Helga Kühn-Mengel ist am 28. Januar 2004 zu Gast im tacheles.02
Live-Chat von tagesschau.de und politik-digital.de.

Moderator:
Liebe Politik-Interessierte, herzlich willkommen im tacheles.02-Chat.
Die Chat-Reihe tacheles.02 ist ein Format von tagesschau.de und
politik-digital.de und wird unterstützt von tagesspiegel.de und von
sueddeutsche.de. Heute ist die Patientenbeauftragte der Bundesregierung
Helga Kühn-Mengel zum Chat ins ARD-Hauptstadtstudio gekommen. Legen wir
gleich los:

bremen06:
Die Süddeutsche Zeitung schreibt, dass Sie die geplante Reform der
Pflegeversicherung teilweise auf Eis legen wollen, um die Umfragewerte
der SPD nicht noch mehr in den Keller zu drücken. Haben sie den
Beitragszahlern da zu viel zugemutet oder werden die Ansätze des
Gesundheitsministeriums nur missverstanden?

Helga Kühn-Mengel:
Dazu kann ich nur sagen: Im Moment steht die Gesundheitsreform und ihre
Umsetzung im Vordergrund. Daneben werden wir auch die Rentenreform
bearbeiten müssen und da gibt es auch das höchstrichterliche Urteil mit
der politischen Umsetzung der nachgelagerten Besteuerung. Das sind zwei
große Projekte. Bezogen auf die Pflege werden wir in diesem Jahr noch
die Vorgabe des Bundesverfassungsgerichtes umzusetzen haben: Dieses
Urteil legt dem Gesetzgeber die Verpflichtung auf, Familien mit Kindern
im Rahmen der Pflegeversicherung zu entlasten. Das wird in jedem Fall
in diesem Jahr zu erfolgen haben. Die Pflegeversicherung steht bis zum
Jahr 2008 in jedem Falle auf sicheren Füßen. Bis dahin muss eine Reform
der längerfristigen Finanzierung erfolgen.

Ulli Universum:
Stichwort: Sonderbeitrag für Kinderlose. Ist dieser Sonderbeitrag, der
ja wohl auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts zurückgeht, jetzt
endgültig vom Tisch?

Helga Kühn-Mengel:
Das ist noch im Abstimmungsverfahren und in jedem Fall kann ich nur
wiederholen, dass diese Frage durch die Fristsetzung des
Verfassungsgerichtes in diesem Jahr zu klären ist.

Moderator:
Aber noch mal nachgefragt. Der CDU-Sozialexperte Andreas Storm fordert
jetzt bei der Pflegeversicherung einen Beitragsbonus für Eltern von
zehn Euro pro Jahr. Macht 1,6 Milliarden Euro aus Steuermitteln. Geht
es jetzt in diese Richtung?

Helga Kühn-Mengel:
Die Opposition hat es immer leicht mit den Vorschlägen. Wir müssen sehr
gut abwägen, welche Entlastungen in diesem Bereich umgesetzt werden
können. Ich kann nur sagen: Es ist noch nicht entschieden.

Kleopatra:
Der Zahnersatz fällt ab 1/2005 aus dem Leistungskatalog heraus. Ab dann
muss eine Zusatzversicherung abgeschlossen werden. Meist werden aber
Bürger über 65 nicht mehr versichert. Sollen die künftig zahnlos durch
die Welt laufen? Was gedenkt die Politik zu tun?

Helga Kühn-Mengel:
Das war ja im Zuge der Kompromissverhandlungen mit der Opposition einer
der ganz schwierigen Punkte. Wir wollten eine Privatisierung von
Zahnersatz und Zahnbehandlung in jedem Fall vermeiden, so wie es die
Opposition gefordert hat. Der Kompromiss bestand in der Vereinbarung,
dass die Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung – GKV – die
Wahlmöglichkeit haben: Entweder Verbleib in der gesetzlichen oder
wechsele ich mit diesem Anteil in eine private Versicherung. Hier kann
ich Patienten und Patientinnen nur auffordern, sich sehr sorgfältig
über die Bedingungen in beiden Systemen zu informieren. Also, mit
dieser Wahlmöglichkeit wurde auch dafür gesorgt, dass gesetzliche
Versicherte in der GKV mit einem eigenen Beitrag verbleiben können.

Berthold Borkenbeck:
Frau Kühn-Mengel, würden Sie zukünftig bei der Öffentlichkeitsarbeit
etwas anders machen, wenn es darum geht, Ziele und Mittel der
Gesundheitsreform den Bürgern näher zu bringen?

Helga Kühn-Mengel:
Wir haben, das Ministerium vielmehr, hat schon vor Monaten begonnen,
mit einer Hotline zu informieren. Es gab auch viele Broschüren und
Informationen. Ich selbst habe bundesweit Veranstaltungen durchgeführt.
Ich muss jetzt, wenn ich den Umfang der Briefe, Anrufe und Emails
anschaue, feststellen, dass die Transparenz im System als unzureichend
bezeichnet werden muss. Hier ist anzumerken, dass Patienten und
Patientinnen auch durch die so genannten Leistungserbringer und durch
die Krankenkassen nicht gut genug informiert werden.

G. Nesung:
Guten Tag, Frau Kühn-Mengel, betreiben die Gegner der Gesundheitsreform
zurzeit eine regelrechte Kampagne, zum Beispiel die Ärztevereinigung?

Helga Kühn-Mengel:
Ich will hier nicht generalisieren, muss aber feststellen, dass auch
von dieser Seite gelegentlich Verunsicherungen und Desinformation
betrieben, auch eine Übergangssituation im eigenen Interesse ausgenutzt
wird: Hier sei auf das Verhalten einiger Augenärzte verwiesen, die
neben der Praxisgebühr auch noch – ungerechtfertigterweise – sich haben
25 Euro für die Diagnostik bezahlen lassen und auch kein Inkassoproblem
dadurch haben.

BKVV: Ein konkretes Beispiel der Desinformation bitte?

Helga Kühn-Mengel:
Die Krankenkassen hätten vom ersten Tag an auch die Möglichkeit, in
bestimmten Fällen Fahrtkosten nach Prüfung des Einzelfalls zu
genehmigen. Hier hätte ich mir in vielen eindeutigen Fällen
sensibleres, kundenfreundlicheres Vorgehen gewünscht.

Hegi:
Sehr geehrte Frau Kühn-Mengel, wir haben heute die Auskunft von unserer
Krankenkasse bekommen, dass bevor sie die Richtlinien der Regierung
über Fahrtkosten zu Behandlungen erhält, keine Entscheidung über
individuelle Fälle fällen kann. Können Sie uns sagen, wann es bei den
Krankenkassen soweit sein wird?

Helga Kühn-Mengel:
Es gibt keine Richtlinie der Regierung. Der Gesetzgeber hat das Gesetz
gemacht und mit verschiedenen Aufträgen an die Selbstverwaltung
versehen. Dazu gehörte der Auftrag, die Kriterien für chronische
Erkrankungen zu entwerfen und darüber Kriterien für Fahrtkosten zur
ambulanten Behandlung zu definieren. Die Krankenkassen haben immer
signalisiert, dass sie dies flexibel handhaben, was in diesem Fall
offenbar nicht der Fall ist. Der Bundesrat hat in seiner Sitzung vom
22. 01. hierfür Regelungen festgelegt. Schon eine Woche vorher, am 15.
01., hatten die Spitzenverbände der Krankenkassen im Vorgriff auf die
Sitzung eine schnelle Umsetzung signalisiert.

MartinMertens:
Hallo! Was sagen sie dazu, dass einige Ärzte jetzt massiven Druck auf
ihre Patienten ausüben, indem sie sämtliche Serviceleistungen und
Freundlichkeiten unterlassen und all dies auf die Regierung schieben?

Helga Kühn-Mengel:
Diese Ärzte stellen offensichtlich nicht das Wohl der Patienten in den
Mittelpunkt ihres Handelns, sondern tragen auf deren Rücken politische
Angriffe aus.

pol-di redaktion:
Hier eine Frage im Auftrag einer Userin, die leider am Chat nicht
teilnehmen kann, aber uns ihre Frage per E-Mail geschickt hat: "Was
empfehlen Sie lebensbedrohlich erkrankten Patienten, die auf Grund der
geänderten BUB-Richtlinie die einzig mögliche medizinische Behandlung
nicht mehr erhalten?"

Helga Kühn-Mengel: Wir können diese Frage klären, bitte schicken Sie uns eine Mail.
Unsere Webadresse: www.die-patientenbeauftragte.de Dort gibt es auch einen Mail-Kontakt für spezielle Anfragen.

Rainer Ã-hlmann:
Guten Tag, ich habe eine Frage zu den geplanten Änderungen der
Heilmittel-Richtlinien. Wie wird insbesondere der Wegfall der
Langfristverordnungen sich zum Beispiel für Schlaganfall-Patienten
auswirken und wie beurteilen Sie diese starken Einschränkungen für die
Rehabilitation dieser Patienten Gruppe?

Helga Kühn-Mengel:
In der zurzeit vorliegenden Fassung, die noch nicht in Kraft ist und
derzeit vom Ministerium geprüft wird, können Ärzte auch
Langzeitbehandlungen verordnen. Sie müssen dies aber begründen.

nachsorger:
Ich gehe seit Jahren zur Krebsnachsorge, ohne vorher zum Hausarzt zu
gehen – für mich und die Ärztin eine Zeitersparnis, denn die Nachsorge
jedes halbe Jahr ist ja wichtig. Aber für die Überweisung muss ich
jetzt 10 Euro zahlen. Finde ich ungerecht, da ich keine Mehrkosten
verursache?

Helga Kühn-Mengel:
Sie können direkt wie gewohnt zum Arzt ihres Vertrauens gehen. Häufig
ist das in diesem Fall ein Internist, der ohnehin auch hausärztlich
tätig sein kann. Dort entrichten sie die Praxisgebühr. Sollte in diesem
Quartal ein weiterer Arztbesuch nötig sein, so lassen sie sich vom
behandelnden Arzt überweisen. In dem Fall fällt keine weitere
Praxisgebühr an.

suomiri: Warum muss ich für das telefonisch erfragte Laborergebnis einer Krebsvorsorguntersuchung eine Praxisgebühr bezahlen?

Helga Kühn-Mengel:
Das ist rechtens, weil eine telefonische Beratung immer Bestandteil der
ärztlichen Behandlung war. Einer Laboruntersuchung ist in der Regel
aber ein ärztlicher Kontakt vorausgegangen.

Evan: Der Ärzteverband Hartmannbund sprach sich gegen Hausarztmodelle mit Zuzahlungsrabatten aus. Wie finden sie das?

Helga Kühn-Mengel:
Der ursprüngliche Gesetzentwurf der Ministerin sah ein anderes Modell
vor: Keine Praxisgebühr, wenn als erstes der / die Hausarzt/Hausärztin
aufgesucht wurde. Dadurch sollte die steuernde Funktion des Hausarztes
betont und unterstützt werden. Im Zuge der Kompromissverhandlungen
wurde diese Vorgabe verändert. Wir konnten aber durchsetzen, dass den
Krankenkassen eine Verpflichtung auferlegt wurde, Hausarztmodelle
anzubieten. Gleichzeitig haben wir der gesetzlichen Krankenkasse die
Möglichkeit eröffnet, Bonusmodelle anzubieten. Hier werden zurzeit
Angebotsformen entwickelt. Trotz der Widerstände halte ich nach wie vor
die Lotsenfunktion des Hausarztes für richtig. Sie sollte durch Anreize
belohnt werden.

dirkN:
Die Praxisgebühr soll erlassen werden, wenn sie zuerst zu einem
Vertragshausarzt ihrer Krankenkasse gehen. Das Ende der freien Arztwahl?

Helga Kühn-Mengel:
Die freie Arztwahl wurde durch das Gesetz nicht eingeschränkt. Sie
haben weiterhin die Wahl: Sie können zum Hausarzt gehen oder weiterhin
zum Facharzt/Fachärztin Ihrer Wahl. Im ersten Fall haben Sie womöglich
in Zukunft einen finanziellen Vorteil. Die Krankenkassen haben hier
unterschiedliche Möglichkeiten, dies auszugestalten.

Moderator:
Wenn meine Krankenkasse gewisse Hausärzte nicht in das Bonus-Modell
hineinnimmt (oder diese nicht mitmachen) habe ich aber nur die Wahl:
Der Arzt meiner Wahl und Verlust des Vorteils oder einen Arzt
aufsuchen, den meine Krankenkasse will. Für mich eine Einschränkung.

Helga Kühn-Mengel:
Ich würde sagen, diese mögliche Einschränkung kostet allenfalls 10 Euro
im Quartal. Die Ärzte, die dann von den Krankenkassen empfohlen werden,
erfüllen dann aber auch bestimmte Qualitätsvorgaben.

wartezeit: Wenn man alles auf den Hausarzt fokussiert, werden die Wartezimmer noch voller und die Wartezeiten noch länger?

Helga Kühn-Mengel:
Es wird ja weiterhin Überweisungen geben – mit dieser Steuerung durch
den Hausarzt sollen lediglich unnötige Arztbesuche und
Doppeluntersuchungen vermieden werden.

Padmo:
Kann ein Überweisungsschein direkt am Tresen ausgehändigt werden oder
muss erst lange im Wartezimmer gewartet werden um den Arzt davon zu
überzeugen, der dann auch noch dafür Honorar erhält? "Time is money"
auch für Patienten, denn doppelte Wartezeiten akzeptiere ich nicht! Wie
ist Ihre Antwort?

Helga Kühn-Mengel:
Die Zahlen über Arztbesuche, die uns vorliegen – jährlich 560 Millionen
Arztkontakte – sind unter den westlichen Ländern die höchsten. Von
daher erscheint eine Steuerung durch den Hausarzt sinnvoll. Der Arzt
muss entscheiden, wie er mit der Überweisungssituation umgeht. Das ist
Teil seiner ärztlichen Handlung.

Tembrink:
Würden Sie sagen, dass Heimbewohner mit einer Pflegestufe generell als
chronisch krank gelten und damit eine Zuzahlung von Arznei- und
Verbandmitteln von einem Prozent leisten müssen?

Helga Kühn-Mengel:
Die Situation in den Heimen ist mir vertraut. Die meisten Menschen, die
dort leben, sind schwerwiegend chronisch krank Hier wurde die Liste
über die Kriterien für chronisch Kranke erweitert. Ich gehe davon aus,
dass die meisten Heimbewohner unter diese Regelung fallen, so wurden
darüber hinaus weitere Regelungen für diejenigen gefunden, die im Heim
Taschengeld beziehen.

grau:
Alte Menschen mit geringem Einkommen trifft die jüngste
Gesundheitsreform. Dabei haben die doch lange Zeit eingezahlt und
aufgebaut. Sehr ungerecht oder?

Helga Kühn-Mengel:
Wir haben im Zuge der Verhandlungen mit der Opposition immer wieder die
Situation bestimmter Gruppen deutlich gemacht und konnten hier
spezielle Regelungen durchsetzen. Dazu gehört auch die einprozentige
Regelung für chronisch Kranke, zu der die Opposition zunächst nicht
bereit war. Auch die generelle Befreiung für Geringverdiener wurde von
der Gegenseite nicht akzeptiert. Insgesamt gesehen gibt es zahlreiche
Entlastungen und Kompromisspakete.

bonizetta:
Es gibt ja einen Freibetrag für Familien mit Kindern. Wir haben vier
Kinder und unser Jahreseinkommen liegt unter dem Freibetrag. Nun
dachten wir, dass wir keine Zuzahlungen leisten müssen. Die
Krankenkasse meint aber, vollständige Befreiungen gäbe es nicht mehr.
Wozu gibt es dann diesen Freibetrag?

Helga Kühn-Mengel:
Es gibt grundsätzlich keine Befreiung mehr. Aber keiner soll mehr als
zwei Prozent der jährlichen Bruttoeinnahmen bezahlen müssen. Für
chronisch Kranke gilt ein Prozent maximale Zuzahlung. Darüber hinaus
werden von den jährlichen Einnahmen folgende Freibeträge abgezogen: Zum
einen die Summe von 4.347 Euro für den nicht erwerbstätigen Partner und
pro Kind 3648 Euro. Von dem so verminderten Einkommen wird dann die
Belastungsgrenze von zwei oder ein Prozent berechnet.

Moderator: Macht bei nicht erwerbstätiger Ehefrau 18939 Euro, die nicht als Einkommen gezählt werden.

weidnerf:
Warum sollen denn jetzt die Beamten auch bei der Praxisgebühr zahlen?
Zu meiner Person: ich bin Angestellter und bin bei einer gesetzlichen
Krankenkasse pflichtversichert. Ich sehe aber nicht ein, warum meine
Frau (Beamtin, privat versichert) einen Beitrag zur Sanierung der GKV
leisten soll, ohne eine Gegenleistung zu bekommen. Also doch die
Einführung einer Kopfpauschale? Außerdem fließt der Betrag nicht in die
GKV, sondern in den allgemeinen Haushalt

Helga Kühn-Mengel:
Wir haben mit dieser Reform beschlossen, die Belastungen des Gesetzes
wirkungsgleich auf die Abgeordneten, Beamten und Beihilfeempfänger zu
übertragen. Es handelt sich nicht um eine Kopfpauschale, sondern um
eine leistungsrechtlich gleiche Behandlung von beihilfeberechtigten
Personen und Krankenversicherten.

rheinruhr:
Die Kassenbeiträge sinken nicht. Bedeutet dass, das es weitere
Leistungskürzungen geben wird, um den Spielraum der Kassen für
Senkungen zu vergrößern?

Helga Kühn-Mengel:
Die Krankenkassenbeiträge sinken: Schon jetzt kommen 10 Millionen
Menschen in den Vorteil gesunkener Beiträge, am ersten April werden es
20 Millionen sein. Darüber hinaus haben wir die Kassen mit dem Gesetz
verpflichtet, Mehreinnahmen zum größten Teil in die Beitragssenkung zu
lenken. Es sei daran erinnert, dass wir mit diesem Gesetz vor allem zum
Ziel hatten, die gesetzliche Krankenversicherung zu stabilisieren und
die Qualität der Behandlung zu sichern.

jürgen:
Warum sieht die Politik zu, wie die Kassenärztlichen Vereinigungen die
Gesundheitsreform torpedieren und Patienten zu melkenden Kühen machen.
Beispiel: Verschreibungspraxis

Helga Kühn-Mengel:
Wir haben es im Gesundheitssystem mit starken Lobbyisten zu tun. Wir
hätten mit dem Gesetzentwurf der Koalition gern die Kassenärztlichen
Vereinigungen einer grundsätzlichen Organisationsreform unterzogen. Das
war nicht gewollt. Aber es konnten an vielen Punkten strukturelle
Änderungen installiert werden, die für Transparenz und mehr Kontrolle
im System sorgen. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass bei
rechtswidrigen Verhalten von Kassenärzten die Stellen zu informieren
sind. Dies sind in der Regel die Landessozialministerien.

Hr.Werle:
Frau Kühn-Mengel, wird es in Zukunft eine Entwicklung wie bei der
Rentenversicherung geben, weg vom Staat und Pflichtkassen, hin zur
privaten Versorgung?

Helga Kühn-Mengel:
Ich lehne eine Privatisierung des Gesundheitssystems ab. Ich will
nicht, dass Gesundheit zum persönlichen Risiko wird. Das beste Beispiel
dafür bieten die USA mit dem teuersten Gesundheitssystem der Welt, wo
chronische Erkrankungen einer der Hauptgründe für private Verschuldung
sind.

Moderator: Sie sind jetzt etwa einen Monat im Amt, wie ist Ihre erste Bilanz?

Helga Kühn-Mengel:
Neben den vielen Einzelfragen und Schicksalen, die geschildert wurden
fällt vor allem auf, wie wenig patientenorientiert und durchsichtig das
System ist. Die Menschen fragen sich aus dem hintersten Winkel der
Republik durch, um bei uns eine Antwort zu finden, die sie von ihrer
Krankenkasse oder vom Arzt um die Ecke bekommen könnten. Es ist gut,
dass es uns gibt.

Moderator:
Die 60 Minuten sind vorbei, vielen Dank für Ihr großes Interesse. Es
gibt offenbar noch viel Klärungsbedarf in Sachen Gesundheitsreform.
Vielen Dank Frau Kühn-Mengel, dass Sie zum Chatten gekommen sind. Das
Transkript dieses Chats finden Sie auf den Seiten der Veranstalter.
Noch zwei Terminhinweise: Montag, 2. Februar kommt um 14.00 Uhr die
Bundestagsabgeordnete Petra Pau zum Chat. Zusammen mit ihrer Kollegin
Gesine Lötzsch hält sie die Fahne der PDS im Bundestag hoch. Am
Dienstag, 3. Februar, ist Bundesjustizministerin Brigitte Zypries im
Chat. Das tacheles.02-Team wünscht allen noch einen schönen Tag!

Helga Kühn-Mengel: Ich wünsche gute Gesundheit.