Wie das Internet auf die Katastrophe von New York reagiert. "Wow, was für ein Film ist das denn?" wird "Fred" aus Großbrittanien von seinem Sohn gefragt, als dieser nach der Schule nach Hause kommt und seinen Vater vor dem Fernseher sieht. "Das ist kein Film – das ist das echte Leben", ist die Antwort Freds.

So nachzulesen auf der Webseite des britischen Fernsehsenders British Sky Broadcasting (
BSB), der seine Leser dazu auffordert, seine persönlichen Reaktionen per E-Mail an den Sender zu schicken.

Nicht nur am Tag danach, sondern auch während der Katastrophe lieferte das Internet zuverlässig Informationen über das aktuelle Geschehen. Obwohl viele Newsseiten zeitweise nicht erreichbar waren (politik-digital
berichtete), und andere in einem stark reduzierten Design ohne aufwendige Grafiken oder Menus erschienen, erwies sich das Netz als zuverlässiger als zum Beispiel das Telefon. Es wird von mehreren Fällen berichtet, in denen Menschen ihre Angehörigen nicht über Telefon erreichen konnten, mit einer E-Mail aber erfolgreich waren. Der Internet-Nachrichtendienst internet.com berichtet, dass die Erreichbarkeit von Internetseiten im gesamten Netz kurzfristig von 96 auf 88 Prozent sank (
"USA: Internet-Traffic stieg nach der Katastrophe drastisch an").

In der Tat ermöglicht das Netz vor allem jedoch jeden, über seine persönlichen Eindrücke zu reden. In zahlreichen Newsgroups, Foren und Kondolenzbüchern (zum Beispiel bei der deutschen Seite
dol2day.de) gehen immer noch weitere Einträge ein. In Amerika dominiert Wut über die (bisher immer noch unbekannten) "Feiglinge" (George W. Bush), die den Anschlag verübt haben. In der Anonymität des Netzes fiel es vielen Amerikaner leicht, ihrer Wut freien Lauf zu lassen. Beschimpfungen und Aufrufe, Afghanistan, dem Irak und möglichst auch allen islamischen Ländern den Krieg zu erklären, sind hier keine Seltenheit. Andere User sind zwar wenier radikal, treffen dafür aber genau den Kern der Diskussion um die Frage, wie Amerika langfristig auf die Attentatserie reagieren wird: "Wir sollten alle Hilfsgüterlieferungen und Hilfsgelder-Transaktionen in andere Ländere stoppen und keine Nicht-Amerikaner in die Staaten lassen. Stoppt alle Importe! Sie brauchen uns und nicht wir sie!" Forderungen wie diese sind durchaus realistisch, wenn auch wenig wahrscheinlich.

Wenig wahrscheinlich, aber "verdammt unheimlich" ist auch die Meldung in einer
Newsgroup, die vielleicht schon Kontakt zu einem der (Selbstmord-)Attentäter hatte:

Am 31. August meldete sich unter dem Subject "911" (nach amerikanischer Schreibweise vielleicht ein Kürzel für den 11.9.?) ein gewisser "Xinoehpoel" und kündigte für den 1. September an: "Etwas wird morgen passieren." Nachdem der 1. September jedoch ereignislos verstrichen war, verbesserte sich Xinoehpoel selber: "Warte sieben Tage (…) In sieben Tagen werde ich werde fortgehen und Du wirst nie wieder von mir hören." Die Newsgroup-Gemeinde ist jedoch gespalten über die Person des Xinoehpoel. Warum irrte sich Xinoehpoel mit seiner ersten Vorhersage für den 1. September? Lag es wirklich am schlechten Flugwetter, wie "Mike B" meint? Von mehreren Usern wurden die Beiträge vorsichtshalber an FBI und CIA weitergeleitet.

Doch auch das
FBI selber sucht im Netz nach Hinweisen auf die Attentäter und hat eine Seite ins Netz gestellt, auf der Hinweise aus der Bevölkerung gesammelt werden.

Auf anderen Seiten, wie der Online-Community
craigslist.org, wurden Foren eingerichtet, auf denen man nach Verwandten und Bekannten suchen oder eine Meldung posten kann, wenn man ein Opfer des Anschlages bei sich aufgenommen hat. 13615 Datensätze sind bis zum Augenblick, am Donnerstag mittag, auf der Seite gespeichert. Durch Seiten wie Craigslist.org oder
www.shunn.net/okay/, auf der ebenfalls Namen von Überlebenden veröffentlicht werden, sollen die Telefonleitungen für Notfälle freigehalten und die Schlangen vor den Krankenhäusern sollen verkürzt werden. Auf Bildern aus New York sieht man, wie Hunderte von Menschen vor den Krankenhäusern warten, um dort nach Verwandten und Bekannten zu suchen. Craigslist.org ermahnt auf seiner Internetseite auch dazu, auf rassistische Übergriffe gegen arabisch-stämmige Amerikaner zu verzichten. Eine Warnung, die nicht von Ungefähr kommt, schließlich hat selbst US-Präsident Bush bekundet, man werde keinen Unterschied machen zwischen "Terroristen, und denjenigen, die Terroristen beherbergen." Der schwelende Anti-Islamismus erfüllt auch manchen Newsgroup-User mit Sorge: "Was sollen wir tun? Jeden Araber in ein Konzentrationslager sperren? Beruhigt euch, ihr Idioten, und hört auf, Haß zu verbreiten."

Hilfe bieten auch verschiedene Firmen an: So hat die amerikanische Firma
paypal.com, die Rechnungen über das Internet verschickt, einen Online-Spendenservice für das amerikanische Rote Kreuz eingerichtet eingerichtet.
yahoo.com,
amazon.com und andere Unternehmen folgten seinem Beispiel. Amazon.com hat so in zwei Tagen 1,8 Millionen Dollar gesammelt. Der für seine aggressive Internet-Werbung berüchtigte Versandhändler X10 hat nach Angaben der
Netzeitung gestern seinen ankommenden Datenverkehr auf die nationale Blutspenden-Seite umgeleitet. Heute, am Donnerstag, gelangt man wieder auf die Homepage der Firma. Immer noch online sind jedoch eine Beileidsbekundung und Links zu Hilfsorganisationen. Das Online Aktionshaus eBay hat unterdessen alle Artikel zum World Trade Center und dem Pentagon aus seinem Programm gesperrt, um zu verhindern, dass jemand aus der Katastrophe Profit schlägt. Sogar Pornoseiten stellten den Betrieb ein: Die bekannte Pornoseite mit dem "regierungsnahen" (
Spiegel) Namen whitehouse.com hat auf ihrer Homepage eine Beileidsbekundung und einen Augenzeugenbericht veröffentlicht.

Die Emotionen kochen über im Netz, aber man hat den Eindruck, als würden die ernsthaft Betroffenen den übereifrigen Kriegstreibern noch voraus sein. Zumindest solange nicht eindeutig feststeht, wer hinter den Attentaten steht, fehlt den Kriegstreibern das entscheidende Argument. Aber was ist, wenn sich tatsächlich der vermutlich in Afghanistan lebende Top-Terrorist Osama bin Laden zu den Attentaten bekennt? Eilig erstellte Umfragen belegen, dass 92 Prozent der Amerikaner auch kriegerische Vergeltungsmaßnahmen befürworten würden.