EuroDIG 2In der vergangenen Woche fand die internationale Multistakeholder-Konferenz zur Kontrolle und Verwaltung des Internets „Netmundial“ in São Paulo statt. Neben einem Appell zum Schutz der Privatsphäre und gegen Überwachung sprach man sich auch für ein globales und offenes Internet aus. Vom 12. bis 13. Juni folgt nun mit dem EuroDIG die bedeutendste europäische Zusammenkunft zur Gestaltung des Internets, die in diesem Jahr in Deutschland unter dem Motto „Multistakeholder dialogue – a broken model or next level democracy?“ stattfinden wird. Michael Rotert, Vorstandsvorsitzender des offiziellen Gastgebers eco – Verband der deutschen Internetwirtschaft e.V., beantwortet Fragen zum EuroDIG und zur Zukunft der Internetgovernance.
politik-digital.de: Herr Prof. Rotert, bereits Ende 2013 setzten sich im sogenannten Montevideo Statement zentrale Organisationen, die sich mit der Verteilung der Internet-Ressourcen befassen, für eine Internationalisierung der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) ein. Am 14. März dieses Jahres gaben die USA bekannt, dass sie die Aufsicht über die (ICANN) aufgeben werden.
Für wie hoch halten Sie derzeit die Gefahr einer nationalstaatlichen Fragmentierung des Internets?
Michael Rotert: Ich halte diese Idee generell nicht für realistisch, denn selbst wenn Daten national bleiben, könnten sie theoretisch abgefangen werden, nämlich immer dann, wenn z.B. der Provider einer anderen Jurisdiktion unterliegt oder die Datenleitungen einem ausländischen Carrier gehören. Sollte man trotzdem versuchen, teure Umwege zu verwenden, nur um „national“ zu bleiben, würden bei keinerlei Sicherheitsgewinn die dadurch entstehenden Mehrkosten auch noch auf die Endverbraucher abgewälzt.
Vielleicht hilft ja hier auch eine Selbstverpflichtung der Provider, Daten national zu lassen, wenn immer es möglich ist. Nur so kann man natürlich kein Gesetz formulieren. ICANN ist eine technische Gruppierung, die im Zweifelsfall durch eine neue Technik obsolet wird, und noch ist nicht sicher, ob ICANN das Angebot der US-Regierung überhaupt umsetzen kann. Zu einer Fragmentierung des Internet trägt diese Entwicklung egal in welche Richtung nicht bei.

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Michael Rotert ist seit 2000 Vorstandsvorsitzender des eco – Verband der deutschen Internetwirtschaft e.V.. Der Professor am Fachbereich Informatik der Hochschule Karlsruhe berät u.a. die Europäische Kommission sowie die Vereinten Nationen (UN) und ist Gründungsmitglied mehrerer Internet-Organisationen wie der Internet Society.

politik-digital.de: Was könnte diese Entwicklung für internationale Multistakeholder-Gremien wie den „European Dialogue on Internet Governance“ (EuroDIG) oder auch andere Gremien bedeuten?
Michael Rotert: Das Internet ist ein globales Medium und EuroDIG wie auch andere Gremien treten genau für die Erhaltung der Globalität ein, und zwar unter Beteiligung aller Teilnehmergruppierungen. Ein Multistakeholder-Ansatz aber lebt vom Konsens, auch in dieser Frage. Eine mögliche Übereinkunft könnte aber auch Verschlüsselung auf allen Ebenen heißen. Auch wenn es technisch zwar möglich wäre, bedarf es hier doch noch einiger Anstrengungen, damit ein Verschlüsselungsansatz massentauglich ist. Da wären dann auch noch technische Gremien gefragt.
politik-digital.de: Welche Interessengruppen sollten an einem Multi-Stakeholder Modell teilhaben? Sollten Regierungen eine zentrale Rolle spielen? Welche Rolle sehen Sie für die Wirtschaft und für die Zivilgesellschaft?
Michael Rotert: In einem Multistakeholder-Modell haben alle Beteiligten die gleichen Rechte und/oder die gleiche Stimme. Eine ideale Besetzung bestünde z.B. aus Zivilgesellschaft, Regierung, Wissenschaft und Wirtschaft. Je nach Thematik können diese Gruppen auch noch feiner untergliedert werden, z.B. Verbraucherschutzverbände innerhalb der Zivilgesellschaft. Bei der Gesetzgebung muss natürlich der Staat eine zentrale Rolle spielen, aber Konsultationen der anderen Stakeholder können dabei sicher nicht schaden, hat sich doch gezeigt, dass die Gesetzgebung in Bezug auf das Internet den technischen Möglichkeiten oft hinterher läuft.
Selbstverpflichtungen der Wirtschaft innerhalb vom Staat gesetzter Leitplanken, um Rechtssicherheit zu schaffen, wäre optimal. Die „Zivilgesellschaft“ ist mir hier zu allgemein, wählt doch diese ihre Vertreter in das Parlament. Hier wären im Einzelfall entsprechende Untergruppierungen der Zivilgesellschaft gefragt.
politik-digital.de: Welchen Einfluss könnte der EuroDIG auf den Datenschutz, die Meinungsfreiheit sowie den freien Informationsfluss weltweit bzw. in Europa haben?
Michael Rotert: Auch wenn bei EuroDIG keine verbindlichen Verträge verhandelt werden, besteht dennoch Einfluss. Hat man sich auf allgemeine Grundsätze aus den genannten Bereichen geeinigt, so können bzw. werden damit Empfehlungen an die jeweiligen Einrichtungen/Nutzer gegeben. Selbst bei einer teilweisen Umsetzung entsteht dadurch eine Dynamik bei allen Beteiligten und auf allen Ebenen. Das Weiterreichen von EuroDIG-Empfehlungen an das globale Internet Governance Forum (IGF) geschieht jetzt schon und beeinflusst durchaus globale Diskussionen. Sanktionieren können durchaus die Verbraucher, nämlich z.B. indem sie Provider oder Dienste meiden, die sich nicht an die abgesprochenen Grundsätze halten. So ist z.B. der wirtschaftliche Verlust nach den Snowden-Veröffentlichungen durchaus bei amerikanischen Cloud-Anbietern spürbar.
Allgemein ist der Einfluss natürlich dann am größten, wenn es um Themen geht, die man nicht unbedingt in Gesetze fassen kann, weil diese nicht durchsetzbar wären oder weil das Gesetzgebungsverfahren länger dauert als die Technologieentwicklung. Selbstverpflichtungen, auf die man sich geeinigt hat, können derartige Schwachstellen in der Gesetzgebung kompensieren.
politik-digital.de: Ganz generell: Welche Erwartungen haben sie an den „EuroDIG“ 2014?
Michael Rotert: Nachdem in Brasilien im April 2014 bei der Netmundial erstmalig in einem Multistakeholder Prozess ein Manifest erarbeitet wurde, welches aus Prinzipien besteht und das auch eine Roadmap für die Zukunft enthält, könnte ich mir vorstellen, diese Papiere zu „europäisieren“ und auf unsere wirtschaftliche Umgebung anzupassen.
Generell erhoffe ich mir natürlich eine Ausweitung des Multistakeholder-Ansatzes in Europa und in Deutschland im Besonderen. Nur eine „digitale Agenda“ ohne Beteiligung der anderen Stakeholder reicht da sicher nicht, und je nach Empfehlungen aus dem EuroDIG 2014 kann dann sicher auch bei uns noch „nachgebessert“ werden. Trotzdem glaube ich, dass wir in Deutschland bereits auf einem sehr guten Weg sind, aber auf jeden Fall gibt es noch deutliches Verbesserungspotential, zumindest in der Kommunikation untereinander.
Bild: NASA (Terms of Use)
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