Ein bloggender Premier und ein Innenminister, der Blogger verhaftet: Der Journalist Syafique Shuib schreibt über das Potential und die Probleme der internetaffinen Bewohner von Malaysia.

Täglich teile ich meine Gedanken mit den Lesern meines Blogs, meinen Facebook-Freunden (von denen ich die meisten noch nie gesehen habe) und schreibe 140-Zeichen Mitteilungen via Twitter. Vor einigen Jahre wären solche Plattformen der freien Meinungsäußerung noch undenkbar gewesen. Jetzt formiert sich in Malaysia eine neue Generation junger Blogger – die digitale Elite, die sogenannte Generation Y. Sie wollen gehört werden und das Land ein klein wenig verbessern.

Internetaffine Malaysier

Laut dem CIA World Factbook haben rund 17 Millionen Menschen in Malaysia Zugang zum Internet, das entspricht einer Abdeckung von gut 66 Prozent der Landesbevölkerung. Dank erschwinglicher PCs und Laptops und leichterem Zugang zu Breitband-Internet werden es zusehends mehr. Die meisten aktiven Nutzer Sozialer Medien kommen aus der Stadt, doch auch die Zahl der User aus ländlichen Gebieten vergrößert sich stetig.

Eine Studie des Marktforschungsunternehmens comScore fand heraus, dass sich von den aktiven, über 15-jährigen Nutzern im Jahr 2009 rund 78 Prozent regelmäßig in Sozialen Netzwerken bewegt haben. Das entspricht einem Anstieg von 10 Prozent im Vergleich zu 2008. Und die Zahlen werden 2010 weiter steigen. Damit weist Malaysia im Verhältnis eine ebenso hohe Soziale Medien-Nutzung auf wie einige westliche Industrieländer.

Twitternder Premier

Sogar der Premierminister von Malaysia, Najib Abdul Razak, bloggt, hat einen eigenen Twitteracount und einen Youtube-Kanal. Und natürlich haben viele in der Szene die Hoffnung, dass ein twitternder Premier auch weitere Kabinettskollegen und Politiker zur Nutzung der Sozialen Medien motivieren könnte.

Allerdings sind nicht alle Regierungsmitglieder so internetaffin wie Razak. Der Kommunikations- und Kulturminister Rais Yatim zum Beispiel warnte noch vor kurzem vor den Gefahren der Online-Kultur. Sas Internet sei ein Wirtschaftsmodell des Westens, so Yatim. "Wir sagen nicht, dass Malaysier Facebook oder Twitter nicht nutzen dürfen, aber wenn sie das tun, dann müssen sie dabei die vom Islam, Buddhismus oder des Christentums vermittelten Werte aufrecht erhalten, um unsere Kultur zu bewahren," sagte er gegenüber der malaysischen Nachrichtenagentur Bernama.

Unabhängige Informationen sind rar

Die Mainstream-Medien in Malaysia werden von der Regierung kontrolliert und die großen Zeitungen gehören zu Teilen den politischen Parteien. Deshalb sind ihre Berichte meist unkritisch und einseitig. Doch die technisch versierten Malaysier beziehen ihre Informationen auch aus anderen Quellen und wünschen sich Alternativen zu unserer bestehenden Medienlandschaft,  sehnen sich nach mehr unabhängigen Informationen.

Die Sozialen Medien bieten eine solche Alternative, insbesondere weil die Inhalte von den Bürgern für die Bürger geschaffen worden sind. Diese Art des "Bürgerjournalismus" erlaubt es den Menschen, Informationen zu verbreiten, die in der Mainstream-Berichterstattung nicht enthalten sind. Und weil Facebook und Twitter auch über Mobiltelefone zu bedienen sind, ist es einfacher geworden, über Ereignisse zu berichten, sobald sie passieren.

Meinungsfreiheit – wie lange noch?

Bisher können die Blogger noch schreiben, worüber sie wollen. Die Regierung beobachtet lediglich Blogs, die als "heikel" eingestuft werden. Es gibt allerdings keine eindeutige Definition von "heikel". Am 25. Januar zum Beispiel wurde ein Blogger verhaftet, weil er eine angeblich beleidigende Bemerkungen über den Tod des Sultans von Johor machte – ein Staat Malaysias, der an Singapur grenzt. "Dieser Fall soll eine Warnung sein an andere, die denken, sie könnten ohne Konsequenzen sagen, was sie wollen", sagte Innenminister Datuk Seri Hishammuddin Tun Hussein als Reaktion auf die Festnahme.

Dennoch: Die Sozialen Medien haben mein Land überrannt und sind gekommen, um zu bleiben. Meine Gedanken und Wörter alleine werden das Land über Nacht nicht verändern. Aber die Generation Y als Ganzes wird gehört und kann vielleicht die Zukunft unseres Landes ein wenig mitgestalten.

Übersetzt aus dem Englischen von politik-digital.de. Demnächst in der Serie "Politics en Blog": Berichte aus dem Libanon, Ägypten, Russland, Bolivien u.a.