NSA, Überwachung, Datenspionage – Themen, die uns wohl noch lang beschäftigen werden. Und so stehen sie auch dieses Mal wieder im Zentrum unserer wöchentlichen Presseschau: Während einige große Online-Unternehmen noch immer dementieren, an den Überwachungsprogrammen des amerikanischen Geheimdienstes beteiligt gewesen zu sein, schreiben andere über die grundsätzlichen Gefahren der Überwachungsmaschinerie. Frank Schirrmacher beispielsweise fürchtet den Verlust von Ideen und Geist im politischen Geschäft westlicher Demokratien, wenn Kandidaten ihre Wahlen nur noch durch exzessive Überwachungsstrategien gewinnen wollen. Und abseits des Westens positionieren sich die Online-Unternehmen schon wieder neu. Durch ausgeklügelte Marketingstrategien sollen neue Kunden in den Schwellenländern geworben werden.

Video der Woche


“I forgot my Phone” – Der Titel des Videos von charstarleneTV  spricht für sich.

Stillstand

Bisher können Online-Werber in Deutschland völlig ungestört mit den Internet-Profilen ihrer User agieren. Denn es herrsche politischer Stillstand, schreibt Christiane Schulzki-Haddouti im ZDF-Blog „Hyperland“. Mithilfe von Cookies, die auf den Rechner des Nutzers geladen werden, sobald er eine bestimmte Homepage besucht, kann der User identifiziert und mit entsprechenden Anzeigen konfrontiert werden. Eigentlich hatte eine europäische ePrivacy-Richtlinie die Einwilligung des Nutzers vor dem Setzen eines Cookies verlangt. Mittlerweile aber sei die Umsetzungsfrist bereits seit zwei Jahren abgelaufen – ohne dass etwas passiert sei.  Datenschutzbehörden fordern deshalb eine Anpassung des deutschen Telemediengesetzes an die Richtlinie der EU. Allerdings sei auch international keine einheitliche Linie festzustellen: Während in einigen Ländern Einwilligungslösungen zum Einsatz kommen, würden andere auf Widerspruchslösungen zurückgreifen. „Eine völlig unbefriedigende Situation, die leider hauptsächlich die Internet-Anbieter und Nutzer ausbaden müssen”, so der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar.

Weckruf

„Wir erleben eine Veränderung der sozialen Ordnung in den westlichen Demokratien, die so grundsätzlich zu sein scheint, dass die „Beendigung der Debatte“ geradezu verantwortungslos wäre.“, schreibt Frank Schirrmacher in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Big Data erschaffe die größte Überwachungsmaschine, die es je gegeben habe und die in diesem Ausmaß von niemandem vorhergesehen worden sei. Die Überwachung sei heute zum „ökonomischen Rational“ verkommen: Letztendlich würden alle Märkte, Produkte, Konsumenten und Bürger überwacht und evaluiert. Und das sollte uns beunruhigen. Schirrmacher verdeutlicht das am Beispiel des amerikanischen Wahlkampfes, der mithilfe immenser Datensammlungen über potenzielle Wähler geführt wurde. Eine Politik, die aus solchen zivilen Überwachungsmärkten entsteht, wolle niemanden mehr überzeugen, sondern Wahlen durch exzessive Überwachungsstrategien gewinnen. Damit senke die Überwachungsmathematik im politischen Geschäft die Kosten für Ideen und für den Geist. Wir sollten die Aussage Snowdens, er wolle in einer solchen Gesellschaft nicht leben, als Chance für eine Selbstvergewisserung unserer Gesellschaft begreifen, fordert Schirrmacher die Leser am Ende seines Artikels auf.

Humanitäres Engagement?

Wenn Mark Zuckerberg seinen Facebook-Status aktualisiert, schaut die ganze Welt hin. Zumindest der Teil der Welt mit Internetzugang. Um den anderen Teil, die Offliner, ging es in Zuckerbergs Post vom 20. August: Zwei Drittel der Menschheit hat gegenwärtig noch keinen Internetanschluss – ein Zustand, den Zuckerberg mit der von ihm gegründeten Initiative Internet.org ändern will, in der sich Technologieunternehmen, gemeinnützigen Organisationen und lokale Gemeinden vernetzen.
Zeit.de findet, dass für die beteiligten Unternehmen kein humanitäres Engagement im Vordergrund stehe, wohl aber Profitstreben. Was dem Offliner zum Kunden fehle, sei das passende Netz. In ihrem Artikel beschreibt Angela Gruber, welche Strategie Branchengrößen wie Facebook, Google und Twitter in Schwellenländern zur Kundenakquise verfolgen, ermöglicht durch deren Marktmacht. Google z. B. kooperiert auf den Philippinen, auf Sri Lanka und in Thailand mit Mobilfunkfirmen, damit die User ein besonders attraktives Angebot bekommen: Die Nutzung der Google-Dienste erfolgt kostenlos, jedoch muss ein Account beim Unternehmen angelegt werden. So würde sich die Konzerne die Vormachtstellung in Ländern sichern, in denen das Netz tatsächlich noch Neuland ist.

Endlosschleife

Es hört und hört nicht auf: Wöchentlich erreichen uns neue Meldungen über die allumfassende Überwachung durch den amerikanischen Geheimdienst NSA. Nun hat der Guardian Beweise für die Verstrickung großer Computer- und Internetfirmen in die Datenspionage des US-Geheimdienstes NSA veröffentlicht. Originalauszüge aus NSA-Dokumenten untermauern den Verdacht, dass Unternehmen wie Google, Facebook und Yahoo mehrere Millionen Dollar für ihre Kooperation mit dem amerikanischen Geheimdienst erhalten haben. Denn laut Gesetzgebung der USA müssen Firmen dafür entschädigt werden, wenn sie zur Kooperation mit der Regierung verpflichtet werden. Die Reaktionen der Unternehmen fallen unterschiedlich aus, steht in der Welt zu lesen: Während Google nach wie vor betont, nie an „PRISM“ oder anderen Überwachungsprogrammen mitgewirkt zu haben, bekennt Yahoo, am „PRISM“-Programm beteiligt gewesen zu sein. Facebook dagegen hält an seiner Aussage fest, keine Ausgleichszahlungen für eine Beteiligung an Überwachungsprogrammen erhalten zu haben.

Anonym

Die taz stößt eine alte Diskussion neu an: Sollen Kommentatoren im Internet dazu verpflichtet werden, ihre tatsächlichen Namen offenzulegen? Anlass zur erneuten Debatte ist die Entscheidung der US-amerikanischen Online-Zeitung Huffington Post, ab Mitte September bei jeder Nutzerregistrierung die Angabe eines Klarnamens zu verlangen. Befürworter des Vorgehens versprechen sich davon, dass die Diskussionskultur zivilisierter würde, weil Nutzer unter ihrem echten Namen sachlicher und freundlicher schrieben. Laut taz habe die Huffington bereits 2010 erklärt, dass die „Generation Facebook“ ohnehin daran gewöhnt sei, Beiträge unter dem eigenen Namen zu veröffentlichen – Anonymität interessiere sie kaum.
Als Gegenposition zieht die taz u. a. den Technikjournalisten Mathew Ingram heran. Für ihn bedeute eine Klarnamenpflicht den Verlust von Kommentaren, da viele User sich lieber im Schutze der Anonymität äußerten. Die Diskussion ist eröffnet – ein oder zwei entsprechende Leserkommentare sollen in der kommenden sonntaz erscheinen.
Mitarbeit: Tobias Mayer
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