsengang von Snap Inc. Anfang Februar 2017 ist davon auszugehen, dass die App durch den Druck der Investoren wieder wachsen und seine verlorenen Nutzerinnen und Nutzer von Instagram zurückholen wird. Außerdem hat das Unternehmen eine Brille mit Kamera herausgebracht: Snap Spectacles. In den USA ist die Brille ein Verkaufsschlager. Snapchat bleibt also weiterhin interessant.

Fazit

Insgesamt zeigt sich, dass sich Plattformen mit ihren Funktionen immer mehr angleichen. Die Funktionen werden kopiert oder übernommen (z.B: Instagram und WhatsApp kopieren das Stories-Konzept von Snapchat). Die Plattformen werden sich also nicht mehr in ihrer Funktion, sondern eher in der Zusammensetzung der Nutzerschaft unterscheiden.

Auf Snapchat herrscht eine andere Sprache als auf den vergleichsweise seriös verwendeten Sozialen Medien Facebook und Twitter; es geht normalerweise umgangssprachlich bis salopp zu. Politikerinnen und der Politiker sollten überlegen, ob die Verwendung der App zu ihrer Persönlichkeit passt, denn die app-spezifischen Features wie Masken und andere Spielereien gehören zur Verwendung der App dazu, und das ist auch das, was die Userinnen und User sehen wollen. Neue Wege zu gehen, schauen, wie die junge Zielgruppe tickt, sich in ihre Lebenswelt zu begeben, all das können Gründe sein, sich als Politikerin oder Politiker an die App heranzuwagen und mit ihr zu experimentieren. Hierbei müssen nicht immer ausgefeilte Social Media-Konzepte ausgearbeitet werden, Spontaneität und Spaß an der Sache reichen oft schon aus. Allerding ist die Verwendung von Snapchat auch immer ein Balanceakt, denn oft ist es  nur ein schmaler Grat zwischen Authentizität und Blamage.

Snapchat kann als weiterer Kommunikationskanal genutzt werden, mit dem jungen Menschen aus dem Wahlkreis erreicht werden können. Die große Reichweite wird man aber mit der App nicht erreichen, denn wer bei Snapchat einer Partei oder einer Politikerin oder einem Politiker folgt, hat meist schon eine Wahlentscheidung getroffen.

Johannes Steiniger ist unter “josteiniger”, Dorothee Bär unter „dorobaer“, Stefan Liebich unter “berlinliebich“ und das Europäische Parlament unter “europaparl” zu finden. Eine Liste von weiteren snappenden Politikerinnen und Politikern sowie Parteien gibt es beim Hamburger Wahlbeobachter.

Im ersten Teil der Serie haben wir uns angeschaut, wie Politikerinnen und Politiker WhatsApp einsetzen und im zweiten Teil, wie sie Instagram verwenden.

Titelbild: Berlin Reichstag, Smartphone via pixabay, CC0 public domain, bearbeitet von Daniel Schumacher

Bilder im Text: Snapchat Screenshots von Johannes Steiniger, Stefan Liebig

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