In Sachen Internet und Informationsfreiheit kann Lettland mit seinen westeuropäischen Nachbarn locker mithalten. Belege dafür gibt es viele.

Bereits 1998 wurde in Lettland ein Informationsfreiheitsgesetz verabschiedet. Alle staatlichen Seiten sind barrierefrei und in mindestens zwei Sprachen abrufbar. Fast alle Nachrichtenseiten ermöglichen interaktive Bürgerbeteiligung im Internet. Im vergangenen Jahr wurde ein Ministeramt für elektronische Verwaltung eingerichtet. Das Monopol der LAT-Telekom ist gefallen. Das ehemalige Staatsunternehmen konkurriert mit Mobilfunk- und Kabelanbietern. Die Zahl der Internet-Nutzer und Haushalte mit Internetanschluss steigt ständig.

Lettisch, English, Russisch

Seit seiner Unabhängigkeit im Jahr 1990 orientiert sich Lettland kulturell stark an den skandinavischen Ländern. Die russische Minderheit macht fast ein Viertel aller Einwohner aus. „Die Kenntnisse der lettischen Sprache wachsen, während die Russisch-Kenntnisse der Bevölkerung sinken. Das wirkt sich auch auf das Internet aus.“, sagt Dr. Ainars Dimants, Journalist und Gastdozent am Vidzeme Kolleg bei Riga. Neben den Websites in lettischer Sprache hat sich im „LATNET“ ein russischsprachiges Segment entwickelt. Nahezu alle stärker besuchten Seiten bieten auch eine englische Version aller Inhalte an.

Elektronische Verwaltung

Im vergangenen Jahr wurde in Lettland ein Ministeramt für die Informationsgesellschaft eingerichtet. Das Ziel des Amtes ist klar definiert: Umsetzung von eAdministration ohne Barrieren und Medienbrüche innerhalb der nächsten Jahre. Der Name des Amtes ist jedoch etwas umständlich formuliert: Sekretariat des Ministers für besondere Angelegenheiten in den Sachen der elektronischen Verwaltung.

Lettland hat Minister für eGovernment

Größtes Hindernis ist bis jetzt die Einführung der digitalen Unterschrift. Ainars Dimants erläutert: „Die Frage der elektronischen Signatur ist noch nicht ganz geklärt. In den Kommunalverwaltungen hat sich jedoch schon viel getan. Dort wurden schon eine Menge Dokumente ins Netz gestellt. In Estland ist das Internet bereits besser ausgebaut und weiter verbreitet als in Lettland.“ Der Weg zum Amt oder zur Post bleibt den Letten noch nicht erspart. Dimants Ansicht teilt auch sein Kollege Dr. Visvaldis Valtenbergs, Politikwissenschaftler an der Lettischen Universität, Experte für eDemocracy und Netzpolitik.

„Sowohl politische Diskussionen als auch die verschiedenen Unternehmer-Interessen haben die Entwicklung von eAdministration bisher gehemmt. In Sachen eGovernment ohne Medienbruch stehen
Litauen und Lettland auf derselben Stufe. Beide Länder können aber nicht mit Estland mithalten.“


Wirtschaftsfaktor Internet

Die staatliche Telefongesellschaft Lat-Telekom wurde in den letzten Jahren in ein Privatunternehmen umgewandelt. Von der Privatisierung merken Anwender bisher wenig. Das Unternehmen ist noch immer der größte Anbieter von Internet-Anschlüssen.

„Neben der Lat-Telekom bieten auch Kabel-TV-Firmen Internetzugänge an.“, berichtet Ainars Dimants. Markterfolge verzeichnen auch Mobilfunk-Firmen wie Latvijas Mobilais Telefons (LMT) und TeliaSonera.

„Der große Vorteil von Lettland ist, dass sich viel Kapital in Riga konzentriert. Hier wohnen die meisten Menschen. Somit ist es hier auch einfacher, Netze aufzubauen. Auf dem Land gibt es spezielle Programme für Schulen. Die Zahl der privaten Nutzer ist dort jedoch geringer.“, sagt Ainars Dimants weiter.

Sowjet-Altlast wird zum Hardware-Riesen

Im Hardware-Bereich konnte sich in den letzten fünf Jahren das Unternehmen SAF Tehnika behaupten. Eine ehemals sowjetische Entwicklungsanstalt für Mikrowellentechnologie in Riga wurde von der populären Internet-Firma
Delfi zu einem Hardware-Hersteller für kleinere Provider umgekrempelt. Nicht nur in den Baltischen Staaten, auch in China und Südamerika finden die Produkte der Firma reissenden Absatz.

Die neuen Pioniere der Netzkultur

Wie auch im litauischen Netz ist das Kommentieren von Artikeln eine Standardfunktion auf Nachrichtenseiten. Nach Angaben von Dr. Visvaldis Valtenbergs hat das Interesse an dieser Möglichkeit der Einwirkung auf öffentlich Diskurse in den letzten Jahren etwas abgenommen. Auch Weblogs sind in Lettland noch nicht verbreitet und weitestgehend unbekannt. Das könnte sich bald

ändern, hoffen die Initiatoren der Seite dialogi.lt. Vor vier Monaten ging das offene Portal online. „Weise sind nicht die Antworten, sondern die Fragen“ lautet das Motto von
Dialogi.lt.

Vom Dialog zum Diablog

Unterstützt wird das Projekt von der George-Soros-Stiftung. Hier kann man Texte zu verschiedenen kulturellen und politischen Themen lesen und verfassen. Die Texte erscheinen in lettischer und russischer Sprache. Die Seite will nicht nur den Dialog zwischen lettisch und russisch-sprechender Bevölkerung, sondern auch Medienkompetenz fördern. Durch den regelmäßigen Umgang mit Kommentaren entwickelt man schnell ein Gefühl für den feinen Unterschied zwischen Meinung, Provokation und Agitation.

Freies Wissen für alle

Weiterhin will Dialogi.lt Wissen frei teilen und verbreiten. So können dort Studierende von Fachhochschulen und Universitäten ihre Arbeiten jedermann zugänglich machen. Das sorgt dafür, dass das Wissen nicht nur denen vorbehalten bleibt, die dafür zahlen können, sondern alle davon profitieren können. In der Rubrik
Diablog leistet der Journalist Dim Aleksandrov Pionierarbeit in Sachen Blog-Activism. Täglich dokumentiert er anhand von kleinen, alltäglichen Anekdoten und Erlebnisberichten das Leben in Lettland. Visvaldis Valtenbergs sagt: „Ich habe noch kein Weblog von Personen, die in der politischen Öffentlichkeit stehen, gesehen “ Doch das Feedback auf dialogi.lt ist groß und Aleksandrovs Diablog könnte eine Vorreiterolle für die Entwicklung einer lettischen Blogger-Kultur einnehmen.