Berlin. Wahlkampf. Im Internet. Für mich heute auch offline zu beobachten im ARD-Hauptstadtstudio in der Wilhelmstraße am Reichstagufer. In „Aqua 4“, einem gläsernen Konferenzzimmer im vierten Stock der feinen Sender-Dependance stellt sich Gregor Gysi im „tacheles“-Chat von tagesschau.de und politik-digital.de den Fragen der Onliner.

Für volle sechzig Minuten stellt sich die eine Hälfte des linken Spitzenduos geduldig, sachlich, konzentriert, bisweilen auch witzig der Diskussion. Die Fragen aus dem Netz berühren zentrale Elemente der Debatte um die Positionierung der neuen Linkspartei in der Parteienlandschaft: Populismusvorwürfe, wirtschaftliche Kompetenz und Gestaltungschancen im künftigen Bundestag, Probleme mit der Bundeswahlleitung oder die interne Personaldebatte der neuformierten Allianz. Gysis smart formulierte Aussagen kreisen dabei zentral um den Begriff der Gerechtigkeit.

Trotz der vergleichsweise umfassenden Artikulationsmöglichkeit (die durchschnittliche Länge von Politikerstatements im Fernsehen liegt weit unter einer halben Minute, Tendenz fallend) ist die „virtuelle Bürgersprechstunde“ noch immer ein Stiefkind der Wahlkampfkommunikation – in „Aqua 4“ wurde dies besonders deutlich, als unvermittelt zwei TV-Redakteure im Raum standen und Gysi für den vermutlichen Wahlabend ins Fernsehen einladen wollten. Dass in der Zwischenzeit unablässig Fragen aus dem Netz eingehen und beantwortet werden wollen, störte die Herren nicht. Die freundliche, aber bestimmte Absage Gysis dagegen schon.

(Der Text ist auch erschienen bei wahlblog05.de.)