Udo Vetter, Lawblogger und Strafverteidiger,
war am 22. Mai zu Gast im tagesschau-Chat in Kooperation mit politik-digital.de.
Der Anwalt chattete über Abmahnungen, Impressumspflicht und
das staatliche Ausschnüffeln von Privatcomputern.

Moderator: Liebe
Blogger, Abgemahnte und Politik-Interessierte, herzlich willkommen
zum tagesschau-Chat. Udo Vetter, Anwalt für Strafrecht aus
Düsseldorf, ist heute unser Chat-Gast. Er bloggt auf www.lawblog.de
und hat die juristischen Probleme im Netz im Blick. Herr Vetter
chattet aus Düsseldorf, Guten Tag dahin und die Frage, können
wir beginnen?Udo Vetter

Udo Vetter: Hallo allerseits, von mir aus kann
es losgehen.

Moderator: So und jetzt muss doch noch eine Bemerkung vorab kommen:
Ich sehe schon an den bereits aufgelaufenen Fragen, das es viele
verschiedene Themen werden. Wir werden wohl ein bisschen zwischen
den Themen springen, wenn es nicht anders geht. Also trotzdem bitte
Ihre Fragen stellen, auch wenn wir das Thema vielleicht schon mal
gestreift haben. Los geht’s damit:

lawlaie: Wie kam die Idee, ein Weblog über
Juristenthemen zu machen? Hätten Sie gedacht, dass das tatsächlich
jemanden interessiert?

Udo Vetter: Mein Traumberuf war Journalist. Heute Schriftsteller.
Da waren Weblogs natürlich eine tolle Möglichkeit, Juristerei
und Schreiben zu verbinden. Die heutige Resonanz hätte ich
jedoch nicht erwartet.

Kai Neahnung: Inwieweit kann man sich in einem
Blog negativ über Andere äußern? Fällt das
alles unter „Meinungsfreiheit“?

Udo Vetter: Man sollte nie etwas schreiben, was man einem anderen
nicht auch ins Gesicht sagen würde. Das Internet ist kein rechtsfreier
Raum.

asdf_: Wie häufig kommt es vor, dass Blogger
sich durch das Veröffentlichen „verdächtiger“
Inhalte vor Gericht verantworten müssen?

Udo Vetter: Ich hatte heute die Anfrage einer amerikanischen Professorin.
Sie vergleicht deutsche und amerikanische Weblogs. Ich habe ihr
erklärt, dass von Seiten der öffentlichen Hand eigentlich
wenig Repression festzustellen ist. Streit unter Privatleuten ist
ein anderes Thema. Da wird natürlich viel geholzt.

ck: Ist es schon vorgekommen, dass sich Mandanten
bei Ihnen beschwert haben, dass Ihr Fall im lawblog behandelt wurde
oder bekommen die das gar nicht mit?

Udo Vetter: Nein, weil ich darauf achte, die Interessen der Mandanten
zu schützen. Ich hatte nur schon Fragen: „Wann taucht
mein Fall mal im lawblog auf?“

Robin: Guten Tag, kann ich öffentlich eine
Firma (mit Namen) kritisieren, wenn die gemachten Angaben/Vorwürfe
sachlich korrekt und beweisbar sind?

Udo Vetter: Wenn die Behauptungen beweisbar sind, grundsätzlich
ja. Hinzu kommen muss noch ein Interesse der Öffentlichkeit,
zum Beispiel das Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit
über unlautere Geschäftsmethoden. Nur so in der Mülltonne
wühlen und fremden Schmutz ins Licht zerren, das geht allerdings
nicht.

Pollux: In der letzten Zeit höre ich oft
von Firmen, die mit Klagen drohen und sich dabei an Personen wenden,
die anhand ihrer IP-Adressen (Adressen von Computern im Internet,
Anm. der Redaktion) identifiziert wurden. Das bedeutet ja, dass
der jeweilige ISP (Internet Service Provider z.B. Telekom, Arcor
usw., Anm. der Redaktion) diese Daten an Dritte herausgegeben haben
muss, schon vor einem Verfahren. Ist das legal?

Udo Vetter: Nein, Internetprovider dürfen Privaten nicht mitteilen,
welcher Computer hinter einer IP-Adresse steckt. Bisher. Für
die Urheberrechtsverletzungen wird ein privater Auskunftsanspruch
gerade ins Gesetzesform gegossen.

Moderator: Wie weit soll der gehen? Ist das Ihrer Ansicht nach
gerechtfertigt?

Udo Vetter: Ohne Überprüfung durch einen Richter halte
ich das für puren Wahnsinn. Damit wäre ein wichtiger Teil
des Fernmeldegeheimnisses dahin. Außerdem wird Missbrauch
Tür und Tor geöffnet.

Christoph_Z: Nachtrag zur Frage von Pollux: Wer
ist denn auskunftsberechtigt?

Udo Vetter: Die Rechteinhaber sollen glaubhaft machen müssen,
dass über eine bestimmte IP urheberrechtlich relevantes Material
angeboten wurde. Glaubhaft machen ist ein relativer Begriff. Schon
heute ist kaum nachvollziehbar, wie die Rechteinhaber an ihre Informationen
gekommen sind.

Pollux: Gilt diese Änderung dann auch rückwirkend?
Wird diese Vorgehen dann nachträglich legalisiert?

Udo Vetter: Nein, eine Rückwirkung sieht das Gesetz nicht
vor. Dass es trotzdem versucht wird, ist natürlich nicht ausgeschlossen.

Bernardo: Können Sie eine Rechtsprechungstendenz
in Deutschland ausmachen? Man hört hier und da von Firmen,
die lieber im Bundesland XY klagen (auf Blogs bezogen), obwohl der
Firmensitz sich dort gar nicht befindet.

Udo Vetter: Es gibt eine Tendenz. Das Landgericht Hamburg und das
Landgericht Berlin werden von Leuten, die sich verunglimpft sehen,
gern in Anspruch genommen.

Cicero: Habe ich irgendeine rechtliche Möglichkeit,
von meinem Provider zu erfahren, wann und an wen er möglicherweise
personenbezogene Daten von mir abgegeben hat?

Udo Vetter: Es gibt einen Auskunftsanspruch nach dem Bundesdatenschutzgesetz.
Den kann man mit einem Brief geltend machen. Allerdings sollte man
nicht damit rechnen, dass man eine Antwort über Anfragen der
Staatsanwaltschaft / Polizei erhält.

Hadron: Wie und wer legt bei einem gerichtlichen
Mahnverfahren (Widerspruch bei Mahnbescheid) den Gerichtsort fest?
Und kann man gegebenenfalls den Gerichtsort an seinen Wohnort verlegen?

Udo Vetter: Der Gerichtsstand ist normalerweise der Wohnsitz des
Beklagten. Bei Internetsachen wird aber meist der "fliegende
Gerichtsstand " bejaht. Mit dem Argument, zuständig sei
jedes Gericht, wo die Seite (theoretisch) aufrufbar ist.

Donnerhacke: Es gibt ja immer mehr Personen, die
ihre Netzgeschichte nicht mehr wahr haben wollen. Rechtlich gesehen
haben die Forderungen nach Löschung ja wenig Substanz, technisch
gesehen ist die Löschung global undurchführbar. Sollte
man das Internet so umbauen, wie sich einige Leute das aus privatem
Interesse wünschen? Sollte man Archive verbieten?

Udo Vetter: Ich weiß, dass viele mit ihrer Internethistorie
unzufrieden sind. Aber ist das ein Grund, diese technologische Revolution,
die unser aller Leben verändert und verändern wird, wieder
in den Busch zu kloppen? Ich meine nicht.

pixeltransfer: Wie stoppt man Anwälte, die
sich auf das Abmahnen spezialisiert haben wie Kopfgeldjäger
und früher Raubritter?

Udo Vetter: Es gibt bald ein Gesetz, wonach bei Urheberrechtsverletzungen
im Bagatellbereich die Abmahnung nur 50 Euro kosten soll. Ansonsten
bleibt es beim beklagten Raubrittertum. Fragen Sie gegebenenfalls
Ihren Bundestagsabgeordneten.

Moderator: Nachfrage von Donnerhacke, die ich mal hinsichtlich
des Chats beantworte:

Donnerhacke: Ich rede z.B. von dem Chat, der hier
auch im Archiv auftauchen wird. Soll der nachträglich zensierbar
sein?

Moderator: Wir redigieren die Chat-Protokolle, aber zensieren nicht.
Es gab nur einen einzigen Chat meiner Erinnerung nach, bei dem wir
nachträglich was geändert haben. Das war mit Finanzminister
Eichel, der hatte sich ziemlich unklar ausgedrückt. Und das
war ein bisschen börsenrelevant. Ging um den Dollar-Euro-Kurs.

Udo Vetter: Zensur macht immer der Staat. Ansonsten ist jeder Seitenbetreiber
frei, was er mit den Inhalten bei sich macht. Wem das nicht gefällt,
der kann es ja auf seine Seite schreiben.

Pete: Hatten Sie schon einmal die Möglichkeit,
mit solchen „Raubrittern“ persönlich in der Kantine
zu plaudern? Und haben Sie Angst, dass durch so etwas Ihr ganzer
Berufsstand an Ansehen verliert?

Udo Vetter: Die Raubritter sind meist ganz umgängliche Menschen.
Ich kenne Leute, die meinen, dass der Berufsstand mehr Ansehen durch
engagierte Strafverteidiger verliert. Deshalb halte ich mal zurück.

MikaX: Warum darf ich keine (Ab)Mahnschreiben
veröffentlichen, es würde doch bei Identifizierung von
Serientätern helfen?

Udo Vetter: Ob man etwas veröffentlichen darf, hängt
immer von den Umständen des Einzelfalls ab. Ansonsten wird
ja schon ein zentrales Abmahnregister bei Gerichten gefordert. Man
will den Leuten auf die Spur kommen, denen es nicht um die Sache
geht, sondern ums Geld. Aber das wäre dann nur wieder eine
Kartei mehr.

Moderator: Fotogeschichten:

schmizz: Hat eine Person A das Recht, ein auf
einer Internetseite gespeichertes Foto auf dem die Person A abgebildet
ist, entfernen zu lassen, wenn Person A mit seiner Veröffentlichung
nicht (mehr) einverstanden ist?

Udo Vetter: Grundsätzlich hat jeder das Recht am eigenen Bild.
Ich muss also zum Beispiel nicht dulden, mit besoffenem Kopf auf
einer Party gefilmt und später bei YouTube bloß gestellt
zu werden. Ob man nachträglich sein Einverständnis zurückziehen
kann, ist eine andere Frage. Das wird jedenfalls schwieriger.

Maritn: Ich habe eine Foto-Frage: Darf ich selbst
aufgenommene Fotos von öffentlich ausgestellten Skulpturen
auf meinem Blog veröffentlichen?

Udo Vetter: Schwierige Frage. Auch Kunstwerke unterliegen dem Urheberschutz.
Es gab schon Fälle, in denen Künstler später Geld
verlangt haben. Ich würde den Künstler lieber vorher fragen.

derHeiko: Ein registriertes Mitglied in einem
Weblog fordert mich auf, alle seine Beiträge, Fotos inklusive
seinem Account zu löschen. Muss ich dem als Betreiber nach
kommen?

Udo Vetter: Der Autor bleibt Inhaber seiner Texte und Fotos. Er
kann über ihre Verwendung bestimmen. Da könnte man schön
einen grundsätzlichen Fall daraus machen. Ich tendiere aber
dazu, dass der Betroffene es verlangen kann.

derHeiko: Bin ich als privater Blogschreiber in
der Pflicht, im Impressum meine Anschrift, sowie Telefonnummer zu
veröffentlichen?

Udo Vetter: Das ist auch umstritten. Sobald das Weblog über
eine rein private, unverbindliche Seite hinausgeht, sollte man ein
Impressum anlegen. Allerdings sind die Folgen auch nicht so gravierend.
Es ist noch nicht klar, ob ein fehlendes Impressum zum Beispiel
abmahnfähig ist.

asdf_: Welche strafrechtlichen Konsequenzen kann
es haben, wenn ein Webseitenbetreiber der Bitte um Löschung
der Bilder einer Person nicht nachkommen will, wenn diese von ihrem
„Recht am eigenen Bild“ Gebrauch machen möchte?

Udo Vetter: Zunächst mal zivilrechtliche. Abmahnung und einstweilige
Verfügung. Alles ziemlich teuer. Strafrechtliche Folgen würde
ich bei harmlosen Bildern nicht erwarten. Da fehlt wohl ein öffentliches
Interesse an der Verfolgung.

Moderator: Zweimal ähnlich:

ott: Wie ist das in Foren, wo der User einen auffordert,
seine Daten zu löschen? Weil dann werden ja auch Threads aus
dem Zusammenhang gerissen?

HANSEw2: Gilt die Antwort auf den Beitrag von
derHeiko auch für Internetforen? Kann man also das Löschen
des eigenen Beitrages verlangen?

Moderator: Und noch einer:

asdf_: Nachtrag zur Frage von schmizz: Wie verhält
es sich bei anderen Inhalten wie z.B. Forenbeiträgen oder Kommentaren?
Ist der Betreiber verpflichtet, der Aufforderung nach Löschung
nachzukommen?

Udo Vetter: Schwierige Frage, nach meinem Kenntnisstand auch gerichtlich
nicht geklärt. Es kommt zunächst darauf an, ob es sich
um geschützte Werke handelt. Dann bestehen eher Chancen. Bei
belanglosen Diskussionsbeiträgen muss das nicht der Fall sein.

Moderator: Noch mal Bilder:

madcap: Darf ich Bilder, die unter der Creative-Commons-Lizenz
stehen, auf einer Kleinunternehmenswebseite verwenden?

Udo Vetter: Die Lizenz schließt nach meiner Kenntnis gewerbliche
Nutzung aus. Sie macht keinen Unterschied zwischen kleinem und großem
Gewerbe. Aber man kann ja fragen.

tmc: Ich hoffe, ich frage richtig und zu einem
hier relevanten Thema: Urheberrechte. Wie ist die allgemeine Rechtsprechung
im Bezug auf Aufnahmen aus dem Fernsehen, die man auf der eigenen
Webseite veröffentlichen möchte? Wie sieht es mit satirischer
Veränderung dieser Inhalte aus?

Udo Vetter: Fernsehbilder sind urheberrechtlich geschützt.
Man darf sie zwar aufnehmen, aber nicht ohne weiteres öffentlich
wiedergeben. Zumindest wenn das Zitatrecht überschritten wird.
Wenn man ein neues Werk daraus macht, kann das anders sein. Das
ist erlaubt, allerdings brüten dann Richter darüber, ob
die Verfremdung ausreicht. Und ob das Kunst ist.

Moderator: Nachtrag zu Forenbeiträgen von ck, der sich als
Rechtsanwalt geoutet hat:

ck: Doch es ist geklärt. Forenbetreiber haften
für die Beiträge. Ich glaube sogar BGH (Entscheidung des
Bundesgerichtshofes, Anm. der Redaktion).

Udo Vetter: Die Haftung ist ein anderes Thema. Die Frage zielte
auf den Wunsch des Urhebers, sie zu entfernen.

Moderator: Und:

Nicor3456: Zu madcap: Je nachdem welche Version
der Creative Commons gewählt wurde, ist auch eine kommerzielle
Nutzung möglich

tux: Was kann der deutsche Gesetzgeber gegen Inhalte
tun, die auf ausländischen Servern gehostet sind? Endet da
nicht die Zuständigkeit?

Udo Vetter: Es gibt Rechtshilfe, aber mit vielen Ländern ist
die nicht besonders effektiv.
Es gibt auch Länder, in denen erlaubt ist, was in Deutschland
verboten ist.

Moderator: In Sachen Fernsehbilder:

Annika: Was genau bedeutet in diesem Fall das
Zitatrecht?

Udo Vetter: Wenn es nötig ist, einen Ausschnitt zu zeigen,
um ihn zum Beispiel zu kommentieren oder etwas damit zu belegen,
kann das vom Zitatrecht gedeckt sind. Das Zitat muss aber immer
Teil eines eigenen, weiterführenden „Werkes“ sein.
Und die Quelle muss man auch nennen.

HANSEw: Ich bin Mitglied in einem Forum, dass
so ähnlich wie ein Blog funktioniert. Es kommt vor, dass Mitglieder
z.B. ganze Zeitungstexte (z.B. von tagesschau.de) dort hineinkopieren,
anstatt einen Link zu setzen. Wie rechtlich problematisch ist dies
für den Autor und den Foreninhaber?

Udo Vetter: Das sind klare Urheberrechtsverletzungen. Zunächst
haftet derjenige, der sie einstellt. Der Forenbetreiber haftet spätestens,
wenn er darauf hingewiesen wurde (so der Bundesgerichtshof). Nach
Landgericht Hamburg haftet der Forenbetreiber für alles, was
in sein Forum eingestellt wird.

Moderator: Bemerkung dazu: Das ist auch der Grund, warum es bei
tagesschau.de nur ein moderiertes Forum gibt und auch der tagesschau-blog
bzw. die Kommentare moderiert sind.

JeanBAbel: Darf ich in meinen privaten Blog Videos
einbetten, die ich bei YouTube entdeckt habe, auch wenn ich mir
schon irgendwie denken kann, dass sie zumindest nicht mit Zustimmung
des Rechteinhabers eingestellt wurden? Darf ich dann überhaupt
irgendeinen Link setzen?

Udo Vetter: YouTube ist kein Gütesiegel für freie Inhalte.
Die Verantwortung bleibt immer bei einem selbst.

5996: Könnte man aus dem Ausland für
etwas belangt werden, was im eigenen Land erlaubt ist? Welches Recht
gilt dann?

Udo Vetter: Großes Problem, gerade in der EU. Momentan ist
der Rechtsstand zumindest, dass man als Deutscher ohne Einverständnis
nicht ins Ausland, auch nicht ins EU-Ausland, ausgeliefert werden
darf. Grundsätzlich kann man aber mit einem deutschen Weblog
Ärger im Ausland bekommen. Ein Berliner hat die chinesische
Busindustrie angegriffen. Er hat demnächst in China einen Gerichtstermin.

Moderator: Noch zwei zum Thema Ausland:

Wahngrok: Apropos andere Länder: Inwieweit
kann sich überhaupt deutsche Rechtsprechung auf im Ausland
gehostete Seiten auswirken?

derHeiko: Ich möchte gerne meinen Blog samt
Domain ins Ausland verlagern, damit ich weiter das schreiben kann,
was ich möchte. Kann man dich dennoch für das, was ich
schreibe, nach deutschem Recht belangen?

Udo Vetter: Wenn du in Deutschland schreibst, gilt für dich
deutsches Recht. Der Umzug auf einen ausländischen Server hilft
nicht. Als Deutscher unterliegt man überdies auch im Ausland
häufig der deutschen Strafgerichtsbarkeit.

Moderator: Zwischendurch mal eine Gebührenfrage:

Hermann: Warum sind Abmahnungen (eigentlich ja
nur ein Anwaltsbrief) bis mehrere hundert Euro teuer?

Udo Vetter: Anwälte sind teuer 🙂 Im Ernst: Die Höhe
der Kosten richtet sich nach dem Gegenstandswert. Diesen legt der
abmahnende Anwalt fest. Er hat also wenig Gründe, bescheiden
zu sein.

Moderator: Noch ein bisschen hohe Politik:

rh@blog: Was denken Sie? Wird es in Sachen neues
Sicherheitsgesetz ein Einlenken der Politik geben oder wird der
Widerstand einiger Berufsverbände ohne Resonanz verhallen?

Udo Vetter: Gestern habe ich in einem Zeitungskommentar gelesen,
dass die Regierung erstmals die bürgerliche Mitte gegen sich
aufbringt, wenn sie die Freiheit weiter einschränkt. Ich hoffe,
dass wir hier noch einen Bewusstseinsschub erleben und die Proteste
größer werden. Wenn nicht, muss man die Situation analysieren
und sich einrichten.

BrinkleyAC: Lieber Herr Vetter, halten Sie es
für notwendig, die im Grundgesetz gewährleisteten Freiheiten
durch eine Grundgesetzänderung an die „neue Informationsgesellschaft“
anzupassen? Mit anderen Worten: Halten Sie – auch vor dem Hintergrund
der Normenklarheit und Verständlichkeit für den Bürger
– eine Wortlautänderung, z.B. durch eine Art „Art. 13a
GG“ für nötig und zuträglich?

Udo Vetter: Die Grundrechte waren einmal kurz und knapp formuliert.
Heute ist der Katalog durch Einschränkungen so aufgebläht
wie die Europäische Gurkenverordnung. Ich wäre eher dafür,
viel von dem Ballast zu streichen und sich wieder auf die Grundwerte
zu besinnen.

kerzengerade: Rechtfertigt Ihrer Meinung nach
die Terrorabwehr ein Eindringen auch in meinen Privatcomputer per
Bundestrojaner?

Udo Vetter: Die Online-Durchsuchung ist eine ungeheure Bedrohung
für die Freiheit des Einzelnen. Es geht gar nicht darum, ob
ich tatsächlich mal durchsucht werde. Alleine das Wissen, dass
es passieren könnte, wird uns zu Konformisten machen und zu
ängstlichen Menschen. Nein, keine Terrorgefahr kann solche
flächendeckenden Maßnahmen rechtfertigen. Da geht nach
meiner Meinung die Freiheit vor.

Moderator: Noch mal konkret:

Bernardo: Frage zum Impressum: Ist eigentlich
geregelt, wie man zum Impressum kommt? Kann ich es auf die vierte
Unterseite packen oder gar mit Ajax nachladen (auf Linkclick) um
es z.B. nicht bei Google wiederzufinden?

Udo Vetter: Nein, das Impressum muss problemlos über die Startseite
zu erreichen sein. Und auch über die Unterseiten.

nina: Haben Sie eine Buchempfehlung zum Einstieg
für den Laien in das Thema Internetrecht?

Udo Vetter: Es gibt ein kostenloses Skript von Professor Hoeren
aus Münster. Einfach mal googeln und runterladen.

Nietnagel: Sie hatten selbst mal einen Beitrag
in ihrem Blog, wie man völlig anonym im Ausland mit einer deutschen
Domain einen Blog hochzieht. Ich spiele ernsthaft mit dem Gedanken,
dies zu tun, um völlig frei das zu erzählen und loszuwerden,
was mir auf der Seele liegt ohne Angst vor Abmahnungen et cetera
zu haben. Was halten Sie davon?

Udo Vetter: Sie sind ein freier Mensch.

Pete: Hallo, wo sehen Sie die Juristerei in 10
Jahren? Glauben Sie, dass die Rechtsmissbräuche wie z.B. unberechtigte
Abmahnungen noch zunehmen werden?

Udo Vetter: Ich hoffe, dass es besser wird. Aber eine Prognose
wage ich nicht. Das hängt in erster Linie davon ab, wie sensibel
Politiker für das Thema sind. Wir Juristen setzen ja „nur“
um, was da aus Berlin kommt. Und wir nutzen die Lücken.

luten: Herr Vetter – welche Perspektiven sehen
Sie in den kommenden Jahren für das Web 2.0? Halten Sie es
für denkbar, dass private Weblogs und Foren bald der Vergangenheit
angehören?

Udo Vetter: Das Thema Bürgerjournalismus und Web 2.0 dringt
erst langsam ins Bewusstsein. Es gibt da eine riesige Veränderung.
Der Bürger ist nicht mehr nur Empfänger, sondern auch
Sender. Es ist unverkennbar, dass viele diesem Phänomen zwiespältig
gegenüberstehen. Mit Tendenzen zur Eindämmung ist sicher
zu rechnen. Aber noch haben wir ja Artikel 5 des Grundgesetzes,
der es jedem erlaubt, seine Meinung zu sagen. Wenn das abgeschafft
würde, lebten wir wirklich in einer anderen Gesellschaft.

ck: Ich bin selbst Rechtsanwalt und habe viel
zu tun. Herr Vetter, wie schaffen sie es nur, die nötige Zeit
für Ihr Blog aufzubringen?

Udo Vetter: So viel Zeit ist das nun auch wieder nicht. Ich tippe
mit zehn Fingern. Außerdem spiele ich nicht Golf.

Moderator: Das kann man, glaube ich, wirklich sehen: Sehr schnelle
Finger!

Udo Vetter: Danke.

Moderator: Das waren 60 Minuten tagesschau-Chat
auf tagesschau.de und politik-digital.de. Vielen Dank an alle User
für Ihr Interesse und die vielen Fragen und vielen Dank, Herr
Vetter, dass Sie sich die Zeit genommen haben. Allen Beteiligten
wünschen tagesschau.de und politik-digital.de noch einen schönen
Tag!