Wie können Gesetze so gestaltet werden, dass sie eine Digitalisierung bzw. Automatisierung der Rechtsanwendung ermöglichen? Und welche Veränderungen braucht es dafür im Rechtssetzungsprozess? Mit diesen Fragen hat sich das Kompetenzzentrum Öffentliche Informationstechnologie (ÖFIT) in ihrer neuesten Publikation auseinandergesetzt.

Zum ersten September hat die interdisziplinäre Denkfabrik des Fraunhofer Institut für offene Kommunikationssysteme (Fraunhofer FOKUS) ein Impulspapier zur digitalen Vollzugstauglichkeit von Gesetzen veröffentlicht. Das Papier mit dem Titel: „Recht digital: Maschinenverständlich und automatisiert anwendbar“, gibt Handlungsempfehlungen zur Erarbeitung und Gestaltung von Gesetzestexten, um diese für Maschinen und Künstliche Intelligenz auslesbar und anwendbar zu machen.

Die Digitalisierung birgt riesige Potenziale für eine effektivere und effizientere Umsetzung von Verwaltungsprozessen, jedoch ist die nachträgliche Umsetzung eines Gesetzestextes in Softwareprogramme mit einem sehr hohen Aufwand und einer hohen Fehlerquote verbunden. In fünf Handlungsfelder beschreibt das Impulspapier, welche Maßnahmen notwendig sind, um eine Maschinenlesbarkeit von Gesetzen herzustellen. „Es gilt […] die inhaltliche Bedeutung der Regeln, die im Medium der Rechtssprache verfasst sind, im Medium der Programmiersprache abzubilden.“

Ausarbeitung der Gesetze

Um Gesetze digital vollzugstauglich zu machen, müssen die Entwicklerinnen und Entwickler bereits im Gesetzgebungsprozess die späteren verwaltungstechnischen Prozessabläufe berücksichtigen. Dazu wird eine grafische Visualisierung empfohlen, die Optimierungspotenziale, aber auch mögliche Fehleranfälligkeiten bereits erkennbar macht. Außerdem ist es notwendig interdisziplinäre Gesetzgebungsteams zu bilden. Durch das Heranziehen von Vollzugsexpertinnen und Vollzugsexperten sowie IT-Spezialistinnen und IT-Spezialisten können bereits vor der Verschriftlichung des Rechts die zukünftigen Verwaltungsabläufe berücksichtigt und visualisiert werden. Somit werden Fehler bei späteren Übersetzungen vermieden und eine Kohärenz des entstehenden Gesetzes sichergestellt.

Formulierung von Gesetzestexten

Bei der Verschriftlichung der Gesetze ist es dann wichtig, klare Formulierungen zu wählen. Rechtsbegriffe müssen gesetzübergreifend klar definiert werden, was heute noch nicht der Fall ist. „Im Sinne eines hohen Automationsgrades und der Korrektheit von Software sollten eine hohe Standardisierung und geringe Begriffsvielfalt das rechtspolitische Ziel sein.“ Der Begriff „Wohnsitz“ zum Beispiel könnte vereinheitlicht an die Meldeadresse gebunden sein. Somit ergibt sich mit der Zeit ein Pool an klar definierten Begrifflichkeiten, aus denen sich neue Gesetzestexte einfach und verständlich zusammensetzen und mit denen auch IT-Systeme arbeiten können. Bei der Formulierung sollte man sich an einfachen sogenannten „Wenn-Dann“-Regeln orientieren. Also nach dem Motto: Wenn A auf eine Person zutrifft, hat diese Person Anspruch auf Leistung B. Zur Erschließung einer regelbasierten Logik wird es zudem nützlich sein, die Bedingungen, Ausnahmen und Folgen zu visualisieren und dadurch einfacher verständlich zu machen. Dies dient nicht nur der Auslesbarkeit durch Maschinen, sondern auch den zuständigen Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeitern.

Die Umsetzung in der Verwaltung

Zur Umsetzung des Rechts in Vollzugsprozesse, unter Unterstützung von IT-Systemen, muss die verwendete Technik mit den entsprechenden Datenquellen verbunden werden. Somit kann diese einen Großteil des Vollzugsprozesses selbständig vollziehen und das klassische Vollzugspersonal wird nur noch in komplizierten Fällen oder bei uneindeutigen Gesetzen, bei der das Recht ausgelegt werden muss, herangezogen. Auch in diesen Fällen sollte das Potenzial einer Automatisierung jedoch nicht vollständig ausgeschlossen werden, denn auch Teilaspekte und Vorarbeit kann von IT geleistet werden ohne dass die endgültige Entscheidung dann bei der IT selbst liegt.

Anwendung finden die in der Publikation dargestellten Maßnahmen in der frühen Phase der Gesetzgebung. Der zentrale Ansatz ist eine Maschinenverständlichkeit des Rechts, der in der Entwurfsphase Anwendung findet und in der Folge sowohl die verwaltungstechnischen Prozesse als auch die Umsetzung im privaten Sektor erheblich vereinfachen kann.

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