Undotiert aber renommiert – zum zweiten Mal wurde der Grimme Online Award vergeben

Letztes Jahr hatte politik-digital.de zu den Siegern gehört, dieses Jahr muss es genügen, über die siegreiche Konkurrenz zu berichten. Erst zum zweiten Mal überhaupt wurde am Samstag, den 15. Juni 2002 der undotierte
Grimme Online Award vergeben. Das renommierte Adolf
Grimme Institut aus Marl, normalerweise bekannt für die Vergabe des Adolf Grimme Fernsehpreises, will nach eigener Darstellung die Qualitätsmaßstäbe des Fernsehpreises auf das Medium Internet übertragen.

Aus 1600 Vorschlägen nominierte das Institut 23 Angebote, von denen am Ende vier Netzauftritte prämiert wurden. In den Kategorien “TV”, “Web TV” und “Medien-Journlismus” waren der Jury eigentlich je zwei Preise zur Verfügung gestanden, offensichtlich aber entsprach die Qualität der Nominierungen nicht den Anforderungen.

“Qualität im Netz ist noch immer eine rare Sache” meinte daher ZDF-Reporter Steffen Seibert, der durch den Gala-Abend in Düsseldorf führte und sah darin einen Grund mehr, “die Perlen zu ehren.” Friedrich Hagedorn, Sprecher des Grimme Instituts betonte, dass es vielmehr darum ginge, den innovativen Ansatz als die perfekte Umsetzung auszuzeichnen und gab gegenüber dem Tagesspiegel zu, dass die inhaltliche Entwicklung im Vergleich zum ersten Grimme Online Award vielleicht ein bisschen stehen geblieben sei.

Eine Aussage, die auf die Homepage
www.telepolis.de sicherlich nicht zutrifft. Der Preisträger im Bereich “Medienjournalismus” veröffentlicht täglich vier bis fünf neue Beiträge zu einem breiten Themenspektrum. Das “Magazin der Netzkultur” vom hannoverschen Verlag Hans Heise sieht sich selbst als Forum für Kunst-, Kultur-, Wissenschafts-, und Unterhaltungsangebote aus aller Welt. Dass die Macher dabei auf technischen Schnickschnack verzichten und konsequent an einem minimalistischen Design festhalten, kam nicht nur bei der Auswahlkommission in Marl besonders gut an. Allein im Mai 2002 klickten sich knapp fünf Millionen User auf die Seite, die sich seit der CeBIT 1996 einer kritischen und hintergründigen Berichterstattung verschrieben hat.

Was Innovation und Aktualität anbetrifft kann auch die Webseite “democracy online today” zu der Spitze gezählt werden. Das Politik-Simulations-Spiel aus Aachen machte in der Kategorie “Newcomer” gemeinsam mit dem Angebot des Bielefelder Jugendrings das Rennen. Wer sich bei
www.dol2day.de registrieren lässt, hat die Möglichkeit, an einer virtuellen Internet-Republik teilzunehmen. So sollen sich Nutzer spielerisch der Politik nähern und die Funktionsweise einer Demokratie kennen lernen. Die Idee der Plattform überzeugte auch das Wahlkampfbüro der CDU, die ihr Simulationsspiel
Wahlkreis300 nennen. Die CDU kopierte die grundlegenden Strukturen von dol2day.de und versuchen, den echten parteipolitischen Wahlkampf so realitätsnah wie möglich zu simulieren. Das hat man bei dol2day nicht nötig. Hier kämpfen Parteien wie “Le Petit Prince” gegen die “Heile Welt Partei” und küren schon in der ersten Juliwoche ihren neuen Kanzler. “Der entscheidende Unterschied zwischen dol2day und dem Wahlkreis300 ist der Umgang mit der politischen Neutralität”, erklärte dol2day-Betreiber Andreas Hauser im Interview gegenüber
politik-digital.de.

Im Bereich “Web TV” siegte
“Borschts Welt”. Bei der interaktiven Doku-Soap können die User am Drehbuch mitschreiben. Des weiteren bekam
jetzt.de, der Internet-Auftritt des Jugendmagazins der Süddeutschen Zeitung, den Förderpreis “Medienkompetenz” gemeinsam mit der digitalen
AutoLernWerkStadt von Volkswagen und dem Deutschen Bibliotheksverband. Der WDR teilte den Preis in der Kategorie “Fernsehen” für sein
Online-Angebot zum Thema Stammzellen mit dem Multimediaprojekt
“DASDING” des SWR. Einen Preis für die Kategorie “Journalismus im Internet” gibt es beim Grimme-Institut nicht zu vergeben.

Die freche Frage von Steffen Seibert, warum der Award nicht einfach Online Preis genannt werden könne, blieb genauso unbeantwortet wie die Frage nach der Zukunft der Trophäe. Denn wenn das Land Nordrhein-Westfalen seine Fördermittel streicht, wird die Preisverleihung 2003 sicherlich nicht mehr in dieser Form stattfinden können.

Politik-digital.de möchte an dieser Stelle allen Gewinnern ganz herzlich gratulieren.

Erschienen am 20.06.2002