Ein Lehrstück in eCampaigning, Medienhype und Populismus: Von Fußballprofis, Faulen und Fakten

Eine Unterstützergruppe für die Aussagen von Fußballprofi Stefan Effenberg ist seit dem 20. April unter der Adresse
www.effenberg-hat-recht.de online. Effenberg hatte für ein Interview mit der Zeitschrift “Playboy” wegen seiner darin enthaltenen arbeitslosenfeindlichen Aussagen herbe Kritik bekommen, angeführt von der Bild-Zeitung. “Viele leben vom Arbeitslosengeld offenbar so gut, dass sie keine Lust haben, morgens früh aufzustehen und bis in die Abendstunden zu buckeln”, erklärte Effenberg. Sogar sein Arbeitgeber, der Fußballklub Bayern München, suspendierte ihn wegen seiner undifferenzierten Aussagen von der Arbeit. David Eckel, Sprecher des Unterstützerteams, bezweckt mit der Online-Kampagne “die Anregung der öffentlichen Diskussion”. In der Presseerklärung erklärt Eckel die Idee hinter dem Projekt: “Stefan Effenberg hat mit seiner Kritik an unserer Arbeitslosenunterstützung völlig recht. Unser Projekt soll ein Zeichen setzen, denn wir sagen: Effenberg hat Recht!”

Über die inhaltliche Fragwürdigkeit der Kampagne lässt sich trefflich streiten. Nicht über den medialen Erfolg. “Wir waren in allen Zeitungen Deutschlands, zusätzlich in schweizerischen und österreichischen Zeitungen, im Fernsehen und im Radio”, weiß Eckel zu berichten. Auch die über 30.000 Zugriffe seit dem Start am 20. April sind für die Macher der schlicht gestalteten Internetseite ein Erfolg. Auf der Startseite findet sich im einzigen inhaltlichen Statement ein willkürlicher Mix von Zitaten. Zum einen wird Bundeskanzler Schröder mit seinem Zitat, es gebe kein Recht auf Faulheit, zum anderen Alt-Bundespräsident Herzog mit seinem “Es muss ein Ruck durch Deutschland gehen” als Kronzeugen in eigener Sache vereinnahmt. Traut man Stefan Effenberg allein nicht genug politisches Gewicht zu? In einer der wenigen eigenen Aussagen von Eckel und Co, heißt es: “Fakt ist nämlich: Es gibt unter den Arbeitslosen viele, die unseren Staat ausnutzen und keine Lust auf eine geregelte Arbeit haben!” Der Tagesspiegel spricht daher von “einer Startseite mit Stammtischparolen”. DieTageszeitung (taz) berichtet, dass Eckel der Schwulen- und Lesbenunion bei den Christdemokraten ablehnend gegenüberstehe und einen Redakteur der rechtskonservativen Wochenzeitung Junge Freiheit dagegen unverdächtigt finden würde.

Die Seite bietet sonst nur noch ein Forum in Form eines Gästebuches an. Das wird reichlich genutzt. Allerdings gab es Probleme mit rechtsextremen Inhalten, die zudem unter dem Namen des Sprechers David Eckel verbreitet wurden. Das veranlasste den Zehlendorfer CDU-Bürgerdeputierten und RCDS- Studentenparlamentarier das vorher unmoderierte Gästebuch neu zu organisieren. “Ich hatte große Schwierigkeiten in dem Tempo zu löschen, in dem dieser Schwachsinn verbreitet wurde.” Seit Mittwoch, dem 24. April wird das Gästebuch moderiert und Eckel zeigt dem Mißbrauch die rote Karte. Zudem musste ein zweites Gästebuch eröffnet werden, um den Andrang der User gerecht zuwerden.

Der Andrang der User – wie ist er zu erklären? Mundpropaganda im Internet oder Medienhype durch Print und Fernsehen? Egal. Fest steht: Derzeit ist die Pflege des Gästebuches und das Geben von Interviews im Fernsehen und Radio für Eckel “ein Vierundzwanzig-Stunden-Job”. Wenigstens muss Eckel damit nicht befürchten, in Effenbergs Koordinatensystem durch die Maschen der gesellschaftlichen Integration zu fallen. Doch was passiert, wenn die Medien Eckel und seine Internetseite wieder links liegenlassen, was, wenn die Nutzerzahlen wieder so schnell sinken, wie sie gerade gestiegen sind? Schicken die User durch Abstimmung per Mausklick Eckel und seine Freunde zum Arbeitsamt? Hoffentlich hatten sie bis dahin nicht Erfolg mit ihren Parolen. “Effe” und Eckel beim staatlich verordneten Spargelstechen? Wir werden es sehen.

Erschienen am 26.04.2001