11880314_898011810278832_5423204143135854211_nWer kann wo, wann und womit am besten helfen? Auf diese Fragen werden nun viele Berliner, die den Flüchtlingen helfen möchten, Antwort finden. Eine Website bündelt Berliner Initiativen an einem Ort, klar strukturiert und ohne Schnickschnack. politik-digital.de sprach mit Christian Lüder, einem Mitbegründer, über das Entstehen des Projekts, über Intention und Probleme und über eine schnell wachsende Helfergemeinschaft.

Netzwerk „Berlin hilft“ – ein neues Synonym für Übersichtlichkeit. Die Rede ist von der am 21. August online gestellten Website zur Strukturierung und Aufstellung aller Berliner Initiativen zur Flüchtlingshilfe. Es klingt nur logisch, dass man alle Erstaufnahmestellen, Bedarfslisten und Kontakte an einem Ort bündelt, um es Helfern und Bedürftigen leichter zu machen – und doch war es wieder die Eigeninitiative von Menschen, die etwas tun wollten und es selbst in die Hand nahmen. Was als Facebookgruppe begann, entwickelte sich schnell auf weiteren Kanälen. Eine Website und ein Twitteraccount folgten und verbreiten nun klaren unverschnörkelten Zugang zu den wichtigen Informationen in puncto -Unterstützen-. Die Initiatoren Stefanie, Linda und Christian arbeiten gemeinsam an den Inhalten und wenden einiges an Zeit dafür auf – aber es lohnt sich auch. Im Interview berichtet unser freier Autor Christian Lüder, wie es zu dem Projekt kam, was Ziele und Herausforderungen dabei sind und wie sie die gewählten Medien für diese Sache auf ihre Weise nutzen.

zitat11politik-digital.de: Wie viele Personen arbeiten an der Website?

Christian: Wir sind zu dritt. Linda hat ursprünglich die Facebook-Gruppe gegründet. Relativ schnell kamen Stefanie und ich dazu. Dann ergab sich die Idee, die Gruppe um eine Website zu ergänzen, um das Ganze übersichtlicher zu machen und auch außerhalb von Facebook die Informationen bereitstellen zu können.

politik-digital.de: Wer verwaltet die Website hauptsächlich?

Christian: Das technische Grundgerüst kam von mir. Ich mache sicher auch noch den größten Teil an administrativer Arbeit daran. Stefanie macht daneben den Twitterkanal und hat diesen initiiert. Inhalte sammeln wir alle drei und stellen sie auch jeweils online. Je nach Bedarf und Situation posten wir das dann bei Facebook oder twittern etwas, gerade, wenn es sehr aktuell ist. Und umgekehrt posten wir dann den Tweet wieder auf Facebook. So sind alle 3 Medien gleichermaßen aktuell. Zudem sprechen wir regelmäßig über die Struktur der Seite und legen dann Änderungen auch gemeinsam fest.

politik-digital.de: Wann habt ihr die Notwendigkeit für diese Website gesehen?

Christian: Nahezu umgehend nach Gründung der Facebook-Gruppe. Facebook und alle dort vertretenen Gruppen der einzelnen Helfer-Initiativen mit ja inzwischen mehreren tausend Mitgliedern jeweils haben den Nachteil, dass die Info, die vormittags gepostet wurde, abends bereits aus dem Blickfeld verschwunden sein kann. Dieses Problem führte u.a. zur Gründung unserer Gruppe, die am Ende ja aber das gleiche Problem hat. Auf der Website ist die Information strukturiert und wieder auffindbar. Das war das Hauptargument. Daneben ist die Website auch mobil erreichbar und letztlich auch für die Menschen, die nicht bei Facebook sind.

politik-digital.de: Warum habt ihr euch für diese Medien (Facebook/Twitter und Website) entschieden?

Christian: Alle drei zusammen bilden letztlich all das ab, was wir für notwendig erachten. Manche Schwäche des einen Mediums ist die Stärke des anderen.

zitatneupolitik-digital.de: Wen wollt ihr damit gezielt ansprechen?

Christian: Alle Menschen, die in irgend einer Weise helfen, spenden oder sich engagieren wollen. Zudem bieten wir inzwischen auch schon viele Hilfsmittel für Helfer oder Einrichtungen selbst. Angefangen von der reinen Information – was – wo – wie – haben wir inzwischen medizinische Tipps auf der Seite, Dokumente zum Übersetzen, Deutsch lernen, rechtliche Zusammenfassungen und zahlreiche Links zu Einrichtungen und Organisationen unterschiedlichster Art und Weise.
Wir wollen eine Plattform sein, auf der jemand, der helfen will, alle dafür notwendigen Informationen vorfindet. Daneben gibt es zunehmend Tipps und Informationen für Helfer, die bereits organisiert sind und ebenso für Hilfsinitiativen, die sich in einer bestehenden oder neuen Einrichtung engagieren.

politik-digital.de: Klappt das bisher?

Christian: Soweit wir das beurteilen können – ja. Wir haben gut 2.000 Mitglieder in der Gruppe auf Facebook, in der Spitze knapp 7.000 tägliche Aufrufe der Website und mehr als 100 Follower auf Twitter. Für ein Projekt, das es auf Facebook seit gut zwei Wochen gibt, eine Website, die seit 11 Tagen online ist und wir auf Twitter gerade eine Woche aktiv sind, haben wir wohl damit ein gutes Angebot hinbekommen, das auch so angenommen und benötigt wird. Die Zahlen alleine zeigen das ja. Wir bekommen jeden Tag neue Hinweise und Anregungen. Und auch viel Zuspruch.

politik-digital.de: Ihr habt euch dazu entschieden, die Kommentarfunktion auszuschalten. Warum?

Christian: Die Kommentarfunktion ist nicht durchgängig ausgeschaltet. Dazu gibt es genug Möglichkeiten, uns zu erreichen, wovon ja auch reger Gebrauch gemacht wird. Es macht an vielen Stellen nur einfach keinen Sinn, wenn viele Kommentare einen Beitrag “verwässern”. Die generelle Information über den Standort x oder y benötigt ja keinen direkten Kommentar. Wir wollen damit die Übersichtlichkeit beibehalten und zudem eben die reine Information transportieren, um die es uns ja letztlich geht.

politik-digital.de: Wird damit nicht die Reichweite und neue Ideen eingeschränkt?

Christian: Ich denke nicht, da wir ja in ausreichendem Maß erreichbar sind und erreicht werden. Wir erhalten viele Kommentare, Anregungen, Links oder Wünsche zur Eintragung oder Ergänzung. Neuen Ideen gegenüber sind wir sehr offen und regen dazu ja auch immer wieder an. Es ist letztlich Neuland für alle. Insofern betrachten wir uns auch als offenes Projekt. Wir wissen selbst nicht genau, ob es nicht in zwei oder drei Wochen noch ganz andere Punkte auf der Website geben wird, an die wir aktuell noch gar nicht so denken.

politik-digital.de: Beim Einrichten der Website, welche Gedanken kamen dabei auf? Wart ihr zum Beispiel überrascht, von der Menge an Initiativen oder eher nicht?

Die Anzahl der Initiativen war uns ja im Vorfeld im Wesentlichen bekannt. Dass es so viele sind, führte ja zu der Idee der sammelnden Facebook-Gruppe und dann zur Website. Die ersten Gedanken waren, eine schlanke, knappe und schnörkellose Website zu machen, die reine Information als das zu Vermittelnde. Also eher ein puristischer Ansatz, denn Schnickschnack und so manches „fancy tool“, das man sonst vielleicht verwendet, hilft ja nicht bei unserem Gedanken, eine Informations-Plattform zu sein und wird schlicht nicht benötigt.

politik-digital.de: Habt ihr schon Feedback bekommen?

Christian: Jeden Tag, sachliches Feedback, aber auch wirklich viel lobende und anerkennende Worte. Das ehrt uns, aber uns geht es ja vor allem um die Sache, also eine Plattform mit allen Informationen anzubieten. Wir selbst stehen dabei nicht im Vordergrund. Aber dennoch freuen wir uns natürlich über jeden Zuspruch und jede Bestärkung, wie auch jede Ergänzung oder Kritik.

politik-digital.de: Welch technischen und konzeptionellen Probleme habt Ihr beim Erstellen der Seite und der Social-Media-Profile gehabt?

Christian: Wir haben die Seite ja als Subdomain unter WordPress begonnen, also als free-account. Folge sind sicherlich einige technische Limitierungen. Dabei ist das größere Hindernis aber wohl am Ende dann meine fehlende Sachkenntnis in der Website-Erstellung und nicht nur die Limitierung des free-accounts. Manche Dinge sind gedanklich noch in der Schwebe, weil die technische Umsetzung auch unter Berücksichtigung des Datenschutzes bei dem Anbieten und Vermitteln von privaten Unterkünften z.B. erst noch gefunden werden muss. Gleiches gilt im Wesentlichen für all die Bereiche, in denen sich Menschen gegenseitig finden sollen, z.B. wenn jemand Spenden hat, diese aber nicht bewegen kann und einen Fahrer sucht. An solchen Lösungen arbeiten wir noch. Dabei ist eben der Datenschutz besonders wichtig, weil es inzwischen auch schon Bedrohungen einzelner Personen an anderer Stelle gegeben hat. Dies wollen wir natürlich nicht befördern.

Facebook andererseits bietet ja auch durchaus Unterstützung für Websites, allerdings geht man dann bei Facebook von einer Facebook-Seite und nicht von einer Facebook-Gruppe aus. Deshalb haben wir zwar eine Verlinkung auf der Seite zur Gruppe, aber nicht den Komfort des Widgets für eine Seite. Letztlich war uns wichtig, dass die Seite nicht zu verworren und möglichst klar aufgebaut ist. Dazu wollten wir unbedingt auch mobil per Smartphone oder Tablet erreichbar sein unzitat3d dort eine gute Darstellung anbieten.
Twitter verschafft uns die Möglichkeit, schnell Informationen zu transportieren. Das hat auch schon geholfen, als es z.B. um die private Unterbringung von Flüchtlingen ging, die am LaGeSo nicht mehr versorgt werden konnten. Facebook ist dabei das zentrale Medium, aus dem wir den überwiegenden Teil unserer Informationen beziehen.

politik-digital.de: Welche Funktion soll die Website in Zukunft noch übernehmen, wenn die Unterbringung/Versorgung der Flüchtlinge erst mal geregelt ist?

Christian: Ich denke und befürchte, dass es noch eine ganze Weile dauern wird, bis diese Regelung eintritt. In naher Zukunft werden sicherlich noch weitere Erstaufnahmen eingerichtet werden. Vielleicht können wir aus der Erfahrung der anderen Unterkünfte eine Art Leitfaden liefern, frei nach dem Motto “Wie baue ich am schnellsten eine Erstaufnahme auf?”. Vielleicht können wir die Struktur dazu liefern für Bedarfs- und Helfer-Listen, Leitfäden etc. Das ist eine Idee. Möglicherweise können wir auch für andere Städte so etwas wie unsere Seite anbieten, wobei dies dann von Menschen vor Ort betreut werden müßte. Und letztlich wollen wir ohnehin eine Info-Plattform sein und bleiben für Menschen in Not, ob nun Flüchtlinge, Obdachlose, Menschen in Armut oder welchen schwierigen Umständen auch immer.
Es hat sich eine enorme Hilfsbereitschaft unter den Menschen entwickelt. Das soll keine kurzfristige Sache bleiben, sondern wir möchten diesen Schwung der Hilfsbereitschaft gerne mitnehmen. Zunehmend kommen auch Firmen auf die Idee, Spendenprojekte unterschiedlichster Art aufzusetzen. Hierbei können wir zukünftig auch helfen, die notwendigen Informationen zusammenzutragen, Spenden in die richtige Richtung zu lenken und bei der Organisation zu helfen.
Wir sind inzwischen an zahlreichen Stellen gelistet. Dazu gehören Seiten, die naheliegend sind, wie z.B. die des Flüchtlingsrates Berlin. Daneben finden wir uns aber auch in diversen intranets großer Unternehmen wieder. Charité, BSR und BVG sind nur stellvertretend genannt. Hier wird offenbar für die Mitarbeiter auch einiges getan, um deren Hilfsbereitschaft zu unterstützen. Wenn wir dazu beitragen können, freut uns das.

politik-digital.de: Welchen Rat könnt ihr jemandem geben, der ähnlich wie ihr die Nachfrage nach solch einer ehrenamtlichen und gemeinnützigen Website sieht und selbst eine erstellen möchte?

Christian: Simpel gesagt – kopiert uns. Kopiert uns insofern, daß es nicht auf die Schönheit und die Feinheiten der Website-Programmierung ankommt. Niemand wird eine Preis für die schönste Seite haben wollen. Fangt einfach an, selbst wenn nur das Grundgerüst steht und nicht erst dann, wenn ihr meint, daß es nun perfekt wäre. Irgendwann am Anfang haben wir mal gesagt “lieber mit dem klapprigen Käfer schon mal losfahren als auf den tollen Neuwagen sparen, aber deshalb nirgends ankommen”. Steht das Grundgerüst, legt los. Der Rest findet sich von alleine.

Bild: Netzwerk “Berlin hilft”

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