In 299 bundesweiten Wahlkreisen wird gewählt. In einer wöchentlichen Kolumne heftet sich politik-digital für die verbleibende Zeit bis zur Bundestagswahl an die Fersen eines jungen Direktkandidaten im Wahlkreis 007. Berichte und Eindrücke sowie Banales bis Kurioses des Stimmenfangs im Wahlkampf vor Ort.

 

Frau M. sitzt im Hintergarten als es an der Haustür klingelt. Die alte Dame öffnet vorsichtig. Vor ihr steht ein junger Mann in kurzen Hosen und Hemd. „Guten Tag, Frau Müller, ich bin ihr Bundestagskandidat Ole Schröder“, sagt der Besucher, der ihr Enkel hätte sein können, und überreicht ihr eine Visitenkarte und Informationsmaterial. Sie werde sich alles durchlesen und ihn anrufen, falls sie Fragen hätte, beteuert Frau M. schnell und ist froh als sie die Haustür wieder schließen kann. Wer es denn gewesen sei, fragt ihr Ehemann später. Irgendein Politiker wohl, so die Antwort.

Auch Frau K. im Haus gegenüber blickt Schröder kurzzeitig skeptisch an. Dann kommt ihr das Gesicht plötzlich bekannt vor: „Sie kenne ich doch aus der Zeitung“, fährt es aus ihr heraus. Schön, dass sie mal vorbeischauen, ich hätte sie doch eh gewählt, ich hätte da noch eine Frage… Das Gespräch läuft. Beide Seiten sind froh über die Aufmerksamkeit, die ihnen entgegengebracht wird. Frau K. erzählt aus ihrem Leben, über die wirtschaftliche Krise der Firma ihres Mannes, über die Schule ihrer Kinder. Hier und dort müsste Schröder doch etwas bewegen können, wenn er in Berlin ist. Viel Erfolg und alles Gute gibt sie dem Kandidaten für den 22. September mit auf den Weg.

Ole Schröder klingelt täglich an Dutzenden von Haustüren. Kurz vor der Wahl ist dies die einzige Möglichkeit mit dem Wähler in Kontakt zu kommen. Ein bisschen aufdringlich komme man sich manches Mal doch vor, berichtet Bernd Weiher, Pressesprecher im Wahlkampfteam des Kandidaten, aus praktischer Erfahrung an der Wählerfront. Andererseits sei genau dieser Bürgerkontakt doch das, was eine lebendige Demokratie und die Aufgabe des politischen Volksvertreters ausmache. Wenn der Wähler nicht zum Kandidaten, dann muss der Kandidat zum Wähler. Nicht alle reagieren auf die freundlich lächelnden Besucher mit ihren Infoblättern und Give-Aways wie Frau M. und Frau K.. Weiher kennt auch den Typus, der Politiker im Allgemeinen meidet und einem sprichwörtlich die Tür vor der Nase zuschlägt. Die Worte „Lasst mich bloß in Ruhe, mit euch will ich nichts zu tun haben“ muss jeder politische Hausbesucher ab und an über sich ergehen lassen. Umdrehen und zur nächsten Tür, lautet dann die Devise der Wahlkämpfer.

Mit den Bürgern ins Gespräch zu kommen, wird in den letzten Tagen vor der Wahl immer schwieriger. „Die Zeitungen im Kreis Pinneberg schreiben größtenteils nicht mehr über Politik“, stellt Pressesprecher Weiher zudem fest. Tatsächlich ist der Wahlkampf aus den meisten Regionalzeitungen schon Wochen vor dem Urnengang verbannt und eine Pressearbeit auf allen politischen Ebenen nur noch stark eingeschränkt möglich. Will der Kandidat den Leuten dann doch die dringenden politischen Themen näherbringen oder will er nur die überzeugten Stammwähler seiner Partei zur Stimmenabgabe auffordern: Das persönliche Gespräch ist unerlässlich. Insbesondere auf kommunaler Ebene sind die Wahlkampfveranstaltungen nur spärlich besucht. Die wenigen Großereignisse sorgen zwar für volle Säle, doch viele der Besucher gehören zum Parteivolk oder kommen aus parteinahen Kreisen. Die sprichwörtliche „Parteifamilie“ kehrt sich mitunter ins Negative.

Wahlumfragen: Jede Stimme zählt

Die Wahlumfragen sind in aller Munde. Nicht nur die Bundesprominenz schaut auf die Ergebnisse der Wahlforscher. Die Wählerstimmung im Kreis Pinneberg (
www.btw2002.de), die noch 14 Tage vor der Wahl für gute Laune im Wahlkampfteam von Schröder sorgte, drehte sich in der letzten Woche wie der Wetterhahn auf der Kirchturmspitze. Galt lange Zeit ein kleiner Vorsprung für den Kandidaten und seine Partei, führt nun die politische Konkurrenz. Sturm und Gewitterwolken am Wahlsonntag sind vorprogrammiert. Für den Kandidaten kein Grund aufzugeben. Die Schröder-Mannschaft zieht sich wegen einiger dunkler Wolken nicht ins Trockene zurück, sondern wagt gerade den Schritt vor die Tür. Vor die Haustüren der Wähler. In einer großflächigen Aktion sollen spezielle Werbeflyer, Muntermacher für die müden Wähler, am frühen Wahlmorgen in den Briefkästen der Pinneberger landen. Großeinsatz für die Wahlkampffeuerwehr. Bei der letzten Aktion müssen noch einmal alle Helfer aktiviert werden. Für Schröder und sein Wahlkampfteam ist klar: Jede einzelne so hinzugewonne Stimme kann bei einem knappen Rennen die Entscheidung bringen. Die Motivation der Unterstützer fällt schwer. „Nur noch bis Sonntag, dann ist es für vier Jahre vorbei“, werden die Wahlkampftruppen angefeuert. Manch einer kann es kaum erwarten.

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Erschienen am 19.09.2002