Vertrauen ist gut, Wissen ist besser. Der Wechsel aus der Politik in die Digitalindustrie bietet Vorteile, kann aber ohne die notwendige Transparenz demokratische Prozesse erodieren.

Drehtüren sind bequem und bekanntermaßen zu beiden Seiten geöffnet. In der Wirtschaft bezeichnet der Drehtür-Effekt einen plötzlicher Wechsel aus der Politik in ein Unternehmen – oder andersrum. Die Vorteile für beide Seiten liegen auf der Hand: Know-how wird zwischen dem privaten und öffentlichen Sektor ausgetauscht und die wechselseitige Kommunikation wird vertieft. So können Unternehmen ein besseres Verständnis für politische Entscheidungsprozesse gewinnen. Allerdings rufen allzu schnelle Wechsel berechtigte Skepsis hervor. Interessenkonflikte und die illegitime Verbreitung von Insiderwissen sind eine Gefahr. Gerade bei Telekommunikationsunternehmen scheint sich die amerikanische Spreu vom internationalen Weizen zu trennen. Mit Facebook, Google, Microsoft und anderen als einflussreich geltenden Globalplayern, drängen sich mächtige Akteure auf den europäischen Markt, die politische Einflussnahme ausüben.

Drehtüren in der EU

Wie der Drehtür-Effekt beispielsweise bei der Europäischen Kommission und dem Europäischen Parlament aussieht, hat das europäische Chapter von Transparency International Anfang des Jahres in einer Studie untersucht. Demnach sind mit Auslaufen des letzten Mandates zur EU-Wahl, welche im Jahr 2014 stattfand, 485 Mitglieder des EU-Parlaments ausgetauscht worden, von denen jetzt 30 Prozent bei Lobbyorganisationen tätig sind. Bei der EU-Kommission sind es sogar rund 50 Prozent der ehemaligen Kommissare, die nun in einer Brüssel nahen Lobbyorganisationen arbeiten.

Nach der Analyse stellt Google den einflussreichsten Lobbyisten der EU. In den letzten zwei Jahren sollen sich Lobbyisten auf Googles Gehaltsliste über 124-mal mit EU-Kommissaren oder deren Vertrauten getroffen haben. Laut Transparency International EU kämen mehrmals pro Woche Treffen zwischen Vertretern der EU und Google zu Stande und übertreffen damit die Absprachen mit Microsoft um das Doppelte. Das Google Transparency Project listet 80 Fälle, in denen es zu einem Drehtür-Effekt zwischen europäischen Regierungen, EU-Institutionen und Google kam. Mit 65 Fällen betreffe die überwiegende Mehrheit davon direkte Wechsel aus politischen Positionen zu Google. Von den 23 Personen, die Google seit 2009 aus EU-Institutionen angeworben habe, arbeiten laut Transparency mindestens elf in direkten Lobbyingstellen. Allerdings ist auch bei diesen Daten Vorsicht geboten. Hinter dem Google Transparency Project steckt die Campaign for Accountability, eine US-amerikanische NGO. Das Projekt wird auch von Oracle kofinanziert, die sich wiederum seit 2010 mit Google im Rechtsstreit über Java-Lizenzen für Android befinden.

Welchen Einfluss ein Unternehmen wie Google auf die Politik der Europäischen Union nimmt, bleibt weitgehend undurchsichtig. Eine omnipräsente Einflussnahme des Unternehmens, wie sie etwa Dave Eggers in seinem Roman „The Circle“ beschreibt, ist aufgrund der europäischen Datenschutzrichtlinien nicht zu erwarten. Dass Google ein Interesse an einer Änderung der europäischen Digitalpolitik zu seinen Gunsten hat, um seinen Absatz zu steigern, lässt sich aber an einer Klage der EU-Kommission aus dem letzten Jahr erkennen, bei der es um die unlautere Monopolpolitik und Vermarktungsstrategie von Googles Android Betriebssystem ging.

Auch die im Mai nächsten Jahres in Kraft tretende neue EU-Datenschutz-Grundverordnung dürfte ein Dorn im Auge von Google und Co. sein. Diese bezieht auch außereuropäische Unternehmen mit Niederlassungen in Europa in die strengeren Auflagen zum Schutz personenbezogener Daten ein. Inwiefern die Neuregelungen Konsequenzen für den laxen Datenschutz durch diverse außereuropäische Unternehmen haben, bleibt abzuwarten.

Das Vertrauen in die Politik ist in Gefahr

Die Verflechtung zwischen Politik und Wirtschaft über Drehtür-Effekte kann sich jedenfalls in einem Vertrauensverlust gegenüber den EU-Institutionen äußern. Bevorzugungen von unternehmerischen Interessen durch intransparente Seilschaften erzeugen bei der Bevölkerung ein einseitiges Klima profitorientierter Ausrichtung. So ein Klima passt aber nicht zu demokratischen Prozessen und untergräbt letztendlich ihre Repräsentationsfunktionen. Die Politik verkäme zum „Handlanger der Wirtschaft“. Auch um legitime Lobbyarbeit vor dem Stigma eines politischen rent-seeking zu schützen, sollte es daher eine verpflichtende Karenzzeit in den EU-Institutionen geben.

Die Durchsetzung eines legislativen Fußabdruckes würde zudem einen transparenten Umgang mit ökonomischen Interessen fördern und der Wählerschaft aufzeigen, wann wer mit wem über was gesprochen hat. Auch andere gesellschaftsrelevante Bereiche könnten in dieser Hinsicht mehr Transparenz erfahren. Im Rahmen seiner Digital News Initiative verteilt Google rund 24 Millionen Euro an 124 journalistische Projekte aus ganz Europa, darunter auch 22 aus Deutschland. Auch wenn an einem solchen Sponsoring nichts negativ sein muss, ist das Potenzial für Interessenkonflikte – und somit für die Einschränkung eines unabhängigen Journalismus – doch gegeben.

 

Bild von: SeppH auf Pixabay , CC0 Public Domain