Vieles ist möglich in der künftigen Welt 4.0. Kühlschränke bestellen automatisch Nachschub, Überweisungen werden zweckgebunden und sogar komplexe Verträge könnten ohne schriftliche Fixierung abgeschlossen werden. Aber wie realistisch sind solche Visionen in Zeiten stark ausdifferenzierter Rechtssysteme? Und wo liegen mögliche Gefahren, wenn sich auf Computerprotokollen basierende Transaktionen in einem ganz eigenen System verselbstständigen, quasi fast autonom agieren? Diese und andere kontroverse Fragen wurden auf der Blockchain Expo 2017 in Berlin heiß diskutiert. Wir haben uns umgehört und die Argumente gesammelt.

Geht es nach Adam Vaziri, selbst ernannter „Blockchain-Anwalt“ und Begründer der Blockchain-basierten Online-Lotterie Quanta (wir berichteten), würde sich für ihn als Unternehmer wenig ändern. Wie er denn gedenke, die Steuerproblematik zu lösen, wenn Lotto-Gewinne plötzlich global und anonymisiert ausgeschüttet werden, will einer der Zuschauer nach Vaziris Vortrag wissen. Der wiederum verweist lediglich auf die Politik. Diese sei nun im Angesicht solcher Veränderungen an der Reihe, gewisse gesetzliche Änderungen vorzunehmen bzw. bestehendes Recht an die neue Technik anzupassen. Solche Reaktionen, aber auch kritische Nachfragen hört man dieser Tage auf der Blockchain-Expo nicht selten. Die Technologie ist zwar da, aber wie kann sie auch rechtliche Absicherung bieten?

Blockchain soll Rechtssicherheit bieten

Eine höchst relevante Frage, denn: Blockchain soll aus den teils skeptisch beäugten Tiefen des World Wide Web herausgeholt werden. Unternehmen sollen Blockchain-basierte Plattformen gerne nutzen und darauf vertrauen können, sich immer im Rahmen der Legalität zu bewegen. Doch genau dort liegt ein Problem: Die Nutzung von Blockchain ist dezentral organisiert. Viele Ideen, Anbieter, Start-Ups, aber kaum ein zentraler Fixpunkt. Gleichzeitig könnte eine kluge Strategie die Finanz- und Wirtschaftswelt, aber auch den öffentlichen Sektor entscheidend umformen. Gerade deshalb, so waren sich alle Teilnehmer der im Rahmen der Blockchain stattfindenden Diskussionsrunde mit dem Titel „Is Code the new Law?“ einig, sei juristische Expertise neben guten IT-Kenntnissen unbedingt notwendig, um Rechtssicherheit bei der Nutzung von Blockchain gewährleisten zu können.

Smart Contracts könnten klassische Verträge vollständig ersetzen

Der Legal-Tech-Branche kommt daher besonders bei den sogenannten „Smart Contracts“  eine wichtige Rolle zu. Smart Contracts, also Computerprotokolle, die Verträge zwischen zwei oder mehreren Vertragsparteien abbilden, werden innerhalb des Blockchain-Diskurses als eine der zukunftsträchtigsten Perspektiven gehandelt. Sie könnten schon bald nicht nur klassische Kaufverträge vollkommen automatisieren, sondern ebenfalls bei Börsentransaktionen oder im Bereich des E-Government zum Einsatz kommen.

Gründer Addi Rull im Gespräch mit Autor Daniel Krüger
Gründer Addi Rull im Gespräch mit Autor Daniel Krüger

So könnte man bei entsprechender Programmierung, Transaktionen zwischen Beteiligten automatisiert ablaufen lassen. Das System würde automatisch erkennen, ob die vorher festgelegten Vertragsregeln eingehalten werden, um dann eine Reaktion zu veranlassen, wie zum Beispiel eine Boni-Auszahlung der Krankenkasse für Vorsorgeuntersuchungen beim Arzt. Jene Vertragsregeln  müssen sich aber in einem rechtlich einwandfreien Rahmen bewegen, um die Gültigkeit der Verträge nicht zu gefährden. Falsche Programmierung und fehlende Rechtskenntnisse könnten die Branche sonst Milliarden kosten. Sie würden zudem das Vertrauen in Smart Contracts und die Blockchain-Technologie generell zerstören.

Vollständige Automatisierung eher Zukunftsvision

Damit das nicht geschieht, haben es sich Blockchain-Begeisterte wie Addi Rull zum Ziel gesetzt, Smart Contracts zukunftsfähig zu machen. Der Este ist Mitbegründer des Start-Ups Agrello. Die Firma hat sich darauf spezialisiert, Kunden bei der Ausarbeitung von Smart Contracts zu beraten. Im Team von Agrello arbeiten Anwälte Hand in Hand zusammen mit IT-Experten und übersetzen Verträge jeglicher Art in die Sprache der Blockchain-Codes. Sind Smart Contracts das gesellschaftliche Modell der Zukunft? Definitiv, meint Addi Rull entschlossen, auch wenn er nicht glaubt, dass menschliche Mitwirkung, vor allem aus juristischer Perspektive, in nächster Zeit ersetzbar wird. Genau wie Dr. Thomas Schönfeld, Finanzberater bei PricewaterhouseCoopers, glaubt auch er, dass die Komplexität der Rechtsmaterie noch nicht zulässt, dass Smart Contracts die Durchführung und Einhaltung von Verträgen autonom regeln können. Es sind vielmehr einzelne Klauseln in Verträgen, die eben aufgrund der erhöhten Effizienz auch automatisiert durch Blockchain erfüllt werden können, sagt Rull. Sie sind somit natürlich kein Ersatz für die Implementierung von Recht, sondern nur ein technisches Hilfsmittel. Generell ist es aber durchaus vorstellbar, dass eines Tages Gesetzestexte auf Server gespeist werden, die dann automatisch Blockchain-basiert kommunizieren und Verträge automatisch überwachen. Nur über den Inhalt der Gesetze müsste noch der Mensch entscheiden. Oder ein Roboter.

 

politik-digital ist Medienpartner der Blockchain Expo 2017 in Berlin.

Titelbild: Security, by JanBaby via Pixabay, CC0